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Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat wiederholt Waffenlieferungen aus dem Westen gefordert. Seine Armee sieht er in einem desolaten Zustand.
© AFP

Ukraine: Petro Poroschenko, der abgekämpfte Präsident

In einem großen TV-Interview warnt Petro Poroschenko seine politischen Widersacher und nennt alarmierende Zahlen: Zwei Drittel der schweren ukrainischen Militärtechnik soll zerstört sein.

Präsident Petro Poroschenko hatte den großen Auftritt selbst gesucht. Gleich von den fünf größten TV-Sendern der Ukraine hatte er zu einem landesweit ausgestrahlten Interview bitten lassen. „Ich glaube, ich werde von keinem beneidet“, sagte der Präsident, der seit etwa 100 Tagen im Amt ist. Solange das Problem mit dem Krieg in der Ostukraine nicht gelöst ist, könne das Land nicht vorausblicken, blieben alle notwendigen Reformen stecken, erklärte Poroschenko.

Er verteidigte die Verhandlungen mit den Separatisten und Russland in Minsk und machte unmissverständlich klar: „Es ist uns derzeit unmöglich, einen Krieg im Donbass ausschließlich militärisch zu führen.“ Poroschenko, der müde aussah und streckenweise angespannt wirkte – er war erst am Wochenende von einer USA-Reise zurückgekehrt – führte das Gespräch streckenweise hochemotional. Auch sein Frust über die Partner in der EU und in den USA blieb nicht verborgen.

Er hätte sich Hilfe aus dem Westen gewünscht. „Die Signale, die ich während meines Präsidentschaftswahlkampfes aus Europa und den USA erhalten habe, zeigten eindeutig auf aktive Unterstützung“, sagte der Präsident. Die erste Waffenruhe am 20. Juni sei auf Anraten des Westens erfolgt. Leider habe diese Feuerpause dazu geführt, dass die Separatisten in die beiden Großstädte Luhansk und Donezk geflüchtet sind und sich dort bis heute festgesetzt hätten. Danach sei von beiden Seiten ein Krieg unter Einsatz schwerer Waffen geführt worden.

Aufgrund der massiven Unterstützung der Separatisten durch Russland stand die ukrainische Armee Ende August kurz vor der Kapitulation. 60 bis 65 Prozent der schweren Waffen seien vernichtet worden. Welche Gründe das hat und ob diese Zahlen zutreffen, bleibt aktuell unklar. Fakt ist jedoch, dass die ukrainische Regierung im Sommer zwei Mobilisierungswellen kurz hintereinander anordnete und zahlreiche junge, im Umgang mit Waffen unerfahrene Männer eingezogen wurden. Es gibt Berichte, wonach ein Teil des Geräts auch durch unsachgemäßen Umgang unbrauchbar wurde.

Der Präsident sieht die EU von russischer Propaganda überflutet

Mittlerweile gebe es in der Ukraine Menschen, „die jeden hassen, der mit einer Waffe in der Hand in ihrer Stadt erscheint“, sagte Poroschenko. Er forderte die Ukrainer auf, sich gegenseitig zu unterstützen. „Wenn wir uns in dieser Lage jetzt auch noch gegenseitig zerfleischen, hilft das keinem“, gab der Präsident zu bedenken. Eine „zweite Front“ dürfe es in der Ukraine nicht geben. Damit spielte das Staatsoberhaupt auf die Kritik von Regierungschef Arseni Jazenjuk und Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko an, die beide eine militärische Lösung wollen. „Mein Friedensplan gilt“, so Poroschenko. Allerdings schob er nach, dass es im Falle eines Scheiterns der Friedensgespräche keine andere Option als die Verteidigung gebe. „Darauf müssen wir uns auch vorbereiten, unser Plan B muss inhaltlich ausgefüllt sein“, erklärte Poroschenko. Sein ganzes Leben lang sei er Optimist gewesen und bleibe es, deshalb glaube er auch daran, dass der Sonderstatus des Donbass und das Amnestieangebot an die Kämpfer irgendwann zu einer Entspannung der Situation führen werden.

Poroschenko warnte jedoch auch seine Gegner, dieses Programm zu konterkarieren. „Damit laufen wir Gefahr, die Unterstützung der internationalen Institutionen zu verlieren.“ Im 21. Jahrhundert sei es nun einmal so, dass jedes Land Kompromisse machen müsse. „Wenn wir die Ukraine modernisieren wollen, dann geht das nur mit der Hilfe Europas und den USA.“ Poroschenko zeigte sich deshalb verärgert über die Aufschiebung des Freihandelsabkommens mit der EU, das nun erst mit 15 Monaten Verspätung kommt. Dies sei offenbar ein Resultat der Angst einiger EU-Staaten vor einer weiteren Konfrontation mit Russland.

Einen Seitenhieb konnte sich Poroschenko nicht verkneifen: Er warf seinen westlichen Verbündeten vor, sie würden „leichtfertig russische Propaganda verbreiten lassen“. Unzählige vom Kreml beauftragte PR-Agenturen seien in der westlichen Welt unterwegs und zeichneten ein „Schmierengemälde der Ukraine“. Ungefiltert und hemmungslos würden „sogenannte Experten“ in großen europäischen Ländern ungehindert „Horrormärchen über die Ukraine verbreiten“.

Poroschenko merkte an, er könne nicht verstehen, wieso diese Propaganda seit Monaten andauere. Ein Journalist lieferte die Antwort: „Vor allem Deutschland und Frankreich wollen ihre Märkte in Russland nicht verlieren, außerdem haben sie beste Beziehungen zu Putin.“

Politische Experten, die den Poroschenko-Auftritt bewerteten, kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wolodymir Fesenko, Direktor beim Penta Zentrum für politische Studien, ist der Meinung, Poroschenko wolle parallel zu den Friedensgesprächen eine neue Armee aufbauen und danach schauen, ob er die verlorenen Gebiete doch militärisch zurückbekommt. Politikberater Taras Berezowets ist der Ansicht, es gelte nun, konkrete Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu beginnen. Das Format müsse so groß wie möglich sein, um viele Akteure einzubeziehen.

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