Kampf um Präsidentschaftskandidatur: Das große Aussieben bei den US-Demokraten
Die TV-Debatten am Mittwoch und Donnerstag früh werden für die Hälfte der Bewerber ums Weiße Haus bereits die letzten im Wahlkampf 2020 sein. Eine Analyse.
Der Traum, Donald Trump im Weißen Haus abzulösen, hatte für 25 US-Demokraten gerade erst begonnen. Doch für die Hälfte von ihnen geht es bereits ums Überleben. Ihre Auftritt in der zweiten Runde der TV-Debatten der US-Demokraten in den Nächten zu Mittwoch und Donnerstag entscheiden darüber, ob sie sich für die nächsten Fernsehdiskussionen im September qualifizieren. Oder ob dies ihre letzten Bewerbungsreden vor Millionenpublikum im Präsidentschaftswahlkampf 2020 waren. Denn die Zulassungsregeln werden nun strenger.
Fünf der 25 hatten bereits die Bedingungen für die aktuellen Debatten in Detroit verpasst: Teilnehmer müssen in drei anerkannten Meinungsumfragen mehr als ein Prozent erzielen und mindestens 65.000 Spender für ihre Kampagne nachweisen, die sich zudem über mindestens 20 der 50 US-Bundesstaaten verteilen. Mike Gravel, Wayne Messam, Seth Moulton, Joe Sestak und Tom Steyer gelang das nicht. Sie können nur zuschauen.
Mit 20 Bewerbern ist das Feld derer, die vor laufenden Kameras ihre Fähigkeit nachweisen wollen, Donald Trump in der Hauptwahl zu besiegen, immer noch ungewöhnlich groß. Sie wurden wie schon bei den Debatten im Juni per Los auf zwei Gruppen je zehn Kandidaten verteilt. Die erste Gruppe debattiert am Mittwoch früh zwischen 2 Uhr und 4 Uhr MEZ, die zweite am Donnerstag früh zur selben Zeit. CNN und verschiedene Streaming-Plattformen übertragen.
Der Schauplatz ist das Fox Theater im Zentrum von Detroit, wo Donald Trump und Marco Rubio im Wahlkampf 2016 ihren denkwürdigen Schlagabtausch über die mutmaßliche Größe von Trumps Geschlechtsorgan hatten, ebenfalls in einer Präsidentschaftsdebatte. Michigan ist einer der drei Staaten, in denen Trump 2016 überraschend vor Hillary Clinton lag und die ihm den Gesamtsieg bescherten.
Wer führt die Linken: Warren oder Sanders?
Wer im September zur dritten Runde der TV-Debatten eingeladen werden will, muss schärfere Kriterien erfüllen: mindestens zwei Prozent Unterstützung in vier anerkannten Umfragen. Und 130.000 Spender. Bisher schaffen das nur sieben der 20 Kandidaten: Joe Biden, Elizabeth Warren, Bernie Sanders, Kamala Harris, Pete Buttigieg, Beto O’Rourke und Cory Booker.
Drei weitere sind nahe dran: Julian Castro, Andrew Yang und Amy Klobuchar. Für die übrigen zehn sind die beiden TV-Debatten die letzte Chance, einen so großen Sprung in der öffentlichen Wahrnehmung zu machen, dass sie die Hürde in Bekanntheit und Spenderzahl für September doch noch schaffen.
Das Los hat den Zuschauern interessante Paarungen beschert. Am Mittwoch früh wetteifern Elizabeth Warren (70 Jahre) und Bernie Sanders (77), wer als Galionsfigur der Parteilinken antritt. Anfangs lag Sanders dank seiner Bekanntheit aus dem Wahlkampf 2016 klar vorn. Im Schnitt der Umfragen hat Warren (14,8 Prozent) ihn (14,3 Prozent) mittlerweile überholt und liegt auf Platz 2 hinter dem mit Abstand führenden Joe Biden (76 Jahre, 31,3 Prozent).
Wer ist der Nachwuchsstar: Buttigieg oder O'Rourke?
