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Auf einander angewiesen, aber die Stimmung ist gerade mäßig: Kevin Kühnert und Olaf Scholz
© Kay Nietfeld/dpa

Scholz gerät unter Druck: Plötzlich bringt der Karneval Dynamik in die Impfpflicht-Debatte

Kanzler Scholz macht sich rar, sein General geht im Impfpflicht-Streit in die Offensive. Sogar Sondersitzungen des Bundestags werden zur Option.

Zu den Paradoxien dieser Pandemie gehört, dass das Reizwort „Karneval“ die Einführung einer Impfpflicht beschleunigen kann. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erklärt am Montag im Willy-Brandt-Haus jedenfalls: „Mein Kalender sieht nicht allzu viele Karnevalstermine im Februar vor.“ Verständlich: Kühnert ist Berliner.

Der einstige Olaf-Scholz-Kritiker Kühnert schwingt sich jetzt zu dessen oberstem Verteidiger auf, das ist seine Aufgabe als neuer SPD-Generalsekretär. Das Problem: Die vom Bundeskanzler gewollte allgemeine Impflicht verzögert sich. Auch wegen Karneval gibt es nur eine Sitzungswoche des Bundestags im Februar, vom 14. bis 18. Februar.

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Anfang Februar sind in Ländern wie Berlin zudem Winterferien, außerdem muss die Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten (13. Februar) vorbereitet werden. Kühnert zeigt sich also offen für Sondersitzungen in der Karnevalswoche. Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bietet das an.

Die Jeckenfeier findet 2022 pandemiebedingt ohnehin wieder lediglich eingeschränkt statt, zudem wird ihre kulturelle Faszination nicht gleichermaßen in allen Landesteilen verstanden. Deshalb kommt jetzt neue Bewegung in die Sache. Mit Sondersitzungen könnte womöglich auch der für eine Zustimmung notwendige Bundesrat das Gesetz schon am 11. März billigen - statt frühestens am 8. April. Und die Impfpflicht nicht erst ab Mai oder Juni in Kraft treten, wie es bislang scheint.

Kühnert erklärt, Scholz habe das ja gar nicht so konkret versprochen, dass bis Februar, spätestens Anfang März eine Impfpflicht gelten solle, er habe sich die Aussagen im Fernsehen nochmal angeschaut. Gegen Omikron könne sie ohnehin nicht helfen, da das Problem schon jetzt da sei.

Wörtlich sagte Scholz aber zum Beispiel am 30. November im ZDF: „Sie (die Impfpflicht – die Red.) muss zu einem Zeitpunkt kommen, wo auch jeder, der jetzt sich entschließt, sich impfen zu lassen, und bisher noch nicht geimpft ist, zwei Impfungen realistisch bekommen haben kann. Deshalb finde ich, wäre es richtig, wenn sie für alle gilt, ab Anfang Februar, Anfang März.“

Die Regierungssprecherin windet sich

Scholz, der nun wegen Lieferproblemen in der Kritik steht, macht sich rar an diesem Tag. Die neue stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann muss sich für ihn sehr winden. Vorher werden ihre Antworten immer mit dem Kanzleramt abgestimmt, und Scholz hat einfach nur einige dürre Sätze freigegeben. „Der Bundeskanzler steht zu seiner Überzeugung, dass es eine allgemeine Impfpflicht geben soll. Der Zeitplan liegt beim Deutschen Bundestag,“ sagt Hoffmann. Und nein, es werde weiterhin keinen eigenen Regierungsvorschlag geben. Es sei Sache der Abgeordneten, Anträge zu erarbeiten.

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Eine Gruppe um den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki will einen Antrag gegen die Impfpflicht zur Abstimmung stellen, dann ist einer für eine Impfpflicht ab 18 Jahren geplant, verstärkt wird auch das italienische Modell mit einer Impfpflicht für alle ab 50 diskutiert. Aber wie kann es sein, dass Scholz Ankündigungen macht und sich dann hinter Zeitplänen des Bundestags versteckt, wo er doch immer von Führung redet? Hoffmann sagt, sie habe ihren Worten nichts hinzuzufügen.

„Wir lassen uns nicht künstlich treiben“, betont derweil die SPD-Bundestagsfraktion. Scholz ist einer, der solche Debatten und Aufgeregtheiten an sich abperlen lässt.

Er versucht stattdessen intern gangbare Lösungen in der Koalition zu finden, Überraschungen und eigene Vorschläge nicht ausgeschlossen.

Kühnert sagt in Richtung der Scholz-Kritiker, er könne „diese Lust am Scheitern“ nicht verstehen. Aber er räumt auch ein, dass es mit dem Inkrafttreten noch im März kaum noch klappen dürfte.

Die CDU sagt: Keine Führung, Kein Kurs

Sein CDU-Pendant Ziemiak wirft einige Kilometer entfernt im Adenauer-Haus dagegen ein, es sei seit Jahrzehnten Usus in der Bundesrepublik, dass die Regierung in einer so wichtigen Frage einen Entwurf vorlege. Der müsse regeln, ab wann, für wen und mit welchen Bußgeldern so eine Pflicht durchgesetzt werden soll.

„Das, was die Bundesregierung gerade tut, ist zu sagen: wir machen nichts. Das halte ich für unverantwortlich.“ Das sei doch keine Führung, „das ist doch kein klarer Kurs“. Es könne doch nicht sein, dass die Abgeordneten jetzt ein Brainstorming machen. Etwas ankündigen und sich dann wegducken, das verunsichere die Menschen, so Ziemiak.

In einem Punkt ist SPD-General Kühnert konkret. Ein Impfregister, das alle Geimpften zentral erfasst, soll es eher nicht geben. Stattdessen sollen bei Einführung einer Impfpflicht Stichproben durchgeführt werden. In Italien, wo binnen weniger Wochen die Impfpflicht in Gang gesetzt worden ist, läuft der Abgleich über die Steuernummer der Finanzbehörde, bei Impfungen wird das entsprechend vermerkt.

Die neuen Zweifel an der Impfpflicht

Die Unterstützer einer Impfpflicht fürchten, bei einer Abstimmung erst im Frühjahr, wenn die aktuelle Welle gebrochen ist, könnte der Handlungsdruck zu gering sein. Auch Kühnert lässt offen, ob er eine Impfpflicht unterstützen wird.

Es ist unsicher, ob die Ampel–Koalition überhaupt eine eigene Mehrheit hätte. Deshalb war Scholz nichts anderes übriggeblieben, als die Entscheidung zur Gewissensfrage zu erklären.

Genährt von den Zweifeln in der FDP entfaltete sich eine schwierige Debatte, die für Scholz gefährlich ist. Ihr Tenor: Eine Impfpflicht sei obsolet, da die Impfstoffe Omikron-Infektionen nicht verhindern können. Weniger diskutiert wird, dass sie nachweisbar gegen schwere Verläufe schützen. Zudem werden bald auch gegen Omikron wirksamere Impfstoffe zur Verfügung stehen. Virologen wie Christian Drosten werden nicht müde, zu betonen, dass nur bei einer weit höheren Impfquote neue Mutationen - und der nächste Herbst/Winter - den Schrecken verlieren.

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