Umstrittene Justizreformen: Polen drohen vorerst keine EU-Sanktionen
Der Streit zwischen Brüssel und Warschau über die umstrittene Justizreform schaukelt sich weiter hoch. Die EU-Kommission droht - und redet vorerst weiter.
Im bitteren Streit mit der EU-Kommission über Justiz und Rechtsstaatlichkeit drohen Polen zunächst keine drastischen Sanktionen. „Wir zählen darauf, dass das Problem im fortgesetzten Dialog gelöst werden kann“, sagte der estnische Vizepremier Matti Maasikas am Montag nach Beratungen der zuständigen EU-Minister. EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans sagte, er sei ermutigt über die Bereitschaft Polens zum Gespräch.
In Warschau machte Präsident Andrzej Duda gleichzeitig neue Vorschläge zu der umstrittenen Justizreform, die die EU-Kommission beanstandet hatte. Auch das nahm vorerst Dampf aus dem seit Anfang 2016 eskalierenden Streit. Die Entspannung könnte allerdings nur kurz währen. Denn unter den EU-Ländern wächst offenbar Unterstützung für die Linie der Kommission, notfalls hart durchzugreifen.
Die EU befürchtet wegen der Justizreformen einen zu großen Einfluss der Regierung auf die polnischen Gerichte und damit eine Aushöhlung des Rechtsstaats. Timmermans hatte Warschau im Juli mit der Eröffnung eines Verfahrens gedroht, das in letzter Konsequenz zum Entzug der Stimmrechte des EU-Lands führen könnte. Es wäre beispiellos und gilt als äußerst scharfes Schwert. Die Entscheidung über Sanktionen läge bei den EU-Mitgliedsländern.
Der Ratsvorsitzende ermutigt beide Seiten zu "konstruktiven Gesprächen"
Noch ist es aber nicht so weit. Man ermutige sowohl die Regierung in Warschau als auch die EU-Kommission zu konstruktiven Gesprächen, sagte der Este Maasikas, der derzeit den Ratsvorsitz führt. Gleichwohl betonte er die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit als „fundamentalen Wert der EU“. Auch Timmermans sagte: „Rechtsstaatlichkeit ist keine Option, es ist eine Verpflichtung.“
In Polen hatte Präsident Duda gegen zwei von drei Gesetze der umstrittenen Justizreform im Juli ein Veto eingelegt, nachdem es zu Protesten in allen Großstädten des Landes gekommen war. Opposition und etliche Rechtsexperten hielten die Reform für verfassungswidrig.
Am Montag präsentierte Duda seine Gegenvorschläge und schlug eine Verfassungsänderung vor. Nach seiner Version der Reform hätte die Regierung weniger Einfluss bei der Ernennung von Richtern. Zudem würde sie die Position des Präsidenten stärken.
Timmermans will nach eigenen Worten diese Änderungsvorschläge nun zunächst prüfen und dann eine Stellungnahme abgeben. Noch sei der Zeitpunkt zur Entscheidung über das Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge nicht gekommen, sagte er. Die EU-Kommission habe allerdings die nötigen Instrumente zur Verfügung und würde nötigenfalls nicht zögern, sie zu nutzen. Er sei ermutigt durch die große Unterstützung aus dem Kreis der EU-Länder für die Kommission als Hüterin der europäischen Verträge.
Der für Europafragen zuständige polnische Minister Konrad Szymanski sagte am Montag in Brüssel, Polen sei bereit „alle notwendigen Erläuterungen zu geben“. Er fügte hinzu: „Wir erwarten sachliche Gespräche über Tatsachen.“ (dpa)