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Flüchtlinge aus Nordafrika in Salerno, gerettet von einem Rettungsschiff der NGO „Ärzte ohne Grenzen“.
© dpa/Michele Amoruso

Flüchtlingspolitik der EU: Operation „Sophia“ vor dem Aus

Italien blockiert eine Verlängerung des Libyen-Einsatzes der EU. Dabei wird deutlich, dass die EU von einer Lösung des Flüchtlingsproblems weiter entfernt ist als je zuvor.

In Brüssel wird wieder über die Flüchtlingsrettung gestritten. Ein Abgeordneter des EU-Parlaments nannte das Problem kürzlich im Gespräch mit Journalisten die „offene Wunde des Kontinents“. Die Besorgnis ist groß, dass der Zustrom von Flüchtlingen nach Europa wieder anschwillt und zum ganz großen Thema wird wie vor zwei Jahren. Der Politiker warnte: „Wir müssen das Flüchtlingsproblem lösen, sonst wird es uns die Stimmung in der EU wieder verhageln.“

Diese Sätze fielen vor wenigen Tagen. Immer deutlicher wird, dass die EU von einer Lösung des Problems weiter entfernt ist als je zuvor. Dem italienischen Außenminister Angelino Alfano riss Anfang der Woche der Geduldsfaden. Beim Ministertreffen in Brüssel blockierte er eine Verlängerung der EU-Marine-Mission „Sophia“ vor Libyen. Italien will erreichen, dass andere Mittelmeer-Länder sich solidarisch zeigen und ihre Häfen für Boote mit Flüchtlingen öffnen. Weil Alfano mit diesem Ansinnen auf taube Ohren stieß, verhinderte Italien die Verlängerung der Mission bis ins Jahr 2018.

Die Operation Sophia droht nun am 27. Juli auszulaufen. In der EU wollte man die italienische Blockade aber nicht zu hoch hängen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hält die Verlängerung immer noch für möglich: „Ich sehe nicht irgendwelche Probleme mit irgendeinem Land“, sagte sie. Auch EU-Diplomaten halten es für möglich, dass Italien noch einschwenkt.

Die Operation Sophia läuft seit 2015 und hat den Auftrag, Menschenhändler festzunehmen und Schmugglerboote zu zerstören. Schleusern soll notfalls mit militärischen Mitteln das Handwerk gelegt werden. Laut EU-Kommission wurden 109 Schleuser festgesetzt, 444 ihrer Boote zerstört. Um erfolgreicher zu sein, müssten die EU-Schiffe in libyschen Küstengewässern eingreifen können. Dafür fehlt aber das UN-Mandat, und dass es ein solches geben wird, ist nicht wahrscheinlich.

In diesem Jahr sind schon 93 284 Flüchtlinge übers Mittelmeer nach Italien gekommen

Im laufenden Jahr sind bereits 93 284 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien gekommen, das sind 17 Prozent mehr als im selben Zeitraum 2016. Italien hat daher in den vergangenen Wochen immer wieder Versuche unternommen, die Partner der EU auf die Situation aufmerksam zu machen. Ohne Erfolg. Denn als solchen kann man den jüngsten EU-Beschluss wohl kaum bezeichnen: Die Außenminister beschlossen am Montag Ausfuhrbeschränkungen für Schlauchboote und Außenbordmotoren, die zum Transport von Flüchtlingen benutzt werden könnten.

Wenigstens einen Teilerfolg konnte Italien mit dem Verhaltenskodex für die Nichtregierungsorganisationen erringen, den nun auch die EU gebilligt hat. Im Frühjahr waren Verdächtigungen laut geworden, die NGOs retteten Migranten auch von Booten in libyschen Gewässern. Einige sollen sogar Kontakt zu Schleusern haben und mit Lichtsignalen den Booten den Weg zu den Rettungsschiffen weisen. Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz forderte, „die Mittelmeerroute zu schließen“. Er kritisierte, dass die Rettung mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden würde. Denn je mehr Flüchtlinge in Italien ankämen, desto mehr machten sich überhaupt erst auf den Weg.

Mit solchen Anschuldigungen und dem Verhaltenskodex wollten die Politiker vom Versagen der EU ablenken, sagt Jana Ciernioch, die Sprecherin der Organisation SOS Mediterranee, die im Mittelmeer Menschen aus Seenot rettet. „Kein europäischer Staat war willens, das Retten von Menschen im Mittelmeer voranzutreiben“, so Ciernioch. Die NGOs nun anzuklagen, sie würden das skrupellose Geschäft der Schlepper begünstigen, sei mehr als zynisch. „Und durch Wiederholung werden die haltlosen Vorwürfe nicht wahrer.“

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