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Joe Biden (links) mit Julian Castro und Cory Booker
© Jim WATSON / AFP

Alle attackieren Obamas Vize: Nur kurz scheint Bidens Schlagfertigkeit auf

Obamas Vizepräsident stand im Zentrum der TV-Debatte der Demokraten. Auf die Angriffe der Konkurrenz reagiert Biden mitunter enttäuschend. Eine Analyse.

Wer führt, wird angegriffen. So kann man sich als "Underdog" am besten profilieren und den Anschein von Augenhöhe erwecken. Das sind die taktischen Regeln in der Kandidatenkür in den USA.

Joe Biden, von 2009 bis 2017 Barack Obamas Vizepräsident, führt mit hohem Abstand in den Umfragen, wer für die Demokraten in der Wahl 2020 gegen Donald Trump antreten soll. Er ist der bekannteste Name unter den 20 Demokratinnen und Demokraten, die sich um die Kandidatur bewerben.

Die Hälfte von ihnen wird in der nächsten TV-Debatte im September nicht mehr dabei sein. Deshalb attackieren alle neun Konkurrenten, die in der Nacht zu Donnerstag im Fox Theatre in Detroit mit Biden diskutierten, den "Frontrunner" – um sich zu profilieren.

Ideologisch gesehen sind das umgekehrte Verhältnisse im Vergleich mit der Debatte der anderen zehn Präsidentschaftsbewerber 24 Stunden zuvor. In der Nacht zu Mittwoch hatten acht weniger bekannte Moderate die zwei Linken, die aus dem Bewerberfeld herausragen, angegriffen: Elizabeth Warren und Bernie Sanders. Die Quintessenz der Offensive: Wenn die Demokraten mit einem linken Kandidaten in die Wahl gehen, wird Trumps Sieg umso wahrscheinlicher.

Doch nun, in der zweiten Nacht, ist der Platzhirsch in der Mitte der Bühne der Moderate. Da bleibt als taktische Variante vor allem diese: Alles, wofür Biden steht, sei nicht progressiv genug.

Diesmal ist Biden gut vorbereitet

Kamala Harris, Senatorin von Kalifornien und Nummer vier in den Umfragen, hatte das in der ersten Debatte im Juni vorgemacht. Die Tochter eines Jamaikaners und einer Inderin, hatte ihn wegen seiner Haltung zum "Busing" kritisiert – dem Bustransport farbiger Schulkinder in überwiegend weiße Schulbezirke, um ihnen faire Bildungschancen zu geben.

Biden weiß, dass seine Antwort im Juni zu lahm gewirkt hatte. Diesmal ist er besser vorbereitet. Er geht gleich in die Offensive – auf einem Feld, bei der er ihr überlegen ist. In der Gesundheitspolitik würden sich immer mehr Demokraten von Obamas Reform auf doppelzüngige Weise abwenden und den Wählern das Blaue vom Himmel versprechen.

Harris sei ein Beispiel dafür. Was sie vorschlage, sei "zu disruptiv und zu teuer". Nun wendet sich Biden an die Fernsehzuschauer: "Seien Sie misstrauisch, wenn ihnen jemand eine Reform verspricht, bei der in zehn Jahren alles besser wird. Meine Antwort lautet: Obamacare funktioniert."

Kamala Harris ist in der Gesundheitspolitik nicht zu Hause

Diesen Schlagabtausch gewinnt Biden. Harris geht zwar zur Gegenattacke über: "Ihr Plan lässt zehn Millionen Amerikaner unversichert." Doch am Ende bleibt der Eindruck, dass Harris, die als Staatsanwältin in Kalifornien aufgestiegen war, in den komplizierten Strukturen des US-Krankenversicherungssystems und der Reformansätze – noch – nicht sattelfest ist.

Andere Konkurrenten fordern Biden auf weiteren Themenfeldern heraus, Obamas Politiken zu verteidigen: die Migrationspolitik, Frauenrechte und Abtreibung, Drogen- und Strafjustiz gegen Afroamerikaner, Klimawandel, Handelspolitik.

Was in Obamas acht Jahren geschah, wirkt einerseits im Kontrast zu Trump liberal und vernünftig. Andererseits ist Obamas Bilanz nicht progressiv genug für eine Partei, deren linker Flügel in den drei Jahren, seit Biden nicht mehr Obamas Vizepräsident ist, emotional und ideologisch noch weiter nach links gerückt ist.

Biden reagiert auf die Angriffe mal genervt. Mal tut er die Attacken damit ab, dass die Aufhänger, die die Kritiker wählten, "lang, lang zurück liegen".

