Abstimmung über Hilfspaket: Papandreous Referendum und die Folgen
Der griechische Premier Papandreou will sein Volk über die EU-Hilfe abstimmen lassen. Das könnte fatale Folgen haben - für ihn, Griechenland und den Euro. Und was halten Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser, von der Volksabstimmung?
Eine Atempause glaubte Europa gewonnen zu haben, als die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Krisengipfel am vergangenen Mittwoch das neue Griechenland-Rettungspaket schnürten. Auch der Athener Premier Giorgos Papandreou sagte, das Land habe dank des Schuldenschnitts nun genug Zeit, die notwendigen Reformen umzusetzen. Aber jetzt zeigt sich: die Retter und die vermeintlich Geretteten können gerade mal kurz nach Luft schnappen, da beginnt schon wieder das große Zittern. Mit der völlig überraschenden Ankündigung, die Gipfelbeschlüsse in Griechenland zur Volksabstimmung zu stellen, ließ Papandreou am Montagabend in der Sitzung seiner sozialistischen Regierungsfraktion eine Bombe platzen, deren politische Sprengkraft noch nicht abzuschätzen ist. „Wir stehen plötzlich wieder am Nullpunkt“, konstatierte entsetzt ein Athener Analyst.
Was bezweckt Papandreou mit seinem Vorgehen?
Papandreou begründet das geplante Referendum als einen „Akt der Demokratie“. Es sei für das Volk „ein höchst demokratischer und patriotischer Schritt, seine eigene Entscheidung zu fällen“, sagte Papandreou. Und Finanzminister Evangelos Venizelos erklärte: „Griechenland durchlebt ein Drama, von dem es erlöst werden muss, indem das Volk seinen Willen kundtut.“ Von dem Referendum verspreche er sich „ein nationales Gefühl der Erleichterung und Erholung“, sagte Venizelos, um sich wenig später mit starken Bauchschmerzen in eine Athener Klinik bringen zu lassen – Blinddarmentzündung.
Die plötzliche Erkrankung des Finanzministers, der zugleich als Vizepremier amtiert und eine Schlüsselstellung in der Regierung einnimmt, sorgte für zusätzliche Verunsicherung, wohin das krisengeschüttelte Land steuert. Bislang ist weder klar, wann das Referendum stattfinden soll – Venizelos nannte Anfang 2012 als möglichen Termin –, noch hat Papandreou verraten, auf welche Frage seine Landsleute an den Urnen mit Ja oder Nein antworten sollen. Doch wie immer sie formuliert ist: Papandreou muss fürchten, dass die Abstimmung zwangsläufig zu einem Misstrauensvotum gegen seine Regierung wird. Und manche spekulieren, dass hier ein amtsmüder Regierungschef einen Vorwand sucht, sich zu verabschieden.
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Was passiert, wenn Papandreou am Freitag die Vertrauensabstimmung im Parlament verliert?
Dann müsste es innerhalb von vier Wochen Neuwahlen geben. Dass Papandreou aus vorgezogenen Neuwahlen siegreich hervorgeht, ist angesichts seiner Umfragewerte wenig wahrscheinlich: Die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia liegt in den Umfragen derzeit vorn. Würde die Partei unter der Führung von Antonis Samaras die nächste Regierung bilden, dann könnten sich die geplanten Schritte zur Haushaltskonsolidierung und Sanierung in Griechenland noch weiter verzögern. Allerdings ist es auch möglich, dass Samaras von der Forderung, das Hilfspaket erneut aufzuschnüren, wieder abrückt, sollte er tatsächlich Regierungsverantwortung übernehmen.
Wenn es zu einem Referendum kommt – was würde ein Nein der Griechen zum EU-Rettungspaket bedeuten?
In jedem Fall würde es dann zur Auflösung des Parlaments und vorgezogenen Neuwahlen kommen. Entscheidender wäre aber die politische Bedeutung eines „Nein“ der Griechen zum neuen Hilfspaket. „Alles wird davon abhängen, wie die Frage formuliert wird, die beim Referendum beantwortet werden soll“, sagt George Tzogopoulos vom Athener Forschungsinstitut Eliamep. Sollte Papandreou seinen Referendumsplan nicht mehr zurückziehen – auch dies hält Tzogopoulos nicht für ausgeschlossen –, dürfte ein „Nein“ der Griechen auch gravierende Folgen für die währungspolitische Zukunft des Landes haben. Es wäre den Partnern in der Euro-Zone dann politisch kaum mehr zu vermitteln, dass die Griechen zwar die verlangten Sparmaßnahmen ablehnen, aber weiter Mitglied der Euro-Zone bleiben wollen. Genau das ist es aber, was laut Umfragen jeweils eine Mehrheit der Hellenen will.
Aber auch wenn ein Austritt aus der Euro-Zone politisch die logische Folge eines „Nein“ beim Referendum wäre, ist dieser Schritt nicht ohne Weiteres absehbar. Athen müsste den Club der 17 Euro-Länder aus freien Stücken verlassen – zwingen können die übrigen Partner die Griechen nicht. Ein Austritt dürfte allerdings die finanziellen Probleme der Griechen verschlimmern. Denn selbst wenn sich das Land nach einer Wiedereinführung der Drachme Wettbewerbsvorteile verschaffen könnte, müsste es seine Schulden dennoch weiterhin in der teuren Euro-Währung bezahlen – eine Rechnung, die für Athen nicht aufgehen dürfte.
Nicolaus Heinen von Deutsche Bank Research geht derweil nicht davon aus, dass eine Ablehnung des Hilfspakets per Referendum automatisch einen ungeordneten Staatsbankrott der Hellenen nach sich ziehen würde. Im Fall eines „Nein“ sei vielmehr davon auszugehen, dass die Gemeinschaft der Euro-Staaten an der Beteiligung privater Gläubiger am Hilfsprogramm festhalten und das Reformprogramm strecken würde. Zudem könnten die Euro-Staaten versuchen, dem Land mit einem Marshallplan unter die Arme zu greifen. „Das setzt natürlich fatale Anreize für andere Staaten und wäre eine weitere Niederlage auf dem Weg Europas zu gesunden und wettbewerbsfähigen Volkswirtschaften“, sagt Heinen.
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Wie kann Griechenland die Zeit bis zu einem Referendum überstehen?
Um die Liquidität der Griechen zu sichern, hatten die Euro-Finanzminister Ende Oktober beschlossen, die nächste Tranche in Höhe von acht Milliarden Euro aus dem Hilfsprogramm der Europäer und des Internationalen Währungsfonds freizugeben. Doch nun könnte auch diese Hilfszahlung wieder in der Luft hängen: Während ein Sprecher der EU-Kommission in Athen davon ausging, dass die Europäer wie geplant ihren Beitrag bei der Auszahlung der Milliardentranche leisten werden, hält es Tzogopoulos vom Forschungsinstitut Eliamep nicht für ausgeschlossen, dass die Referendumsankündigung auch hier zu Komplikationen führt. Die teils harten Reaktionen in Kreisen der deutschen Regierungskoalition scheinen diese Annahme zu bestätigen.
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