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Olaf Scholz (SPD) vor dem Weißen Haus in Washington
© dpa/Bernd von Jutrczenka

Globale Mindeststeuer: Olaf Scholz hat zu früh gejubelt

Die globale Mindeststeuer kommt nicht so schnell. Die EU selbst zählt zu den Hindernissen. Ihr droht ein Imageschaden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Zweckoptimismus ist oft ein Segen. Wenn alle nur Bedenken tragen und Hindernisse aufzählen, geht nichts voran. Doch wer Lösungen verspricht, die so nicht kommen werden, schadet der Glaubwürdigkeit der beteiligten Institutionen.

Diesen Fehler begeht Olaf Scholz mit seiner Lobhudelei auf den angeblichen historischen Durchbruch bei der globalen Mindeststeuer. Ihm geht es um Selbstlob. Im Wahlkampf will er sich als Macher und Problemlöser inszenieren.

Beim G-20-Gipfel im Oktober dürfte sich zeigen, dass der Weg zur globalen Mindeststeuer noch lang ist; namhafte Zusatzeinnahmen für deutsche Kassen 2023 sind nicht zu erwarten. Aber das ist ja nach der Wahl.

Gemeinsame Steuern kann die EU nur einstimmig beschließen

Der größere Imageschaden droht der EU. Scholz und andere bürden ihr Erwartungen auf, die sie nicht erfüllen kann. Und hinterher wundern sich die Urheber über Europaverdruss.

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Gemeinsame Steuern können die EU-Staaten nur einstimmig beschließen. Vier jedoch – Irland, Estland, Ungarn und Zypern – lehnen eine globale Unternehmenssteuer von 15 Prozent ab; sie haben niedrige Steuersätze zu ihrem Businessmodell gemacht.

Die Zweckoptimisten wollen sie mit politischem Druck zwingen. Das hat bei anderem Dissens bisher nicht wirklich funktioniert, siehe den Streit mit Ungarn und mit Polen um Rechtstaatlichkeit und Homosexuellengesetze.
Zweiter Ausweg: Die Willigen sollen sich mit der Option der verstärkten Zusammenarbeit behelfen; bisher wird sie selten genutzt. Sie bindet nur Staaten, die mitmachen. Die CDU-Abgeordnete Antje Tillmann und andere Steuerexperten wenden ein: Was wäre gewonnen, wenn sich gerade die EU-Staaten, die die 15 Prozent schon jetzt unterbieten, nicht anschließen?

Verstärkte Zusammenarbeit führt hier nicht zum Ziel

Eine weitere Variable, an der die Erfolgschancen der globalen Mindeststeuer hängen, aber auf umgekehrte Weise auch die Glaubwürdigkeit der EU, kam beim Besuch der US-Finanzministerin Janet Yellen am Montag in Brüssel zur Sprache. Die EU-Kommission hat die Einführung einer Digitalsteuer im August angekündigt. Die USA meinen, sie richte sich einseitig gegen US-Konzerne wie Amazon, Apple, Google, Microsoft, und machen den Verzicht darauf zur Bedingung für die globale Mindeststeuer; die gelte dann ja auch für die Digitalriesen samt der Verteilung der Steuereinnahmen auf Heimatsitz und Vermarktungsländer.

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Bleibt die EU bei der Digitalsteuer, sinken die Chancen, dass Präsident Biden die globale Mindeststeuer im Kongress gegen die Republikaner durchsetzen kann. Verzichtet die EU erstmal darauf, kommt der Vorwurf, dass auf große Worte keine Taten folgen.

15 Prozent - aber worauf?

Unklar ist zudem immer noch, auf welchen Wert in der Unternehmensbilanz sich die 15 Prozent beziehen. Für den deutschen Fiskus wird dabei wohl nicht viel herauskommen: 0,7 bis 0,9 Milliarden Euro laut Schätzungen. Das entspricht einem Promille des deutschen Steueraufkommens vor Corona.

Das Ziel der globalen Mindeststeuer ist generell richtig und aller Mühe wert. Wer aber zu früh über historische Erfolge jubelt, erweckt den Eindruck: große Klappe, wenig dahinter.

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