Historisches zweites Impeachment gegen Trump: Nur der Blick auf die Wunden kann Heilung bringen
Der Impeachment-Prozess gegen Donald Trump startet. Die Demokraten wollen ihn nutzen, um aufzurütteln und Gefühle zu erzeugen. Das muss sein. Ein Kommentar.
Schnell, hart, emotional: So soll das zweite Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump ablaufen. In den kommenden Tagen werden die Amerikaner in ihren Wohnzimmer noch einmal überschwemmt werden mit Bildern und Videos vom 6. Januar, als ein wütender Trump-Mob gewaltsam ins Kapitol eindrang und das Herz der amerikanischen Demokratie aus dem Rhythmus zu bringen versuchte.
Sie sollen sich aufregen über das, was Politiker, Mitarbeiter, Polizisten, Journalisten fühlten, als sie ihre Türe verrammelten, sich unter Tischen versteckten, attackiert wurden oder stundenlang ausharren mussten, ohne zu wissen, wie dieser Tag ausgehen würde.
Sie sollen Trumps eigene Worte hören, mit denen er, so die Überzeugung der Demokraten, zu all dem anstachelte. Zeitgleich dazu werden Heerscharen von Uniformierten das Kapitol bevölkern, um zu demonstrieren, dass die Demokratie nun wehrhafter sein will.
Es geht erst nochmal um die Vergangenheit
14 Wochen nach der Präsidentschaftswahl, die Joe Biden mit dem Versprechen gewonnen hat, die Nation zu heilen und für die Zukunft fit zu machen, werden ab diesem Dienstag erst noch einmal die Wunden der Vergangenheit zur Schau gestellt und Gefühle angestachelt. Muss das sein?
Wäre es nicht sinnvoller, mit dem Kapitel Trump schnell abzuschließen und sich ganz auf den Neuanfang zu konzentrieren? Wo doch die Pandemie alle Kraft und Aufmerksamkeit verlangt – und am besten bekämpft werden kann, wenn alle an einem Strang ziehen?
Der Kongress soll zeitgleich die Corona-Hilfen auf den Weg bringen
Man kann so argumentieren, vor allem, da sich der Kongress ab dieser Woche auch intensiv mit Bidens ambitioniertem Hilfspaket beschäftigen wird. Überparteiliche Zusammenarbeit wäre hier hilfreich, damit Millionen notleidende Amerikaner endlich dringend benötigte Unterstützung in der Krise bekommen.
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Hat Biden nicht in Aussicht gestellt, dass er wie kein anderer „across the aisle“ arbeiten, also Kompromisse über Parteibande hinweg möglich machen könne? Wie kann er das Land versöhnen, wenn die eine Seite auf der Anklagebank sitzt?
So nachvollziehbar diese Einwände sind, so sehr lassen sie doch eines außer Betracht: Ein Heilungsprozess ist dann am erfolgreichsten, wenn die Krankheit zuvor erkannt worden ist. So wie wirkliche Versöhnung dann am besten klappt, wo Fehler eingesehen werden.
Bisher wollen nur fünf republikanische Senatoren Trump verurteilen
Nun wäre es wohl naiv, zu erwarten, dass der Großteil der Trump-Anhänger urplötzlich die Seiten wechselt. Dass sie einsehen – und sich eingestehen –, wohin Lügen und hasserfüllte Rhetorik führen können.
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Mitt Romney, Susan Collins, Liz Cheney, Adam Kinzinger: Es sind bisher nur vereinzelte republikanische Kongressmitglieder, die offen aussprechen, was wohl deutlich mehr denken: Dass Trump weiter zu folgen ein Irrweg wäre, dass die Partei das „Krebsgeschwür“ (Mitch McConnell) der Verschwörungstheorien schnell loswerden muss.
Noch sind es nur fünf republikanische Senatoren, die Trump der „Anstiftung zum Aufruhr“ für schuldig befinden. 17 müssten es sein, um ihn zu verurteilen und für alle Zeiten von politischen Ämtern fernzuhalten.
Danach sieht es derzeit nicht aus. Aber das Ziel, dass diese Zahl wächst und sich dadurch künftig mehr Parlamentarier ermutigt fühlen, einen Irrweg einen Irrweg zu nennen, ist den Aufwand wert. Auch den, dass sich Amerika noch einmal tagelang mit der schmerzhaften Vergangenheit beschäftigt – obwohl so viele andere Probleme auf eine Lösung warten.