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Bei Fragen gern anrufen! US-Präsident Obama während der Pressekonferenz mit Kanzlerin Merkel.
© REUTERS, Fabrizio Bensch

US-Präsident in Berlin: Obamas Handreichung für Donald Trump

Ein US-Präsident als "Transition Team": Barack Obama erklärt den Europäern den großen Unbekannten Donald Trump - den er damit zugleich warnt. Denn es steht viel auf dem Spiel. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Zunächst zum Positiven: Barack Obama ist noch einmal gekommen. Das ist ja immer nett, charmant außerdem. Aber es ist jetzt auch noch besonders hilfreich. Denn der scheidende amerikanische Präsident reist gewissermaßen als „Transition Team“ des nächsten durch die Welt. Wer hatte schon Gelegenheit, 90 Minuten mit Donald Trump zu sprechen, über alles, was die Welt bewegt und was ihn wohl bewegen mag? Jedenfalls keiner der führenden Europäer. Die kennen ja noch nicht mal irgendeinen derer, die um Trump herum und wichtig sind. Da kommt Obama gerade recht. Der Präsident in seiner Rolle als Politikerklärer, Psychologe und Trump-Deuter. Einen Besseren findet gegenwärtig auf der Ebene keiner.

Hinzu kommt, dass Obama den Europäern weit entgegengekommen ist, indem er sich nämlich nicht nur inhaltlich absetzt vom Nachfolger, sondern den zugleich warnt. Wenn der 45. Präsident sich nicht zusammennimmt, nicht versucht, das Land zusammenzuhalten, sondern daran geht, die Grundfesten der Demokratie zu beschädigen, dann wird energische Gegenwehr organisiert. Das war Obamas Botschaft, und das sollte auch die der Europäer sein.

Denn Jammern hilft nicht. Trump ist gekommen, um zu bleiben. Auch inhaltlich. Wenn er von Januar an leibhaftig im Amt ist und dann daran geht, das umzusetzen, was er sich vorgenommen hat – dann würde es am Ende so sein, dass Donald Trump die USA in kurzer Zeit stärker verändert hätte als Obama in den gesamten acht Jahren seiner Amtszeit.

Die EU muss gegen Trump antreten

Verändert zum Schlechten, wohlgemerkt, und zwar in ihrem Wesen. Dann nämlich wäre Ignoranz vorherrschende Ideologie in den USA. Und manche Forderung kann auch die Europäer schwer in Bedrängnis bringen, nicht nur die zur Nato. Also heißt es für Europa, sich auf alles vorzubereiten, was Trump je angekündigt hat, um notfalls mit ihm richtig zu streiten. Es ist doch so: Tritt niemand Trump entgegen, wirkt er sogar erfolgreich, kann das die Ultrarechten nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa befeuern und ins Amt bringen, die Wilders’, die Le Pens. Wie ein Flächenbrand, gefährlich, verzehrend, die Demokratie schädigend.

Noch einmal: Ein Lamento wäre keine Strategie. Was bleibt? Frei nach George Orwell (der hier als Meister der düsteren Zukunftsvision wirklich passt): Freiheit ist das Recht, Trump auch das zu sagen, was er nicht hören will. Sobald er im Amt ist und sobald ihn die EU-Europäer das erste Mal treffen. Oder ihn der erste Europäer trifft. Nigel Farage, der Mr. Brexit, zählt da nicht.

Obama sagt, Trump sei ein Pragmatiker. Im Pragmatismus bemisst sich alles am praktischen Erfolg, weshalb pragmatisches Handeln nicht an unveränderliche Prinzipien gebunden ist. Wie im Fall Trump. Pragmatismus, übrigens, ist als philosophische Denkrichtung in den USA begründet worden, fortgeführt von John Dewey. Der steht für den pädagogischen Ansatz „Learning by Doing“. Im Amt lernen: Trump wäre da nicht der Erste. Zumal er womöglich nicht so dumm ist, wie seine Gegner sagen. Er ist der „Apprentice“, der Lehrling, der nicht so schnell gefeuert werden kann.

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