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Die Parteivorsitzenden der Linken, Katja Kipping und Bernd Riexinger.
© picture alliance / dpa

Die Linke vor ihrem Parteitag: Nur Kuscheln hilft nicht

Die Linke ist die eigentliche Verliererin der Flüchtlingspolitik. Ein großer Teil der Wähler wandert zur AfD ab. Die Verantwortlichen verharren in Schockstarre. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Kuscheln wäre der Linken jetzt am liebsten. Die Partei hält am Wochenende in Magdeburg ihren Parteitag ab. Oberstes Gebot: bloß keine Konflikte offen austragen. Sogar ein bisschen langweilig darf es werden, wenn es nach dem Willen führender Linker geht.

Dabei wäre genau das Gegenteil notwendig angesichts der prekären Lage, in der sich die Partei befindet. Sie verliert massiv an Zustimmung. Bei den Landtagswahlen im März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz landete die Linke weit abgeschlagen. Das Projekt Westausdehnung ist gescheitert. Und im Osten bröckelt ihre Machtbasis. Im Linken-Stammland Brandenburg ist die Partei sogar hinter die AfD zurückgefallen, die dort bereits bei 20 Prozent liegt. In Sachsen-Anhalt büßte sie bei den Landtagswahlen fast acht Prozent der Stimmen ein. Das bleibt im Bund nicht ohne Folgen. In Umfragen landete die Linke bereits bei sieben Prozent – Tendenz weiter fallend. Der Einzug in den Bundestag 2017 ist keine sichere Sache mehr.

AfD, diese drei Buchstaben versetzen die Linke in Panik. So sehr, dass sie am liebsten gar nicht darüber reden will auf ihrem Parteitag. Einer tut es aber doch: Gregor Gysi. Der ehemalige Fraktionschef nennt seine Partei „saft- und kraftlos“. Recht hat er. Die Linke ist die eigentliche Verliererin der Flüchtlingspolitik. Ein erheblicher Teil ihrer Wähler wandert zur AfD ab. Zu einer Partei also, die für all das steht, was die Linken-Führung bekämpft und verachtet. Das macht die Sache so schmerzhaft. Denn nun müssten sich die Parteioberen eingestehen, wem sie eigentlich die ganzen Wahlerfolge der vergangenen Jahre zu verdanken haben.

Die Verantwortlichen wirken wie gelähmt

Das war eben nicht der linke, antifaschistische Kern der Partei, sondern es waren Protestwähler. Menschen, die sich abgehängt fühlen, Ängste vor weiterem sozialem Abstieg haben. Die den Flüchtlingszuzug als Bedrohung im Verteilungskampf um staatliche Zuwendungen begreifen. Ressentiments, die Ablehnung des Fremden, des Neuen, der Veränderung an sich prägen dieses Milieu. Davon hat die Linke lange gut gelebt. Das muss sie sich jetzt selbstkritisch eingestehen.

Tut sie aber nicht. Stattdessen wirken die Verantwortlichen wie gelähmt. Schockstarre. Sie scheuen die Entscheidung über die Frage, ob sie diesen Teil ihres Klientels halten oder abstoßen wollen. Klar ist nur, was nicht geht. Wer wie Oskar Lafontaine dazu rät, die Überfremdungsängste ernst zu nehmen, wird als Handlanger für die AfD diskreditiert. Ob die Linke nicht sogar in einer moralischen Pflicht steht, dieses Klientel einzubinden, wird gar nicht erst offen diskutiert. Das ist zu wenig.

Das Wegbrechen der Protestwähler wäre für sich genommen schon ein großes Problem. Aber auch als verantwortungsbewusste Regierungspartei kann sie kaum mehr punkten. Das war schon vor Jahren in Berlin so und zeigt sich nun auch in Brandenburg. Wer regiert, muss Kompromisse eingehen – auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Die Erfolge werden dem Juniorpartner nicht zugeschrieben. Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow wird seine Partei allein jedenfalls nicht am Leben erhalten können. Denn darum geht es jetzt für die Linke. Sie befindet sich in einer existenziellen Krise. Die kann sie annehmen und gestärkt aus ihr hervorgehen. Oder sie negieren und an ihr zerbrechen. Eines ist sicher: Nur Kuscheln hilft nicht.

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