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Kleiner Pieks, großer Streit: Wegen ihrer Sparmanöver bei Grippeimpfstoffen hat die AOK jetzt Ärger mit der Politik.
© Kay Nietfeld/ dpa

Kritik an Sparmanöver der AOK Nordost: Politik will Versorgung mit Grippeimpfstoff sichern

Die AOK Nordost hat mit den Apothekern einen derart niedrigen Preis für Grippeimpfstoffe vereinbart, dass nur noch ein Hersteller in Frage kommt. Das beunruhigt die Politik.

Gesundheitsexperten aus Union und SPD haben angekündigt, die Versorgung mit Impfstoffen gesetzlich zu sichern. Anlass ist eine Preisvereinbarung der AOK Nordost mit den Apothekern der Region für Grippeimpfstoffe, bei der nach aktuellem Stand lediglich ein Hersteller zum Zuge kommt.

CDU-Politikerin: Wille des Gesetzgebers wurde unterlaufen

Wenn das so bleibe, sei die Versorgungssicherheit gefährdet, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Karin Maag, dem Tagesspiegel. Und übte heftige Kritik. Mit ihrer Vertragsgestaltung habe die Kasse „den gesetzgeberischen Willen unterlaufen, der für Impfstoffe eine Angebotsvielfalt vorschreibt“, so die CDU-Politikerin. „Das schreit danach, dass sich der Gesetzgeber damit befasst.“ Sie sei „wild entschlossen, dafür zu sorgen, dass so was nicht nochmal passiert“.

Wie berichtet hat die AOK Nordost für die Saison 2018/2019 mit den Apothekerverbänden von Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern federführend für alle gesetzlichen Kassen der Region einen derart niedrigen Abrechnungspreis für den neuen Vierfach-Grippeimpfstoff vereinbart, dass die beiden Großhersteller Sanofi und GlaxoSmithKline dafür nicht liefern können oder wollen. Er liegt bei 10,95 Euro pro Dosis. Als Lieferant für die gesetzlich Versicherten der Region bleibt nur ein einziger Hersteller, das niederländische Unternehmen Mylan.

Die Kasse nehme damit gefährliche Lieferengpässe in Kauf, warnten Gesundheitsexperten im Tagesspiegel. Denn aufgrund des langen Vorlaufs – die Herstellung von Grippeimpfstoffen dauert ein knappes halbes Jahr – könne bei Produktionsausfällen oder höherer Nachfrage kurzfristig kein anderer Hersteller einspringen.

AOK sieht in Sorge um Lieferengpässe nur Panikmache

Um diese Gefahr zu bannen, ist es den gesetzlichen Krankenversicherern seit 2017 per Gesetzausdrücklich verwehrt, mit Impfstoff-Herstellern exklusive Rabattverträge abzuschließen. Gegen diese Vorgabe habe man nicht verstoßen, beharren AOK und Apothekerverbände. Die Ärzte könnten weiterhin Grippeimpfstoffe aller am Markt befindlichen Hersteller verordnen. Zwar müssten sie dafür dann bei den Kassen eigens eine Kostenübernahme beantragen. Das Verfahren habe sich aber bewährt. Die Kritik daran sei nichts anderes als Panikmache, mit der Patienten „grundlos verunsichert“ würden.

Auf die theoretische Chance hin, dass vielleicht auch ein paar teurere Impfstoffe geordert würden, gingen die Konkurrenzunternehmen nicht in eine derart aufwändige Produktion, kontert die Gesundheitspolitikerin Maag. De facto sei man deshalb dank der AOK nun wieder in genau dem Dilemma gelandet, das man mit der gesetzlichen Vorgabe eigentlich habe verhindern wollen: bei den immens wichtigen Impfstoffen auf Wohl und Wehe auf einzelne Hersteller angewiesen zu sein.

SPD warnt davor, sich bei Arzneipreisen erpressbar zu machen

Auch in der SPD sieht man das Problem, die Kritik ist aber verhaltener. Die Politik müsse das Thema von Lieferengpässen bei Impfstoffen „wohl nochmal aufgreifen“, sagt ihr Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Gleichzeitig warnt er davor, übers Ziel hinauszuschießen und sich von der Pharmaindustrie bei wichtigen Medikamenten und Impfstoffen aus Angst um die Versorgungssicherheit „erpressbar machen“ und zur Akzeptanz von überhöhten Preisen zwingen zu lassen. „Was nicht passieren darf, ist, dass das System der Rabattverträge und Ausschreibungen ausgehöhlt wird.“

Die Kassen argumentieren ähnlich: Ein fester Apotheken-Abgabepreis könne unter den Herstellern einen Preiswettbewerb in Gang setzen, den es sonst nicht gäbe. Doch die CDU-Politikerin Maag hält das im Fall wichtiger Impfstoffe für sekundär. Vorrangiges Ziel muss es sein, die Bevölkerung verlässlich gegen Grippe impfen zu können, sagt sie. Ob es dabei dann noch zu marginaler Kostenersparnis komme, sei „angesichts der gesundheitlichen Gefährdung weniger wichtig“. Und vielleicht helfe es ja auch mal, an den volkswirtschaftlichen Schaden durch ausgebliebene Grippeimpfungen zu denken.

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