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Ein Nationalist führt polnische und ungarische Rechtsextreme durch Warschau. Am Unabhängigkeitstag war die Innenstadt Warschaus erneut Bühne für völkische Aufmärsche.
© AFP

Unabhängigkeitstag: Polen im nationalistischen Taumel

Nach dem Sieg der konservativen PiS trauten sich liberale Polen zum Nationalfeiertag gar nicht erst auf die Straße in Warschau. Dort marschierten auch ungarische Rechtsradikale mit.

„Lieber Koteletts als Mohammed“ und „Polen nur für Polen“, hieß es auf den Transparenten des zentralen Marsches zum Gedenken der wiedererlangten Unabhängigkeit Polens vor 97 Jahren. Wider Erwarten verlief der patriotische Marsch mit bis zu 100.000 Teilnehmern im Zentrum Warschaus bis zum frühen Abend weitgehend friedlich. Zwar zündeten Vermummte rot-weiße Rauchgranaten und am Rande des Marsches kam es zu einigen Schlägereien, doch Schwerverletzte waren bis zum Abend keine zu vermelden.

Nach dem überwältigenden Sieg der nationalkonservativen Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) vor drei Wochen haben weltoffene und kritischere Kräfte gar nicht erst versucht, den aufstrebenden patriotischen Kräften mit Gegendemonstrationen zu begegnen.

Viele Teilnehmer fühlten sich stattdessen von der künftigen Regierung geradezu ermuntert, ihrer Ablehnung gegen Flüchtlinge und Ausländer Ausdruck zu verleihen. So bezeichnete sich etwa der künftige Außenminister, Witold Waszczykowski, erst kürzlich öffentlich und mit einem Anflug von Stolz als Islam-Hasser.

„Islam raus! Polen nur für die Polen!“, skandierten deshalb viele Marschierenden, unter denen sich in der Mitte des Zuges ganze Familien mit kleineren Kindern befanden. Selbst ein paar katholische Priester marschierten mit. „Keine islamische, keine laizistische, sondern eine katholische Republik Polen!“, schrien die Marschteilnehmer. „Ehre, Gott und Vaterland“, hieß es dazu auf den Transparenten.

Kaczynski und Orban? Nicht rechts genug!

Aus Budapest war eigens eine etwa 50-köpfige Delegation der rechtsradikalen Jobbik-Partei angereist. Sie erinnerten die Polen an die jahrhundertealte polnisch-ungarische Freundschaft. „Stolz und Freundschaft – ein Bund für die Zukunft“, hieß es auf dem Jobbik-Transparent. Wie für Jobbik Viktor Orban zu wenig rechts steht, so kritisieren auch in Polen manche Nationalisten Jaroslaw Kaczynski für seine angeblich zu positive Einstellung zur EU. „Einst war es Moskau, heute gefährdet Brüssel die Unabhängigkeit Polens“, riefen deshalb wieder viele auf dem Warschauer Marsch.

Breite Front. Teilnehmer des Unabhängigkeitsmarsches ziehen am Nationalstadion vorbei. Der Tag markiert die Wiederherstellung Polens am 11. November 1918 nach 123 Jahren der Aufteilungen durch Österreich-Ungarn, Preußen und Russland.
Breite Front. Teilnehmer des Unabhängigkeitsmarsches ziehen am Nationalstadion vorbei. Der Tag markiert die Wiederherstellung Polens am 11. November 1918 nach 123 Jahren der Aufteilungen durch Österreich-Ungarn, Preußen und Russland.
© dpa

Trotz einer Einladung des rechtsextremem Marschkomitees rund um Krzysztof Bosak, den einstigen Chef der „Allpolnischen Jugend“ während der ersten Kaczynski-Regierung (2005-7) und heutigen Parteichef der rechtsextremen „Nationalen Bewegung“ (RN) an Andrzej Duda, setzte sich der Staatspräsident am Nachmittag nach Kranzniederlegungen und der Verleihung von Verdienstorden am Vaterland nach Ostpolen ab. Dort marschierte er in der Provinzstadt Biala Podlaska, einem Zentrum der weißrussischen Minderheit in Polen, zusammen mit weniger extrem eingestellten polnischen Patrioten. Eine Provokation stellt dies dennoch dar, zumal der der PiS nahestehende Duda erst vor wenigen Tagen sein Veto gegen ein Gesetz der heute Mittwoch abtretenden liberalen Regierung Ewa Kopacz über mehr Sprachrechte für Polens nationale Minderheiten eingelegt hatte.

Zum Abschluss des Marsches in Warschau hielten mehrere Exponenten der rechtsextremen Szene Polens Ansprachen. „Der PiS muss man auf die Hände schauen, denn sie gehorcht Washington und Israel“, warnte ein Redner der neofaschistischen ONR. Unter großem Beifall trat auch der Bürgermeister der ungarischen Stadt Asotthalom, Laszlo Toroczkai, auf, der in Ungarn mit einem Anti-Flüchtlingswerbespot für Aufsehen gesorgt hatte.

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