Nach der Bundestagwahl: Özdemir dringt auf baldige Verhandlungen für Jamaika-Koalition
Grünen-Chef Cem Özdemir erinnert an die "staatspolitische Verantwortung" der möglichen Jamaika-Partner. Die von der Union gefundene Einigung zur Obergrenze lehnte seine Partei ab.
Statt fortlaufender Gespräche zwischen den Unionsparteien soll es nach Willen der Grünen so bald wie möglich Koalitionsverhandlungen zwischen den drei Jamaika-Partnern geben. „Vor zwei Wochen war die Bundestagswahl, wir haben immer noch kein einziges Gespräch zwischen CDU/CSU, FDP und Grünen“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Ich will die auch mal an die staatspolitische Verantwortung erinnern.“
Am Sonntag hatten sich CDU und CSU zunächst allein miteinander getroffen, um ihren jahrelangen Streit über eine Obergrenze für Zuwanderung beizulegen. Mit Blick auf die dabei erzielte Einigung betonte Özdemir, dass dies nur die Position der Union sei. Bei Koalitionsverhandlungen werde man beim Thema Zuwanderung einen Kompromiss suchen. „Kompromiss heißt immer, alle müssen sich bewegen. Es heißt aber nicht, dass die roten Linien der CDU/CSU auch die roten Linien der gemeinsamen Koalition sein werden.“ Die Unionsparteien hatten sich am Sonntag auf das Ziel verständigt, maximal 200.000 Flüchtlinge pro Jahr aufzunehmen. Der Kompromiss sieht aber Ausnahmen für Sondersituationen vor. Außerdem bekennen sich CDU und CSU zum Recht auf Asyl im Grundgesetz und zur Genfer Flüchtlingskonvention. Grünen-Chefin Simone Peter hatte die Einigung der Unionsparteien zuvor kritisiert und betont, sie enthalte „weitere Punkte, die wir bisher klar abgelehnt haben“.
Grüne gegen das "Verrechnen" der Flüchtlingsgruppen
"Das ist eine Einigung zwischen CDU und CSU und noch lange nicht das Ergebnis der Jamaika-Sondierung", sagte Grünen-Chefin Simone Peter der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Zahl 200.000 als Höchstgrenze humanitärer Hilfe kommt einer Obergrenze gleich, weil sie die einzelnen Flüchtlingsgruppen wahllos summiert und bei Erreichen der Grenze offenbar sachgrundlos gegeneinander ausspielt", erklärte sie mit Blick auf die am Sonntag nach stundenlangen Verhandlungen gefundene Einigung.
"Wenn bei Erreichen der Grenze Flüchtlinge aus Resettlementprogrammen gegen nachziehende Familienmitglieder 'verrechnet' werden, dann hat das nichts mit menschenrechtsbasierter Asylpolitik zu tun", sagte Peter weiter. Sie bekräftigte, ihre Partei lehne die Ausweitung der sogenannten sicheren Herkunftsländer ebenso ab wie Abkommen nach dem Vorbild des Vertrages zwischen der EU und der Türkei zum Stopp der Flüchtlingsbewegungen. Auch Ausreisezentren ohne Rechtsberatung wie in Bamberg würden von den Grünen nicht getragen. "An Entrechtungsprogrammen werden wir Grüne uns nicht beteiligen", erklärte Peter, die zu den Grünen Unterhändlern zur Sondierung einer Jamaika-Koalition mit Union und FDP gehört.
"Wo ist da der Unterschied zur Obergrenze", fragte Peter zudem per Twitter. Die Zahl 200.000 sei "völlig beliebig, also rein ideologisch festgelegt."
"Formelkompromiss" ohne wirkliche Lösung
Kritik kam auch von Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. "Die Einigung atmet den Geist eines Formelkompromisses, über den beide wissen, dass er nicht länger halten muss, als bis zum ersten Gespräch mit FDP und Grünen", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Die "eintägige Krisensitzung" am Sonntag habe gezeigt, dass die Einheit der Schwesterparteien vor der Bundestagswahl nur eine Inszenierung gewesen sei. Immerhin hätten sie damit einen ersten Schritt getan, um verhandlungsfähig zu werden.
Ein Formelkompromisse überbrücke sprachlich unterschiedliche Standpunkte, ohne den Konflikt tatsächlich zu lösen, sagte Göring-Eckardt.
Die Grünen haben vor der Wahl eine Obergrenze für den Fall einer Regierungsbeteiligung ausgeschlossen. FDP und Grüne warten auf den Beginn von Sondierungsgesprächen mit der Union. "Es wäre gut gewesen, wenn CDU und CSU ihren Selbstfindungsprozess schon vor der Bundestagswahl gestartet hätten, dann hätten die Wähler über diesen Formelkompromiss auch mit abstimmen können", sagte Göring-Eckardt. (Reuters, dpa)