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Der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur war als Zeuge vor den Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags.
© Michael Kappeler/dpa

Maut-Debakel, Abwrackprämie, Klimaschutz: Nur der Nichtangriffspakt verhindert Scheuers Rücktritt

Nicht zuletzt wegen der Posse um die Pkw-Maut müsste der Verkehrsminister zurücktreten. Doch man lässt ihn aus taktischen Gründen gewähren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jana Kugoth

Zwei Manager unterstellen Andreas Scheuer (CSU) die Unwahrheit zu sagen. Es sind keine windigen Schurken, sie sind ehrenwerte Geschäftsleute. Dem Bundesverkehrsminister, sagen sie im Untersuchungsausschuss des Bundestages, haben sie angeboten, den Vertrag zur Umsetzung der Pkw-Maut erst dann zu unterschreiben, wenn die Grundlagen dafür rechtssicher sind. Der Steuerzahler hätte dadurch Millionen sparen können. Weshalb sich die Abgeordneten des Bundestages jetzt mit der Sache befassen.

Doch Andreas Scheuer widerspricht. Zum wiederholten Male sagte er im Ausschuss, er könne sich an ein solches Angebot nicht erinnern. Ach, wie gern würde man einem glaubwürdigen, einem integren Mann Glauben schenken, einem Bundesminister, der ja eines der höchsten Staatsämter bekleidet.

Aber selbst in seiner Heimat Bayern hat Andreas Scheuer kaum noch Rückhalt. Schon zu Beginn des Jahres wollte die Mehrheit den Verkehrsminister loswerden, wie Umfragen zeigen. Auf Bundesebene dürfte es nicht anders aussehen. Doch wer erwartet, dass der Minister endlich abtritt, wird wohl enttäuscht werden.

Gründe für den Rücktritt des Ministers gäbe es einige: Allen voran das Pkw-Maut-Debakel. Trotz anderslautender Ratschläge hatte der beratungsresistente Minister die Maut durchgesetzt, bevor die Richter in Brüssel über die Rechtmäßigkeit einer solchen Abgabe urteilten. Mehr als 500 Millionen Euro kostet den Steuerzahler dieser Alleingang des Ministers.

Seine Bilanz ist mau

Damit nicht genug. Auch in anderen Bereichen fällt die Bilanz Scheuers mau aus: So hat die Digitalisierung des Verkehrssektors bis heute nicht richtig Fahrt aufgenommen. Obwohl Unsummen an Fördergeldern in Projekte für Mobilitätsplattformen, digitale Logistiklösungen und automatisiertes und vernetztes Fahren fließen, sind andere Staaten auf der Überholspur. Mit Sorge schaut die Branche nach Asien und in die USA, wo große Techkonzerne zunehmend in den Mobilitätsmarkt drängen und den hiesigen Unternehmen das Geschäft streitig machen.

Ein schlechtes Zeugnis wurde Scheuer auch beim Klimaschutz ausgestellt. Das Regierungsziel hat er deutlich verfehlt. Statt die Emissionen im Verkehrssektor zu senken, sind sie laut jüngstem Klimaschutzbericht sogar gestiegen. Das liegt auch daran, dass die von ihm auf den Weg gebrachten Klimaschutzmaßnahmen fast wirkungslos sind, wie die Gutachter in ihrem Bericht attestieren.

Nichtangriffspakt zwischen den Koalitionspartnern

Jüngst irritierte der Minister dann mit der wieder aufgewärmten Forderung, im Zuge der Corona-Hilfspakete eine Abwrackprämie für Verbrenner einzuführen. Dabei hatte selbst die Autoindustrie die in der Bevölkerung unpopuläre Maßnahme nicht mehr hervorgeholt.

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Trotzdem: Scheuer wird wohl bis zum Ende der Legislatur im Amt bleiben. Aus einem einfachen Grund: Weder SPD noch CDU/CSU haben ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl ein wirkliches Interesse daran, das Regierungsbündnis zu gefährden. Solange CSU-Chef Markus Söder seine schützende Hand über „seinen“ Minister hält, hat Scheuer nichts zu befürchten. Erst recht nicht, da im zweiten derzeit laufenden Untersuchungsausschuss mit Olaf Scholz der SPD-Kanzlerkandidat auf der Anklagebank sitzt.

Stillschweigend gelten in solchen Situationen die Regeln des Nichtangriffspaktes zwischen den Koalitionspartnern. Obersten Gebot: eine Koalitionskrise vermeiden. Einen anderen Verkehrsminister und damit eine andere Verkehrspolitik wird es also aller Voraussicht nach vor 2021 nicht geben. Auch, wenn die Glaubwürdigkeit des Andreas Scheuer wohl nach dem jüngsten Auftritt im Untersuchungsausschuss endgültig dahin sein dürfte.

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