Doch der Afroamerikaner Cory Booker, der sechs Jahre Bürgermeister von Newark war und nun Senator von New Jersey ist, lässt nicht locker. Biden trage Mitschuld an der Diskriminierung schwarzer Bürger im Justizsystem und habe sich in der Vergangenheit mehrfach die Verschärfung von Strafvorschriften zugute gehalten. Biden sei nicht fähig, die "Race Relations" als Präsident zu verbessern. "Sie haben das Feuer gelegt; da können Sie heute nicht als Feuerwehrmann auftreten."

Amerikas Vielfalt springt ins Bild

Das Bild auf der Debattenbühne ist diesmal ein ganz anderes als 24 Stunden zuvor. In der Nacht zu Mittwoch hatten zehn weiße Bewerberin und Bewerber diskutiert. Nun springt Amerikas ethnische Vielfalt ins Auge. So hat es das Los bestimmt. Biden ist eingerahmt von Harris zu seiner Rechten und Booker zu seiner Linken.

Es folgen rechts Andrew Yang, ein Internetmillionär taiwanesischer Abstammung, und links der Latino Julian Castro. Harris' Entscheidung, einen grauen Hosenanzug zu tragen und damit auf einen farblichen Kontrast zu den Männern neben ihr zu verzichten, erstaunt. Kirsten Gillibrand, die Senatorin von New York, sticht heraus mit ihrem rotem Kleid und macht ihre ungünstige Positionierung links am Rand optisch wett.

Diese zweite Debattennacht hat weniger Feuer als die erste. Die Konstellation ist komplizierter. Die Debatte in der Nacht zu Mittwoch war geprägt von der Grundfrage: Was ist die bessere Strategie, um Trump zu schlagen, ein linker Kurs, um den Kontrast zu schärfen, oder ein moderater Kurs, um die Wähler der Mitte nicht zu verschrecken?

In der Debatte in der Nacht zu Donnerstag fehlt solch ein strategischer roter Faden. Alle gegen Biden – das ermüdet auf Dauer. Und er kann auch nicht brillieren. Er meistert die Kritik nicht souverän, sondern allenfalls ordentlich. Manchmal auch eher enttäuschend.

Und er erlaubt sich eine Bemerkung, die ihn noch verfolgen könnte. Als er und Kamala Harris sich begrüßen, sagt er grinsend: "Go easy on me, kid". Klar doch, das ist einerseits der leutselige Joe, sein Markenzeichen. Aber darf man eine 54-jährige US-Senatorin "Kid" nennen?

Biden reagiert mal schlagfertig, mal riskant

Umgekehrt ist es für die neun Angreifer nicht leicht, sich zu profilieren, wenn alle nach derselben Methode vorgehen: den "Frontrunner" attackieren. Julian Castro versucht es in der Migrationspolitik. Er wirbt für einen liberaleren Kurs. Da scheint kurz Bidens Schlagfertigkeit auf. "Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie früher gegen Obamas Migrationspolitik waren."

Klar, damals saß Castro ja selbst in der Regierung, als Wohnungsbauminister. Castro beharrt jedoch auf einer Liberalisierung und Entkriminalisierung. Diese Forderung war auch schon in der Nacht zuvor debattiert worden und ist unter progressiven Demokraten populär.

"Es scheint, dass manche hier die Lektion gelernt haben und andere nicht", stichelt er gegen Biden. "Was in der Migrationspolitik heute fehlt, ist der Mut, neue Wege zu erproben." Biden schießt zurück. "Ich habe genug Mut, um zu sagen, dass Ihre Vorstellungen nicht funktionieren. Wer illegal über die Grenze kommt, muss zurückgeschickt werden. Denn das ist eine Straftat", beharrt Biden.

Jay Inslee, Gouverneur des Staates Washington, versucht mit einer Attacke in Sachen Irakkrieg Aufmerksamkeit zu erreichen. Er habe anders als Biden – und im Übrigen als Einziger hier auf der Bühne – gegen den Irakkrieg gestimmt.

Und was bleibt, wenn die Vorredner sich alle schon auf Biden gestürzt haben? Dann kann man immer noch über Trump herfallen. Kirsten Gillibrand warnt die Wähler vor dessen Gesundheitspolitik. "Die Republikaner wollen euch eure Krankenversicherungen ganz wegnehmen."

Für die Demokraten lässt sich am Ende der zweiten Runde der TV-Debatten bilanzieren: Biden hält sich als "Frontrunner". Die zehn weniger bekannten Bewerber unter den 20 Kandidaten werden wohl im September nicht mehr dabei sein. Und der strategische Konflikt ist ins Zentrum gerückt: Dem Herzen nach sehnt sich die Demokratische Partei nach progressiven Spitzenkandidaten. Der Verstand jedoch wendet ein, dass die Siegchancen gegen Trump mit einer moderaten Person an der Spitze besser sind.

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