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Vor Gericht konnte das Bundesamt für Strahlenschutz nicht darlegen, dass es bei der Genehmigung des Zwischenlagers beim Atomkraftwerk Brunsbüttel alle Sicherheitsrisiken ausreichend geprüft hatte.
© Carsten Rehder/dpa

Atomenergie: Ohne Betriebserlaubnis

Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hebt die Genehmigung für das Atommüll-Zwischenlager in Brunsbüttel auf. Nur mit einer atomrechtlichen Duldung darf es noch bis 2018 weiterbetrieben werden.

Nur mit einer eilig erteilten Sondergenehmigung darf das Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll am stillgelegten schleswig-holsteinischen Kernkraftwerk Brunsbüttel noch bis 2018 betrieben werden. Denn das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat nun entschieden, dass die Betriebsgenehmigung für das Zwischenlager hinfällig ist. Damit wurde en Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig aus dem Jahr 2013 rechtskräftig. Das oberste Gericht lehnte es ab, eine Revision des Verfahrens zu genehmigen.

„Es ist eine schwierige Situation, dass der Genehmigungsbescheid des Bundesamtes für Strahlenschutz rechtswidrig ist. Eine genehmigte Lagerstätte, an welcher der Kernbrennstoff sicherer gelagert werden kann als im Zwischenlager Brunsbüttel, gibt es aber nicht. Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht hat die dortige Lagerung deshalb angeordnet und duldet sie. Dies ist notwendig, damit es keinen rechtslosen Raum gibt“, sagte der Kieler Umweltminister Rober Habeck (Grüne).

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte, sie „gehe davon aus, dass Vattenfall als Betreiber des Zwischenlagers unverzüglich die Genehmigung beantragt, damit das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) eine neue Genehmigung prüfen kann.“ Der „NDR“ zitiert den Energiekonzern mit den Worten: „Wir haben die Genehmigung für das Standort-Zwischenlager 2003 erhalten und es im Vertrauen auf die Rechtsgültigkeit dieser Genehmigung errichtet und betrieben.“ Vattenfall-Sprecherin Sandra Kühberger sagte: „Alle notwendigen Schritte, die wir tun können, werden wir in Angriff nehmen.“

2004 hat das Ehepaar Drenkmann gegen das Zwischenlager geklagt

Dem Urteil ging ein elfjährige Rechtsstreit voraus. 2004 hat das Ehepaar Drenkmann, das sechs Kilometer vom Zwischenlager entfernt einen Bauernhof betreibt, gegen das Zwischenlager geklagt, weil sie befürchteten, dass es nicht ausreichend gegen Flugzeugabstürze und Terrorangriffe geschützt sein könnte. 2006 sind drei ähnlich gelagerte Klagen in Bayern gescheitert, eine weitere Klage gegen das Zwischenlager des ebenfalls inzwischen stillgelegten Atomkraftwerks Unterweser, ist noch nicht endgültig entschieden. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg 2012 dazu verurteilt, das Verfahren neu aufzurollen, weil das Gericht den dort klagenden Landwirten das Recht abgesprochen hatte, als Individuen eine Überprüfung des Terrorschutzes zu beantragen. Das Gericht hat bisher keinen Termin für eine Verhandlung festgelegt.

Was geheim bleiben soll

Hendricks betonte am Freitag: „Weder das ursprüngliche Urteil des OVG Schleswig vom 19. Juni 2013 noch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgten wegen einer unzureichenden Sicherheit des Zwischenlagers. Die Gerichte haben sich zur Frage der tatsächlichen Sicherheit etwa gegen Terrorangriffe nicht geäußert.“ Bemängelt worden seien der Umfang der Ermittlungen und Bewertungen im Genehmigungsverfahren. Das BfS habe im Verfahren dargelegt, dass es bei der Genehmigung alle Aspekte umfassend geprüft habe. Allerdings sei es dem Amt verwehrt gewesen, dem Gericht alle vorhandenen Unterlagen vorzulegen. „Dabei handelte es sich teilweise um Papiere, die zum Schutz gegen Terrorangriffe geheim gehalten werden müssen“, sagte Hendricks. Sie wolle nun prüfen lassen, „wie geheimhaltungsbedürftige Unterlagen bei gleichzeitiger Wahrung des Geheimschutzes zukünftig angemessen in verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeführt werden können“.

Seit dem 11. September 2011 wird das Risiko höher eingeschätzt

Das BfS schrieb schon 2013 nach dem Urteil des Schleswiger Gerichts, dass es aufgrund von Geheimhaltungsverpflichtungen „dem Gericht nicht in der gewünschten Detailtiefe darlegen“ konnte, „dass die Genehmigung für das Zwischenlager Brunsbüttel den nach dem Atomgesetz erforderlichen Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet. Die Vorlage der geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen an das OVG Schleswig erfolgte nach Maßgabe des Bundesumweltministeriums.“ Das BfS sei „bei der Prüfung des gezielten Flugzeugabsturzes nach dem 11. September 2001 gegen den Widerstand der Stromversorger sogar darüber hinaus gegangen. Bei allen Zwischenlagern wurde der gezielte Flugzeugabsturz bereits in den Genehmigungsverfahren berücksichtigt und mit überprüft“.

Eine Erbschaft von Peter Altmaier

Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag machte dem früheren Umweltminister Peter Altmaier (CDU) schwere Vorwürfe. Er habe dem OVG Schleswig aus Geheimhaltungsgründen nur „unvollständige Auskünfte gegeben“.  Sie sagt: „Dies hat zu dem Urteil beigetragen, mit dem das Zwischenlager die Genehmigung verlor.“ Sie verlangte ein bundesweites Konzept für die Sicherheit der Zwischenlager. Jochen Stay vom Anti-Atomnetzwerk Ausgestrahlt sagt sogar: „Damit ist das ganze Entsorgungskonzept für die deutschen Atomkraftwerke in sich zusammengebrochen.“ Es gebe „weder einen sicheren Platz für die langfristige Lagerung noch einen sicheren Platz für die Zwischenlagerung“.

Wohin mit den Castoren?

Mit dem Urteil ist es für Barbara Hendricks noch schwieriger geworden, eine Lösung für ihr von Altmaier geerbtes Problem zu finden, dass 26 Castor-Behälter aus den Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield und La Hague zurückgenommen und irgendwo untergebracht werden müssen. Damit das Standortsuchgesetz mehrheitsfähig wurde, hatte Altmaier zugesagt, diese Castoren nicht mehr in das umstrittene zentrale Zwischenlager in Gorleben zurückzubringen. Bis Anfang 2014 hätte ein Konzept vorliegen sollen. Bis dahin hatten aber lediglich Habeck und sein baden-württembergischer Kollege Franz Untersteller (Grüne) angeboten, einen Teil der Castoren in standortnahen Zwischenlagern vorrübergehend unterzubringen, nämlich in Brunsbüttel und in Philippsburg. Zwar hat die Bundesregierung inzwischen erreicht, dass die Rückführung der Castoren noch bis 2018 herausgezögert werden kann, doch dafür muss im Laufe des Jahres eine politische Lösung gefunden werden. Die notwendigen Genehmigungen für Zwischenlager haben im Schnitt zwei Jahre gedauert.

Dagmar Dehmer

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