zum Hauptinhalt
Die neue Umweltministerin Barbara Hendricks wagt sich an das strittige Thema der Zwischenlagersuche heran.
© dpa

Suche nach Atom-Zwischenlager: Umweltministerin Hendricks hofft auf Hessen

Die neue Bundesumweltministerin Barbara Hendricks will die Suche nach Zwischenlagern für Atommüll bis Mitte 2014 beenden – eine schwierige Aufgabe, an der schon ihr Vorgänger Peter Altmaier gescheitert war.

Die neue Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat sich vorgenommen, schnell die notwendigen Zwischenlager für 26 Castorbehälter mit hochradioaktivem Atommüll aus den Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague in Frankreich und Sellafield in Großbritannien zu finden. Die Behälter müssen 2015 zurückgenommen werden, von 2016 an werden Vertragsstrafen fällig. Und da es nicht einfach werden wird, die dafür notwendigen Genehmigungen rechtzeitig zu bekommen, muss Hendricks Tempo machen. Bis „Mitte 2014“ wolle sie mit den Ländern eine Verständigung erzielen, sagte sie nun.

Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg hatten schon im Frühjahr Entgegenkommen signalisiert, weil die Vereinbarung, keine Castorbehälter mehr ins zentrale Zwischenlager Gorleben zu bringen, Teil des Kompromisses für das Endlagersuchgesetz war. Nun hofft Hendricks auf Hessen. Sie sagte: „Ich denke, dass wir mit der neuen schwarz-grünen Regierung in Hessen nun auch eine Verständigung erreichen.“ In Stuttgart und Kiel sind die Grünen ebenfalls mit am Ruder. Die Regierungen dort machen zur Bedingung, dass mindestens ein weiteres Land ein Zwischenlager einrichtet.

In Hessen haben sich die Grünen durchgesetzt

Vor der Landtagswahl in Hessen gehörte das Thema noch zu den vielen Streitpunkten zwischen den Grünen und der CDU. Im Frühjahr hatte der grüne Fraktionschef Tarek Al-Wazir bereits das Zwischenlager des stillgelegten Atomkraftwerks Biblis als möglichen Standort ins Gespräch gebracht. Damals wehrte sich Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) noch mit Händen und Füßen, obwohl er drei Jahre zuvor auf die Forderung der damaligen schwarz-gelben Regierung in Niedersachsen Entgegenkommen signalisiert hatte. Im Koalitionsvertrag haben sich die Grünen nun durchgesetzt, wie Al-Wazir zufrieden auf die Frage antwortet, wie sich die neue schwarz-grüne Regierung positioniert. Er empfiehlt „die Lektüre des Koalitionsvertrags Zeile 967 bis 970“. Dort heißt es: „Die Lagerung zusätzlicher Castoren aus La Hague und Sellafield sollte unter dem Vorrang fachlicher Gesichtspunkte erfolgen. Sollte es nach sorgfältiger Prüfung erforderlich sein, auch in Biblis zwischenzulagern, weil es in Deutschland keine anderen Möglichkeiten gibt, so werden wir eine Lagerung in Biblis dulden.“

Für die Umweltminister in Schleswig-Holstein, Robert Habeck (Grüne), und Baden-Württemberg, Franz Untersteller (Grüne), ist das Thema damit aber noch nicht ganz erledigt. Untersteller sagte dem Tagesspiegel: „Erst mal ist da keiner außen vor.“ Und damit meint er vor allem das CSU-regierte Bayern. Es sei doch „ein Treppenwitz der Geschichte, dass drei grüne Umweltminister wegräumen sollen, was Generationen von Unions- und FDP-Umweltminister angerichtet haben“, sagt Untersteller.

Habeck findet ebenfalls, dass die fünf Länder mit Atomkraftwerksstandorten und die zwei mit weiteren Zwischenlagern einbezogen werden müssten: neben Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Hessen und Bayern auch Niedersachsen – trotz Gorleben – sowie Mecklenburg-Vorpommern (Greifswald) und Nordrhein-Westfalen (Ahaus). Es gehe um eine gerechte Lastenverteilung, finden die grünen Minister.

Beide sind aber weiterhin bereit, „Verantwortung zu übernehmen“. Untersteller hat diesen Willen bereits in Philippsburg gezeigt. Das dortige Zwischenlager käme aus seiner Sicht als Zwischenlager für die fünf Castoren aus La Hague in Frage. Die zusätzlichen Castoren würden das radioaktive Potenzial in Philippsburg um gerade einmal 0,004 Prozent erhöhen.

Umsetzung bleibt schwierig

Freilich dürfte es für Hendricks und ihre vor allem grünen Kollegen in den Ländern in der praktischen Umsetzung noch ziemlich schwierig werden, selbst wenn es schnell eine politische Einigung geben sollte. Habeck sagte dem Tagesspiegel: „Frau Hendricks übernimmt ein schwieriges und schlecht bestelltes Feld von ihrem Amtsvorgänger.“

Ex-Umweltminister Peter Altmaier (CDU) war es nicht gelungen, im Verlauf des Jahres 2013 eine Lösung zu präsentieren. Zunächst wollte Altmaier die 26 Castoren, 21 aus Sellafield und fünf aus La Hague, komplett im Zwischenlager Brunsbüttel unterbringen. Dort ist allerdings für höchstens 16 Castoren Platz, weil das dortige Zwischenlager sicherheitstechnisch noch etwas aufgerüstet werden soll. Das ist schon deswegen nötig, weil das Zwischenlager Brunsbüttel im Juni seine Betriebsgenehmigung verloren hat. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hatte die Genehmigung kassiert, weil das Zwischenlager nicht gegen Abstürze des größten Verkehrsflugzeugs A 380 gesichert sei. Der Bund hat Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt; wann darüber verhandelt wird, ist allerdings noch völlig offen.

Die neun in Brunsbüttel lagernden Castoren stehen dort also derzeit nur mit einer Sondergenehmigung, bis der Rechtsstreit entschieden ist. Im Zwischenlager des ebenfalls stillgelegten Atomkraftwerks Unterweser – bisher acht Castoren – steht übrigens ein ähnlicher Prozess bevor. Auch Unterweser war wegen der relativ kurzen Transportwege für die Castoren aus Sellafield schon einmal als mögliches Zwischenlager im Gespräch.

Kosten und Aufwand sind enorm

Um die Sellafield-Castoren rechtssicher zu lagern, müssten die Betreiber, im Falle Brunsbüttel Vattenfall und im Falle Unterweser Eon, entsprechende Genehmigungsanträge an das Bundesamt für Strahlenschutz stellen. Fachleute gehen für eine solche Genehmigung im günstigsten Fall von etwa zwei Jahren Bearbeitungsdauer aus. Denn zum einen ist die Antragstellung schon nicht trivial, zumal in allen möglichen Zwischenlagern Reparaturmöglichkeiten geschaffen werden müssten für den Fall, dass Castoren beschädigt werden könnten. Dazu müssten die Betreiber aber erst einmal bereit sein. Und die haben bereits im Frühjahr signalisiert, dass sie nicht vorhaben, die Kosten für ein solches Verfahren und den Aufwand zu tragen, schließlich gebe es ein genehmigtes und entsprechend ausgestattetes Zwischenlager in Gorleben.

Hendricks wird also einiges an Überzeugungskraft aufwenden müssen, um bis Mitte 2014 eine Lösung präsentieren zu können.

Dagmar Dehmer

Zur Startseite