Infektionswelle in Deutschland: 6000 Grippefälle in Berlin und Brandenburg
Wegen der Grippe hat ein Klinikchef in Halle (Saale) ein Besuchsverbot erteilt, damit sich seine Patienten nicht anstecken. Ein Vorbild für Berlin und Brandenburg?
„Oje, jetzt wird es auch noch Winter“, sagte eine Krankenschwester am Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus, wo es am Freitagmittag zu schneien begann: „Hoffentlich wird es dadurch nicht noch schlimmer mit der Grippewelle.“
Susanne Glasmacher, die Sprecherin vom Robert-Koch-Institut, beruhigt: „Das Wetter hat keinen direkten Einfluss auf die Influenza. Zwar tritt die meistens im Winter auf, aber ob da draußen plus oder minus fünf Grad sind, ist unerheblich. Zumal die Übertragung meistens in den gleichmäßig temperierten Innenräumen erfolgt.“
Allerdings, fügt die Sprecherin sofort hinzu, seien die Zahlen der Neu-Infizierten auch so noch immer sehr hoch. So kamen in der vergangenen Woche in Berlin und Brandenburg etwa zweieinhalb mal so viele Patienten mit akuten Atemwegsinfekten in die Arztpraxen als normalerweise. In Berlin war das mit 1413 Neuerkrankungen der höchste Wochenstand seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2001.
Insgesamt erhöhte sich die Zahl der in dieser Influenza-Saison Infizierten auf 6649. Jeder zehnte davon musste im Krankenhaus behandelt werden. Auch in Brandenburg wurden im gleichen Zeitraum mehr als 6000 Erkrankte gemeldet. Hinzu kommen hier auch bereits fünf Sterbefälle.
Besuchsverbot für Angehörige
In anderen Bundesländern wie Sachsen, Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz und dem Saarland ist die Lage noch schlimmer.
In Sachsen-Anhalt hat jetzt erstmals ein Klinikchef drastische Maßnahmen ergriffen: Der Ärztliche Direktor des Krankenhauses Martha-Maria in Halle (Saale) hat ein Besuchsverbot für Angehörige verhängt, um seine Patienten zu schützen. In den rund 500 Betten seiner Klinik lägen viele schwerkranke Menschen, begründete er seinen Schritt. Es sei für sie gefährlich, wenn sie sich zusätzlich noch mit der Grippe ansteckten. Diese würde aber durch viele Besucher übertragen, manche wüssten nicht einmal, dass sie bereits infiziert seien, weil sich die Symptome erst am nächsten oder übernächsten Tag zeigten.
Die Meinungen über das Besuchsverbot gehen bei Ärzten, Besuchern und Patienten auseinander. So gibt es nach Kenntnis der Berliner Senatsverwaltung und des brandenburgischen Ministeriums für Gesundheit hier bislang keine generellen Besuchsverbote, bei einer Zuspitzung der Situation sei so etwas aber nicht ausgeschlossen.
Die Entscheidung liege aber stets bei den Einrichtungen selbst, da diese auch die Verantwortung für ihre Patienten tragen. „Nach Paragraf 23 des Infektionschutzgesetzes ist der Hausherr für solche Maßnahmen zuständig“, sagt Klaus-Dieter Zastrow, Chefarzt des Hygieneinstituts der Regiomed-Kliniken: „Ich habe so etwas zwar noch nie gehört, aber ich finde es mutig und konsequent. Das muss man sich erst einmal trauen, da gibt es bestimmt viel Kritik.“
Patienten beschweren sich
Laut Medienberichten beschweren sich in Halle nicht die Angehörigen über das Besuchsverbot, sondern einige wenige Patienten selbst. Sie vermissten die körperliche Zuwendung, die Streicheleinheiten, heißt es. „Wenn man das Kuscheln vielleicht mit dem Leben bezahlen muss, kann man ja möglicherweise auch mal für ein paar Tage darauf verzichten“, sagt Klaus-Dieter Zastrow.
Das findet auch der Berliner Kinder- und Jugendarzt Ulrich Fegeler: „Für immungeschwächte Patienten zum Beispiel kann eine Ansteckung mit der Influenza tödlich sein.“ Bei kranken Kindern sei das allerdings etwas anderes. „Die brauchen natürlich die Nähe der Eltern, aber die sind ja meistens ohnehin bei ihnen in der Klinik.“
Da die Grippezahlen zwar in Cottbus gerade erstmals ein wenig zurückgehen, ansonsten aber sehr hoch bleiben, verweisen Gesundheits- und Hygieneexperten ebenso wie Ärzte auf die allgemeinen Maßnahmen wie Händewaschen, Abstandhalten und natürlich die Grippeschutzimpfung. Diese ist, so Klaus-Dieter Zastrow, auch jetzt noch nicht sinnlos. Egal, ob es in den nächsten Tagen endlich Frühling wird oder doch noch einmal der Winter zurückkehrt.