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Stell dir vor es ist Demokratie - und keiner geht hin.
© Sebastian Kahnert/dpa

Schwindendes Vertrauen in die Demokratie: Politik muss mit der Bevölkerung reden – nicht über sich selbst

In beschleunigten Zeiten wirkt Demokratie oftmals behäbig. Aber sie muss nun mal vermitteln, erklären und planen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Allensbach fragt, Bürger antworten. Was in der Antike die Auguren taten, also Tendenzen und Prognosen liefern, das leisten heute Umfragen. Sie sollen der Gesellschaft signalisieren, wohin sie steuert und was ihr fehlt. Die jüngste Sondierung des Allensbach Instituts meldet einen Absturz der Temperatur im gesellschaftlichen Klima: Frost, Kälte, Zittern und Zagen.

Dass die „Qualität der Regierung“ eine „Stärke des Landes“ sei, glaubte Mitte 2015 gut die Hälfte der Bürger, inzwischen nur noch ein Viertel. Derzeit vertrauen 57 Prozent der Bevölkerung der „Stabilität“ des Landes. Im Sommer 2015 waren es 81 Prozent. Besonders alarmierend scheint der Trend, das politische System insgesamt nicht mehr als eine Stärke des Landes anzuerkennen, wie das 51 Prozent der Befragten tun, elf Prozent weniger als 2015. Eine Hälfte scheint nicht mehr zu achten, was die Grundlage des Gemeinwohls, die Basis des zivilisierten Umgangs ist: Demokratie.

Kompromiss hin oder her: Politik muss auch in einer Demokratie eine gewisse Entschiedenheit verkörpern, sonst kommt doch kein Mensch mehr mit. Gerade wenn die Zeiten unübersichtlich sind wie jetzt.

schreibt NutzerIn geruempelsynchronisierer

„Merkel ist schuld“ - damit ist es nicht getan

Die einen greifen sich an die Köpfe, die anderen unken oder höhnen: Da habt ihr´s! Schnell wird die große Koalition verantwortlich gemacht für die Erosion des Demokratievertrauens. Ähnliches Misstrauen gegenüber der Demokratie gibt es außerdem rund um den Globus, von den USA über Brasilien bis zu den Philippinen oder in Ungarn. Es ist nicht damit getan, „Merkel ist schuld!“ zu rufen, wann immer Züge zehn Minuten zu spät kommen. Analysen erhalten wir nicht durch den Dauerhohn beliebter Satiresendungen wie der „heute show“.

Denn binnen einer knappen Generation hat sich die gesamte Weltordnung verändert. Parallel zur Auflösung der ideologischen Blöcke des Kalten Krieges kam es zur gewaltigsten technischen Revolution, dem Übergang der analogen Sphäre zur digitalen. Auf Aushandeln angelegte Politik scheint der Turbogeschwindigkeit nicht gewachsen, mit der dieser Strukturwandel alle Lebensbereiche erfasst, Behörden, Bildungssystem, private Räume. Und dieser Wandel ist hochgradig ambivalent besetzt.

Alle wollen am Turbotreiben teilhaben

Einerseits wirken unregulierte Akteure wie die Tech-Giganten mächtiger als sämtliche Akteure klassischer Politik. Andererseits wollen fast alle teilhaben am Turbotreiben, an Netflix-Videos, Amazon-Lieferungen, Instagram-Fotos und Kommentaroptionen, um News und Waren zu bewerten. Fasziniert gewöhnen sich Bürger an die Instant-Macht, die ein Klick oder Knopfdruck ausüben kann.

Im Vergleich dazu erscheint die analoge Restwelt lächerlich langsam, etwa wenn im Parlament langatmig debattiert wird, oder der Bau eines Flughafens Jahre dauert. Während allerdings das Surfen im Netz Größenwahn befördert, ahnen die User zugleich das Ausmaß der Manipulation, der sie sich freiwillig aussetzen – und dass es so nicht bleiben darf.

Aus dem Widerspruch aus Macht und Ohnmacht erwächst die Sehnsucht nach Autorität

Die wendigen Gewinner des Wandels werden indes stetig reicher, während die schwerfälligeren zu Verlierern werden, und ärmer. Aus diesen Widersprüchen von Macht und Ohnmacht erwächst der Ruf nach dem Durchgreifen, nach autoritären Figuren und Systemen, die „das alles“ in Recht und Ordnung bringen.

Doch demokratische Regulierung neuer Technologie ist immer ein längerer Prozess. Sie dauert. Gemeinsam gefunden werden muss das beste Verhältnis aus demokratischer Ungeduld und Geduld. Politik muss vermitteln, erklären, planen – und mit der Bevölkerung reden, statt über sich selbst.

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