Schlechte Umfragewerte für Koalition: Glaube an Qualität der Regierung „erdrutschartig verfallen“
Die Deutschen verlieren das Vertrauen in die Politik – und zwar signifikant. Aber trotz der Unzufriedenheit mit der Regierung will nur eine Minderheit Neuwahlen.
Die Bundesregierung hatte sich in ihrer Halbzeitbilanz selbst ein gutes Zeugnis ausgestellt. Das wird von den Bürgern aber offenbar ganz anders wahrgenommen: Noch 2015 bewerteten 81 Prozent der Wahlberechtigten die politische Stabilität als ein besonderes Prädikat der Bundesrepublik, heute sind es nur noch 57 Prozent. Dies ergab eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Zur Halbzeit der vergangenen Legislaturperiode im Jahr 2015 sahen demnach noch 49 Prozent der Befragten eine Stärke Deutschlands in der Qualität der Arbeit der Regierung. Jetzt ist dieser Wert erheblich gesunken – auf nur noch 26 Prozent. Der Glaube der Deutschen an die Qualität der Regierung sei "geradezu erdrutschartig verfallen", heißt es demnach in der Auswertung der Umfrage. Auch das Vertrauen in das politische System hat deutlich abgenommen: Sahen vor vier Jahren noch 62 Prozent darin eine Stärke des Landes, sind es heute nur noch 51 Prozent.
Weniger als die Hälfte sind der Ansicht, dass die Regierung handlungsfähig ist
Wie Allensbach analysiert, empfinden inzwischen 58 Prozent der Befragten die große Koalition als schwach, nur noch 19 Prozent attestieren der Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stark zu sein. Und deutlich weniger als die Hälfte (45 Prozent) sind der Ansicht, dass Schwarz-Rot handlungsfähig ist. Vor einem Jahr habe die Mehrheit der Bürger noch darauf vertraut, schreibt Allensbach.
Deutliche Unterschiede zeigen sich der Umfrage zufolge hier in Westen und Osten. In Westdeutschland sind 48 Prozent der Bürger der Meinung, Deutschland habe einen handlungsfähigen Staat, im Osten sehen dies nur 34 Prozent so. Hier halten 57 Prozent den Staat für schwach, im Westen sind dies 41 Prozent.
64 Prozent der Befragten nehmen die SPD als zerstritten wahr
Das Regierungsbündnis gelte als zerstritten, schreibt die Chefin des Allensbach-Instituts, Renate Köcher, in der FAZ. Auch die verschiedenen Partei der Regierungskoalition würden als uneins wahrgenommen. "Das gilt besonders für die SPD, in hohem Maße aber auch für die CDU. Bei beiden diagnostizieren die Bürger ein beunruhigendes Machtvakuum", schreibt Köcher.
Allensbach zufolge nehmen 64 Prozent der Befragten die SPD als "zerstritten" wahr. Über die Unionsparteien sagen das 53 Prozent der Teilnehmer der Untersuchung. Für die AfD liegt der Wert bei 26 Prozent. Die Linke, die Grünen und die FDP halten demnach nur wenige Menschen für zerstritten.
Nur 24 Prozent gehen davon aus, dass das schwarz-rote Bündnis vorzeitig platzt
Die Deutschen hätten bei der großen Koalition den Eindruck von Führungslosigkeit und Planlosigkeit, so Köcher. Zwar würden die Oppositionsparteien überwiegend als geschlossen gesehen, dies aber mindere die Besorgnis der Wähler nicht. "Die Bürger wünschen sich eine kraftvolle Regierung und in einem Regierungsbündnis konstruktive Zusammenarbeit", schreibt die Allensbach-Chefin.
Trotz der offensichtlichen Unzufriedenheit mit der großen Koalition und ihrer Arbeit sprechen sich nur 31 Prozent für Neuwahlen aus, 45 Prozent sind dagegen. Und auch nur 24 Prozent gehen davon aus, dass das schwarz-rote Bündnis vorzeitig platzt. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die Union auf 29,5 Prozent, zweitstärkste Kraft wären die Grünen mit 21,5 Prozent. Die AfD würde mit 14,5 Prozent knapp vor der SPD landen (14 Prozent). Die Linke käme auf 8,0 und die FDP auf 7,5 Prozent.
Die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, kommentierte die Ergebnisse der Umfrage mit den Worten: "Neuwahlen wären in einer solchen Lage das Gebot der Stunde, um dem Elend ein Ende zu bereiten. Aber diese Regierung ist zu nichts mehr fähig - nicht einmal mehr zum Koalitionsbruch." Allerdings stellten die Meinungsforscher bei ihrer Befragung auch fest, dass nur knapp ein Fünftel der Bürger mit Neuwahlen gute Chancen auf eine starke, handlungsfähige Regierung verbinden.