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Die ehemalige AfD-Funktionärin Tatjana Festerling Ende Mai bei einer Pegida-Kundgebung in Dresden
© Jan Woitas/dpa
Update

Oberbürgermeisterwahl in Dresden: Pegida geht mit Tatjana Festerling ins Rennen

Der AfD war sie zu rechts. Jetzt soll Tatjana Festerling für Pegida als Oberbürgermeisterin in Dresden kandidieren. Das gab Pegida-Anführer Lutz Bachmann bekannt.

Die Anti-Islam-Bewegung Pegida will sich mit der früheren AfD-Funktionärin Tatjana Festerling an der Oberbürgermeisterwahl in Dresden beteiligen. Das kündigte deren Anführer Lutz Bachmann am Montag auf einer Kundgebung in der sächsischen Landeshauptstadt an. Er sprach von einer "historischen Chance". Pegida wolle ein "Zeichen setzen für kommende Wahlen in ganz Deutschland und ganz Europa". Festerling werde dem "rot-rot-grün versifften Stadtrat ordentlich auf die Finger schauen".

Festerling bestätigte ihre Bereitschaft. Sie sehe sich als "unabhängige Kandidatin aus dem Volk für das Volk", sagte sie unter "Wir sind das Volk"-Rufen der mehreren tausend Kundgebungsteilnehmer. Festerling will nach eigenen Angaben demnächst dauerhaft nach Dresden ziehen. Sie war in der AfD Hamburg aktiv, galt aber sogar ihren eigenen Parteifreunden als zu rechts, nachdem sie die Kölner "Hooligans gegen Salafisten"-Demonstration im Oktober 2014 gelobt hatte. Bei dieser Veranstaltung hatten sich Rechtsextremisten Straßenschlachten mit der Polizei geliefert.

Ende März hatte Festerling bei einer Kundgebung in Dresden Schwulen und Lesben vorgeworfen, die Mehrheit zu terrorisieren.

In Dresden wird im Juni ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Amtsinhaberin Helma Orosz (CDU) wird nach sechs Jahren aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr antreten. Für die CDU kandidiert der Innenminister des Freistaates Sachsen, Markus Ulbig. Ein Bündnis aus SPD, Linken und Grünen schickt die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) ins Rennen. Zum Kreis der Kandidaten gehört zudem neben weiteren anderen der Erste Bürgermeister der Landeshauptstadt, Dirk Hilbert (FDP), der derzeit kommissarisch die OB-Amtsgeschäfte führt.

Die Landeshauptstadt hat rund 400000 Wahlberechtigte. Die Pegida-Bewerbung um das Oberbürgermeister-Amt gilt einerseits als Symbolkandidatur, um im Gespräch zu bleiben. Andererseits ist sie auch ein möglicher Gradmesser für die aktuelle Akzeptanz in Dresden. Bis 11. Mai müssen alle Kandidaturen beim Wahlamt eingereicht werden, zusammen mit den Unterstützer-Unterschriften, die zu leisten sind. Am kommenden Montag plant Pegida eine Großkundgebung in Dresden, bei der der niederländische Rechtspopulist und Islam-Hasser Geert Wilders auftreten soll.

Der Oppositionsführer im sächsischen Landtag, Linken-Landeschef Rico Gebhardt, sagte dem Tagesspiegel, die Kandidatur stelle die "erlahmende Bewegung" Pegida vor die Herausforderung, "neben Parolen tatsächlich auch kommunalpolitische Ideen zu präsentieren". An dieser Herausforderung werde sie scheitern und sich letztlich selbst entzaubern. "Rechtspopulismus allein ersetzt keine politische Kompetenz."

Die Dresdner Grünen-Landtagsabgeordnete Eva Jähnigen hatte die Ankündigung einer Beteiligung an der Wahl kürzlich mit den Worten kommentiert: "Mit der Kandidatur bei der OB-Wahl in Dresden hat sich Pegida einem Wettbewerb unterworfen." Anfang Juni stehe fest, welche Zuspruch Pegida in Dresden wirklich habe.

Politikwissenschaftler: Pegida könnte eine herbe Pleite drohen

Der Politikwissenschaftler Lars Geiges vom Göttinger Institut für Demokratieforschung sagte dem Tagesspiegel, aus der Oberbürgermeister-Kandidatur könne eine neuerliche Diskussion erwachsen, wie politisch und politiknah Pegida tatsächlich sei. Geiges, einer der Autoren des Buches "Pegida - die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft?", betonte, wenn sich Pegida nun in die politische Arena begebe, "könnte eine herbe - öffentliche! - Pleite drohen, wenn ihr Kandidat schlecht abschneidet."

Der Politikwissenschaftler sagt zugleich Diskussionen in der Anti-Islam-Bewegung voraus. Es sie davon auszugehen, dass der grundsätzliche Vorgang der Bewerbung um das Oberbürgermeisteramt von Pegida-Anhängern prinzipiell infrage gestellt werde. "Schließlich wurde während der ,Spaziergänge' stets gegen die verkommene ,Politiker-Kaste' und die ,Volksverräter' gewettert, das System insgesamt für krank erklärt. Dass man sich nun selbst an diesem ,abgekarteten Spiel' beteiligen will, wird sicher nicht jedem einleuchten."

Rechtsextremistische Einflüsse bei Ablegern von Pegida

Nach einem Führungsstreit im Februar und der Abspaltung einer Gruppe um die frühere Pegida-Funktionärin Kathrin Oertel war der Rest der Dresdner Bewegung nach rechts gerückt. Populisten von außerhalb wie Festerling oder der frühere Berliner CDU-Abgeordnete und Gründer der rechten Partei Die Freiheit, René Stadtkewitz, gehörten zu den ersten Rednern nach der Trennung. Zahlreiche Ableger von Pegida wie Legida in Leipzig oder auch Pegida-Gruppen in Nordrhein-Westfalen sind im Visier des Verfassungsschutzes. Am Montag sprachen Vertreter von ihnen bei Pegida in Dresden Grußworte.

Zu der Kundgebung am Montag hatte auch die bekannte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck aufgerufen. Sie ist die Witwe von Werner Georg Haverbeck, der in der NS-Zeit zeitweilig in der Reichsleitung der NSDAP beschäftigt war. Nach Angaben der Plattform "Netz gegen Nazis" gehört sie zu den wenigen extrem rechten Frauen, vor denen Verfassungsschutzbehörden in ihren Jahresberichten warnen. Der Aufruf von Haverbeck, nach Dresden zu fahren, wurde auf Facebook von Anti-Asyl-Seiten geteilt, unter anderen von der "Initiative Heimatschutz" aus Meißen bei Dresden. Festerling versicherte am Montag in Dresden: "Wir sind alle keine Nazis, keine Rechtsradikale. Wir sind Patrioten."

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