Mobilität macht Arbeit: Ohne Industrie wird es nichts mit der Verkehrswende
Der Kampf zwischen „Fridays for Future“ gegen „Freie Fahrt für freie Bürger“ hilft nicht. Für die Verkehrswende braucht es Politik und Industrie. Ein Kommentar.
Es gibt Menschen, die glauben, dass ihr Porsche eine Seele hat. Sauer werden sie, wenn andere glauben, ihnen den Sportwagen verbieten zu müssen. Wenn Auto-Fetisch und Auto-Verteufelung aufeinandertreffen, endet jeder Diskurs im Stau.
Im Autoland Deutschland geht es beim Thema Mobilität häufig in diese Richtung. Egal, ob sich die Debatte um Fahrverbote, Arbeitsplätze, Klimaschutz oder Technologie dreht: Umweltaktivisten attackieren Industrievertreter, die Autolobby verdammt die Ökoanhänger, Elektromobilisten stoßen auf die Kraftstofffraktion. „Fridays for Future“ gegen „Freie Fahrt für freie Bürger“.
Und obwohl alle Beteiligten Bewegung für unbedingt notwendig halten – vorzugsweise auf der Gegenseite –, tut sich wenig. Nur die Erde dreht sich munter weiter Richtung Klimakatastrophe. Doch für die meisten Menschen geht es schlicht um die Frage, wie sie zur Arbeit, zur Kita, zum Supermarkt oder in den Urlaub kommen – und wie teuer das künftig wird. Den Glaubenskrieg um CO2, NOx oder synthetische Kraftstoffe können die wenigsten nachvollziehen.
Aus der Perspektive der in der Stadt aufgewachsenen Wohlstandskinder ist Fortbewegung ohne Auto kein Problem. Per Smartphone-App ordern sie ein Shuttle, mieten einen Tretroller, teilen ein Carsharingauto. Oder sie fahren Bus und Bahn. Auf dem Land ist das anders. Öffentlichen Nahverkehr gibt es hier nicht überall, ohne Auto geht oft nichts. Auch Elektroautos werden daran wenig ändern.
Wer jeden Tag lange zum Arbeiten in die Stadt pendelt, muss fürchten, mit leerer Batterie auf der Strecke zu bleiben. Heute mehr, morgen mit besseren Akkus weniger. Doch die „Reichweitenangst“ wird für Menschen, die in der Provinz leben, ein Thema bleiben. Und Handwerker, Paketzusteller oder Pflegedienste auf dem Land werden so bald nicht mit dem Fahrrad zu ihren Kunden gelangen. Weder mit noch ohne Helm.
Es muss schon mehr passieren
Das alles bedeutet nicht, dass die Transformation unserer Verkehrssysteme und Fortbewegungsformen an den Stadtgrenzen endet. Nur kommt man hier nicht sehr weit mit dem Hinweis, dass wir erst unsere private Lebensweise ändern müssen, bevor wir den Planeten retten. Es muss schon mehr passieren, damit das große Ganze in Bewegung kommt – politisch, unternehmerisch, gesellschaftlich.
Schien es lange so, als stünden die Unternehmen am härtesten auf der Bremse, deutet sich zumindest bei einigen großen Konzernen nun eine neue Entschlossenheit zu einem echten Kurswechsel an. Es wäre falsch, dahinter nur den kürzesten Weg zu höheren Renditen zu vermuten. Geld wird mit Elektroautos noch lange nicht verdient. Aber es wäre gut, wenn es früher als später so kommt. Ohne den Innovationsmotor der Industrie wird es nichts mit der Verkehrswende.
Bleibt die Politik und ihr notwendiger Impuls für den Wandel. Der Markt für Alternativen zum Verbrennungsmotor oder zum Individualverkehr entsteht gerade mit Macht. Dieses Tempo muss die Politik, müssen die Regierenden jetzt mitgehen, wenn sie etwas gestalten wollen. Die Liste der Vorhaben ist lang: sektorübergreifende CO2-Bepreisung, Investitionen in den Schienenverkehr, Reformen des Personenbeförderungs- und des Wohneigentumsgesetzes, Verlängerung der Kaufprämien und Steuererleichterungen. Die Zukunft der Mobilität kann beginnen. An die Arbeit!
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