Weltjugendtage 2016: Papst spaltet polnische Kirche
Viele Geistliche in Polen teilen Franziskus’ Weltoffenheit nicht. Liberale Kreise hoffen aber auf deutliche Worte des Papstes zum Thema Flüchtlinge.
Sie tanzen, singen und beten. Fröhliche junge Gläubige mit asiatischen Gesichtszügen tragen die Flagge von Chile durch die Straßen, vor ihnen geht eine Gruppe Indigener aus Mexiko, dahinter missionarisch engagierte junge Polen. Auf dem Weltjugendtag, der am Wochenende im südpolnischen Krakau im gemeinsamen Gebet mit Papst Franziskus gipfelt, werden insgesamt 1,5 Millionen Pilger, darunter rund 15 000 Deutsche, erwartet.
Ein Heer von Priestern, Laienhelfern und freundlichen Beamten wurden mobilisiert, Polen von der gastfreundlichen Seite zu zeigen. Fast alle machen mit, auch die regierungskritischen Medien. Trotz Attentatsserien im Ausland ist in Polen vor allem der Weltjugendtag in aller Munde. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land tief gespalten ist.
Nicht nur das stark katholisch geprägte Volk ist entlang der politischen Linien rechtsliberal und nationalkonservativ zerstritten, auch das Episkopat sieht sich in dem Dauerstreit zusehends bedrängt. Die Mehrheit der katholischen Geistlichen unterstützt zwar die konservative Wende der von Parteichef Jaroslaw Kaczynski als Schattenmann gelenkten Regierung. Von der Kanzel und in den einflussreichen katholischen Medien haben sie acht Jahre lang gegen den liberalen Kurs der Vorgängerregierung gewettert.
Gegen den Abbau bürgerlicher Freiheiten unter der neuen Regierung stehen auf der anderen Seite nur vereinzelt Kirchenleute ein. Immer mehr Geistliche rufen indes zur nationalen Einheit und kritisieren damit Kaczynskis polarisierende Machtpolitik ebenso wie die immer radikalere Opposition.
Kirchen hoffen auf wieder mehr Einfluss
Doch bei den meisten Kirchenleuten stoßen Gesetzesinitiativen wie das angestrebte Totalverbot von Abtreibungen auf Zustimmung. Kaczynskis Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) zeigt sich für die kirchliche Unterstützung erkenntlich. Viele Kirchenleute hoffen auch, dass ihr Einflussverlust, den sie seit der Wende von 1989 verzeichnen, dank der neuen politischen Verhältnisse endlich aufgehalten werden kann.
Jahrzehntelang war die katholische Kirche ein Hort des Widerstandes gegen deutsche und russische Besatzung. Als historisch erwiesen gilt auch der Beitrag des immer noch hochverehrten polnischen Papstes Johannes Paul II. für das Ende der sozialistischen Diktaturen in Osteuropa. Die Wende jedoch brachte der Kirche neben Demokratie auch die Konsumgesellschaft, die Hinwendung zu weltlichen Werten und liberalen Moralvorstellungen.
Viel Polemik gegen Flüchtlinge
Der Regierung und der erzkonservativen Fraktion unter den Bischöfen ist klar, dass Franziskus in vielen Fragen, vor allem beim Thema Flüchtlinge, weit von ihren Positionen entfernt liegt. Pater Rydzyks einflussreiches erzkatholisches „Radio Maryja“ polemisierte im Vorfeld des Weltjugendtages gegen den Aufruf Franziskus’, jede Kirchgemeinde möge eine Flüchtlingsfamilie bei sich aufnehmen.
Auch Innenminister Mariusz Blaszczak hatte kürzlich die dschihadistischen Terroranschläge in Europa als logische Folge des Multikulturalismus interpretiert. Polens Regierung gibt dagegen hunderttausende christliche ukrainische Gastarbeiter als Flüchtlinge aus, verweigert aber standhaft die Aufnahme von Muslimen.
Liberale Kirchenkreise in Polen hoffen darauf, dass Franziskus, wenn er am Donnerstag zum Auftakt das Nationalheiligtum Jasna Gora in Tschentschochau besucht, eine seine Toleranzreden halten oder zumindest kritische Bemerkungen zum Thema Flüchtlinge und Barmherzigkeit machen wird. Und regierungskritische Stimmen mahnen sogar während des Papstbesuchs „ein Wunder“ an, eine Kehrtwende zu mehr Toleranz und der multinationalen Tradition Vorkriegspolens.