Mögliches Partei-Verbot: NPD will vor Gericht V-Leute enttarnen
In einem Monat beginnt vor dem Bundesverfassungsgericht das Verbotsverfahren gegen die NPD. Die Partei kündigt an, im Prozess Namen von Spitzeln des Verfassungsschutzes zu nennen.
Peter Richter ist kein Mann, dem es an Selbstbewusstsein mangelt. „Wir haben den einen oder anderen Knaller schon in petto“, sagt der Saarbrücker Anwalt, dem bald reichlich Aufmerksamkeit zuteil werden dürfte. In einem Monat, am 1. März, beginnt am Bundesverfassungsgericht die mündliche Verhandlung im Verbotsverfahren gegen die NPD. Richter ist ihr Prozessbevollmächtigter. Er vertritt die rechtsextreme Partei nicht nur, weil ihn das Verfahren juristisch reizt. Der 30-Jährige ist Vizechef des NPD-Landesverbandes Saarland und Beisitzer im Bundesvorstand. Wenn er spricht, ist der ideologisch gestählte Insider zu hören. Und was Richter so von sich gibt, lässt einen turbulenten Auftakt der Verhandlung in Karlsruhe vermuten.
„Wir sind dabei, in den V-Mann-Geschichten parteiinterne Ermittlungen anzustellen“, schallt es aus dem Telefon. Die Vermerke der Verfassungsschutzbehörden zur Abschaltung von Spitzeln in Vorständen der NPD seien „durchaus aufschlussreich“. Die Liste früherer V-Leute hatten die Bevollmächtigten des Bundesrates, der das Verbot der Partei beantragt, im Mai 2015 auf Bitte des Bundesverfassungsgerichts geliefert. Die elf Namen in dem Konvolut sind geschwärzt, doch der Verfassungsschutz musste Details zum Umgang mit den Spitzeln preisgeben. Womöglich gelingt es der NPD, einzelne V-Leute zu enttarnen.
„Von der Größe des Schwärzungsbalkens konnte man auf den Namen schließen“, behauptet Richter. Die internen Ermittlungen hätten „teilweise Früchte getragen“. Ob der Anwalt blufft, bleibt offen. In Sicherheitskreisen heißt es, „wir sind auf alles vorbereitet“. Doch für den Verfassungsschutz wäre eine Enttarnung früherer V-Leute ein schwerer Schlag. „Dann würde es noch schwerer, Vertrauenspersonen in der Szene zu werben“, befürchtet ein hochrangiger Experte.
Richter würde es freuen. „Positiv“ findet er er auch, dass die mündliche Verhandlung im Verbotsverfahren keine zwei Wochen vor der für die Partei wichtigen Landtagswahl in Sachsen-Anhalt beginnt. In Karlsruhe bekomme die NPD „die große Bühne aufgebaut“, die „Schweigespirale der Medien wird durchbrochen“. Dass die NPD derzeit in Umfragen in Sachsen-Anhalt keine drei Prozent erreicht, irritiert den Anwalt nicht. Er hofft auf einen Effekt, vor dem 2012 der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gewarnt hatte. Das Verbotsverfahren könne der NPD viel Aufmerksamkeit verschaffen, sagte Friedrich. Die Partei will genau das.
Geladen sind etwa Udo Voigt, Udo Pastörs, Holger Apfel
Entsprechend eingeschworen sind offenbar fast alle der fünf „Auskunftspersonen“ mit NPD-Bezug, die das Gericht geladen hat. Richter zählt auf: Ex-Parteichef Udo Voigt, Claus Cremer, Vorsitzender des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Jürgen Gansel, einst Abgeordneter im sächsischen Landtag, Udo Pastörs, Chef der Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, und Holger Apfel.
Dass sein Name auf der Liste steht, ist für die NPD wenig angenehm. Apfel war Parteivorsitzender und leitete die sächsische Landtagsfraktion, doch 2013 wurde er in der Partei mit dem Vorwurf einer Sex-Affäre konfrontiert. Entnervt gab Apfel gab alle Posten auf und verließ die NPD. Intern ist zudem noch heute der Verdacht zu hören, Apfel habe gespitzelt.
Bevollmächtigte des Bundesrats bleiben gelassen
Trotz des Getöses der NPD gehen die Prozessbevollmächtigten des Bundesrates gelassen nach Karlsruhe. „Die V-Mann-Problematik ist nicht vom Tisch“, sagt Christian Waldhoff, Dekan der Juristischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität (HU). „Doch ich bin optimistisch, dass kein Verfahrenshindernis vorliegt.“
Gemeinsam mit dem auch an der HU lehrenden Christoph Möllers hat Waldhoff den Verbotsantrag geschrieben. Im August 2015 haben sie noch ein dickes Dossier mit neuen Indizien für die Verfassungsfeindlichkeit der NPD nach Karlsruhe geschickt. In dem Papier werden „aggressive Aktivitäten gegen Asylbewerber“ beschrieben wie auch die von der NPD verbreitete „Atmosphäre der Angst“, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern. „Es gibt Sozialarbeiter und andere Leute, die sich nicht trauen zu schildern, was sie erlebt haben“, sagt Waldhoff.
Er hat es nicht nur vom Hörensagen. Waldhoff war in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs und kam auch nach Jamel. Der Ort wird seit Jahren von Rechtsextremisten terrorisiert. Das Ehepaar Lohmeyer, das sich den Neonazis entgegenstellt, lebt gefährlich. Waldhoff hat mit den Lohmeyers gesprochen. Wochen später ging ihre Scheune in Flammen auf.