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"Die Akte Aufbau Ost wird nicht zugeklappt", versichert die Bundesregierung
© Jens Wolf/dpa

Ost-West-Studie der Bundesregierung: Polizisten gelten als gut, Politiker als schlecht

In vielen Bereichen haben sich die Einstellungen Ostdeutscher denen im Westen inzwischen angenähert. Das zeigt eine Studie aus Halle, die im Auftrag der Ost-Beauftragten der Bundesregierung erstellt wurde.

Die DDR – ein Unrechtsstaat? Noch einmal taucht das Reizwort auf, auf das sich die Koalitionäre in Thüringen im vergangenen Herbst nach langem Ringen verständigt hatten. Geht es nach der Auffassung der Ostdeutschen, so sind die Meinungen dort zu diesem Urteil geteilt. Laut einer am Mittwoch vorgestellten groß angelegten Studie des Zentrums für Sozialforschung Halle (ZSH) sagen zwar 70 Prozent von ihnen, dass die DDR eine Diktatur gewesen ist. Als „Unrechtsstaat“ wollen dennoch nur 46 Prozent der Befragten ihr früheres Heimatland bezeichnet wissen.
„Sind wir ein Volk?“ lautet der Titel der Untersuchung, die von der Ost-Beauftragten der Bundesregierung, der thüringischen SPD-Politikerin Iris Gleicke, in Auftrag gegeben worden ist. Sie sagte: „Natürlich sind wir ein Volk“, dies auch nicht erst seit 1989. Aber das heiße nicht, dass mittlerweile alles zusammengewachsen sei, was zusammengehöre, und die Akte Aufbau Ost zugeklappt werden könne. Und zum Thema DDR: „Eine Diktatur ist nun einmal eine Unrechtsstaat, das gehört zu ihrem Wesen.“ Die Wissenschaftler erklären die geteilten Meinungen zu dieser Frage damit, dass viele Ostdeutsche fürchten, Teile ihrer eigenen Biographie zu entwerten, wenn sie zustimmen, dass die DDR zu einem Synonym für Unrecht erklärt wird.

Es ist ein umfangreiches Konvolut, das vorliegt, um die Meinungen der Deutschen in Ost und West zu bilanzieren, 391 Seiten stark. Ergänzt wird die Analyse durch Aussagen von DDR-Bürgern aus den Jahren 1968 bis 1989. Dafür herangezogen wurde die sogenannte Stellvertreterforschung, wie Richard Hilmer vom Meinungsforschungsinstitut infratest dimap erläuterte. Da direkte Befragungen von DDR-Bürgern seinerzeit nicht möglich waren, wurden jährlich etwa 1200 DDR-Besucher aus dem Westen zu ihren Eindrücken und Einschätzungen über die besuchte Ost-Verwandtschaft befragt.

Als „bemerkenswert“ hebt Gleicke den Umstand hervor, dass heutzutage einerseits mit 77 Prozent die meisten Ostdeutschen die Wiedervereinigung für sich persönlich als vorteilhaft erleben, aber auch 62 Prozent der westdeutschen Bevölkerung. „Die positive Sicht mag in vielen Fällen beruflich oder familiär bedingt sein“, meinen die Autoren der Studie. „Mehr noch aber deutet die große Zahl auf eine auch im Westen der Bundesrepublik breit verankerte Identifikation mit der deutschen Einheit hin.“ Die Stellvertreterforschung der Expertise ergänzt das mit Daten aus der Zeit vor der Wende: Während sich in den 70er Jahre nur etwa 20 Prozent der DDR-Bürger als Gegner des Systems sahen, verdoppelte sich dieser Anteil bis 1989.

Iris Gleicke (SPD) ist Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer
Iris Gleicke (SPD) ist Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer
© Michael Reichel/dpa

In vielen Bereichen unterscheiden sich heute die Meinungen von Ost- und Westdeutschen nicht mehr sehr groß – konkret etwa, wenn es um Fremdenfeindlichkeit oder Antisemitismus geht. Etwa die Frage, ob Ausländer Deutschland verlassen sollten, wenn die Arbeitsplätze knapper werden, wurde im Osten traditionell von einem höheren Anteil der Bevölkerung mit Ja beantwortet – das aber hat sich zuletzt angeglichen. Umgekehrt waren antisemitische Grundhaltungen lange im Westen weiter verbreitet als im Osten. Auch hier gibt es kaum noch Unterschiede zwischen Ost und West. Näher gekommen sind sich Ost- und Westdeutsche auch bei der Befragung zum Vertrauen in Institutionen – obwohl die Ostdeutschen tendenziell immer noch skeptischer sind. Es ist am größten in die Polizei, dicht gefolgt von Gerichten und der öffentlichen Verwaltung. Der Bundestag rangiert im Mittelfeld. Das schlechteste Ansehen haben in Ost wie West Politiker, nur ein ganz klein wenig besser schneidet das Europaparlament ab. „Das ist schon eine ziemliche Klatsche“, sagte Gleicke dazu.

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