Ein anderes beachtenswertes Binnenduell tragen in der ersten Zehnergruppe Pete Buttigieg und Beto O'Rourke aus. Wer etabliert sich als dynamischer Nachwuchsstar, der schwule Ex-Bürgermeister von South Bend, Indiana (37 Jahre, 5,8 Prozent), oder der Überraschungsaufsteiger aus El Paso, Texas (46 Jahre, 2,3 Prozent), der bei der Kongresswahl 2018 beinahe dem Republikaner Ted Cruz den Senatssitz abgenommen hätte?
Amy Klobuchar (59 Jahre, 1,5 Prozent) wird alle vier attackieren und sich mit dezidiert konservativeren Positionen zu profilieren versuchen, um ihre Umfragewerte zu verbessern: Sie lehnt die Abschaffung der Studiengebühren ("Free College") und eine kostenfreie Gesundheitsgrundversorgung ("Medicare for All"), die Parteilinke fordern, ab.
Die übrigen fünf Bewerber auf der Mittwochs-Bühne brauchen ein kleines politisches Wunder, um im September noch dabei zu sein; sie kommen zwar in drei anerkannten Umfragen über ein Prozent, liegen im Durchschnitt der Erhebungen aber deutlich darunter: der Gouverneur von Montana Steve Bullock (53 Jahre), der Abgeordnete aus Maryland John Delaney (56), der Ex-Gouverneur von Colorado John Hickenlooper (67), der Abgeordnete aus Ohio Tim Ryan (46), die Bestseller-Autorin Marianne Williamson (67).
Eine rein weiße Bühne am Mittwoch, eine diverse am Donnerstag
Das Los hat in Sachen Hautfarbe zu einer statistisch ungewöhnlichen Konstellation geführt. Die erste Gruppe in der Nacht zu Mittwoch besteht nur aus Weißen. Die Nicht-Weißen debattieren 24 Stunden später in der zweiten Zehnergruppe, der auch der Führende, Ex-Vizepräsident Joe Biden, angehört.
Das verspricht auch inhaltlich Spannung. In der Juni-Debatte hatte Kamala Harris, Tochter eines Jamaikaners und einer Inderin, Biden mit einer energischen Intervention zum "Busing", dem Bustransport farbiger Schulkinder in überwiegend weiße Schulbezirke, in die Bredouille gebracht. Seither steigen die Umfragewerte der 54-jährigen Senatorin aus Kalifornien; sie liegt nun mit 11 Prozent auf Platz vier.
Auf der Debattenbühne in Detroit wird sie auf ihrem Wunschplatz gleich rechts neben Biden in der Mitte stehen. Links wird Biden von Cory Booker flankiert, dem afroamerikanischen Senator von New Jersey (50 Jahre, 1,8 Prozent). Er muss seine Umfragewerte noch verbessern, um im September sicher dabei zu sein, und wird Biden wohl auch mit Fragen zum Stand der "Race Relations" attackieren.
Fünf von zehn lauern auf eine Überraschung
Überhaupt wird am Donnerstag die ethnische Vielfalt des Einwanderungslandes USA optisch ins Auge fallen. Links neben Booker wird der Latino Julian Castro stehen, vormals Bürgermeister der texanischen Großstadt San Antonio und Wohnungsbauminister unter Barack Obama (44 Jahre, 1,0 Prozent). Und rechts neben Harris folgt Andrew Yang (44 Jahre, 2,3 Prozent), ein Startup-Multimillionär taiwanesischer Abstammung.
Die übrigen fünf Bewerberinnen und Bewerber auf der Donnerstag-Bühne stehen bildlich wie politisch am Rand; auch sie kommen in drei anerkannten Umfragen über ein Prozent, liegen im Durchschnitt der Erhebungen aber deutlich darunter: der Senator von Colorado Michael Bennet (54 Jahre), der Bürgermeister von New York Bill de Blasio (58), die Abgeordnete aus Hawaii Tulsi Gabbard (38), die Senatorin von New York Kirsten Gillibrand (52) und der Gouverneur des US-Staats Washington Jay Inslee (68).
Sie sind auf ein Überraschungsmoment angewiesen, das sich weder planen noch inszenieren lässt. Sie können nur hoffen, dass ein Missgeschick der übrigen Kandidaten oder eine Frage der Moderatoren ihnen eine Chance eröffnet - und sie diese nutzen.