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NPD-Anwalt Peter Richter steht in der Mittagspause der mündlichen Verhandlung über ein Verbot der rechtsextremen NPD beim Bundesverfassungsgericht im Sitzungssaal.
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Update

Erster Tag im NPD-Verbotsverfahren: NPD-Anwälte bleiben angekündigten "Knaller" schuldig

Erleichterung bei den Verantwortlichen für den NPD-Verbotsantrags: Trotz Attacken und Befangenheitsanträgen der NPD-Anwälte ist die Gefahr eines Debakels wie beim ersten Anlauf gesunken.

Er attackiert den Bundesrat, er attackiert die Sicherheitsbehörden und er attackiert auch das Bundesverfassungsgericht. Aber der „Knaller“, den NPD-Anwalt Peter Richter angekündigt hatte, ist nicht zu hören. Vielleicht war es doch nur ein Bluff. Am ersten Tag der mündlichen Verhandlung im NPD-Verbotsverfahren hat Richter jedenfalls keinen enttarnten V-Mann präsentiert.

Der Tagesordnungspunkt „Verfahrenshindernisse“ scheint nach mehreren Stunden seinen Schrecken für die versammelten Innenminister, Verfassungsschützer und Polizeiverantwortlichen weitgehend  verloren zu haben. „Was er vorgetragen hat, war nicht durchschlagend“, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der mit acht Amtskollegen nach Karlsruhe gekommen ist. Auch Lorenz Caffier, Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern, wirkt erleichtert. „Wenn das die Knaller waren, sind sie nicht so tragend“, sagt er.

Die Gefahr, dass sich das Debakel vom März 2003 wiederholt, scheint nun geschrumpft zu sein. Damals hatte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgericht das Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei eingestellt, wegen V-Leuten in Führungsetagen der NPD und deshalb mangelnder „Staatsferne“. Anwalt Richter versucht nun, eine ähnliches Desaster herbeizuführen, aber zumindest am ersten Tag der mündlichen Verhandlung hat er nur viele theoretische Szenarien zu bieten – und eine kleine Geschichte, die kaum mehr als ein Stinkbömbchen zu sein scheint.

Das Polizeipräsidium Wuppertal habe zwei weiblichen Mitgliedern des Vorstands der NPD Nordrhein-Westfalen mitgeteilt, sie seien von Juli bis August 2015 observiert worden, sagt der Anwalt. Den Anlass habe die Polizei nicht mitgeteilt. Der Senat wirkt mäßig beeindruckt. Ob der Anwalt mit den beiden Frauen über die Prozessstrategie der NPD im Verbotsverfahren gesprochen habe, will Richter Peter Huber wissen. Der Anwalt verneint. Aber er schiebt gleich hinterher, „es ist zu besorgen, dass es sich um die Spitze eines Eisbergs handelt“. Den das Gericht offenkundig nicht erkennen kann.

NPD-Anwalt Richter legt am Morgen mit Befangenheitsanträgen los

Vielleicht hat Richter geahnt, dass der Verdacht einer fortgesetzten Überwachung der Partei trotz anderslautender Stellungnahmen des Bundesrates für die mündliche Verhandlung nicht reicht. Jedenfalls legt er gleich am Morgen mit Befangenheitsanträgen gegen die meisten Richter los. Vor allem die früheren Politiker Peter Huber und Peter Müller hat Richter im Visier. Huber war von 2009 bis 2010 Thüringer Innenminister, er hat damals  gefordert, der Partei die staatliche Finanzierung zu entziehen.

Müller, von 1999 bis 2011 Ministerpräsident des Saarlands, hatte der Partei „unstreitig“ verfassungsfeindliche Ziele bescheinigt. Beide Richter dürften heute „nicht geneigt sein“, sich mit den Argumenten der NPD im Verbotsverfahren auseinanderzusetzen, sagt der Anwalt. Beide Richter kontern trocken. Was damals war, „hat mit meiner Tätigkeit als Richter am Bundesverfassungsgericht nichts zu tun“, sagt Huber. „Politische Bewertungen als Ministerpräsident des Saarlands“ stünden der „Unvoreingenommenheit einer juristischen Prüfung“ des Antrags auf Verbot der NPD nicht entgegen, sagt Müller. Der NPD-Anwalt erwidert nichts. Es hat es immerhin versucht.

Peter Richter versucht vor großem Publikum, immerhin sind auch mehrere Ministerpräsidenten gekommen, rauszuholen, was möglich ist. Wie ein Verteidiger in einem Strafprozess lässt er keinen juristischen Kniff aus, um seine Mandantin zu retten. Was ist das für ein Mann, der sein Fachwissen und Können einer Partei zur Verfügung stellt, die intellektuell wenig, sehr wenig sogar zu bieten hat?

NPD-Anwalt Richter trat mit 18 Jahren in die rechtsextreme Partei ein

Der Saarländer ist gerade mal 30 Jahre alt, die kurzen Haare sind schnittig hochgebürstet. Schmale Brille, schmale Lippen, strenger Blick. Richter kommt wie stets korrekt gekleidet, dunkler Anzug, weißes Hemd, Krawatte. Der steife Habitus bricht allerdings auf, wenn Richter redet. Die fast noch jugendliche Stimme kommt schnell ins Stakkato. „Aus meiner Sicht sind die NPD-Politiker die einzigen, die den Eid ernst nehmen, den die Minister und die Bundeskanzlerin geschworen haben, nämlich Schaden vom deutschen Volke abzuwenden, den anderen ist es doch egal, sie wollen das deutsche Volk vorsätzlich zerstören, wenn die die Grenzen öffnen gegen geltendes Recht, wird der Eid gebrochen“, feuert er wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung durchs Telefon.

Der Mann wirkt wie ein Überflieger im Überschwang. Aber warum? Wieso lässt sich ein Jurist, der sein erstes Staatsexamen mit der seltenen Note „sehr gut“ und das zweite mit dem kaum weniger raren „gut“ bestanden hat, auf Extremisten ein? Und hilft ihnen bis hin zu Verfahren beim Bundesverfassungsgericht, ob es gegen Bundespräsident Joachim Gauck geht, als er kurz vor der letzten Bundestagswahl die NPD als „Spinner“ bezeichnet hatte, oder nun um ein Verbot?

Die Antworten im Gespräch mit dem Tagesspiegel sind eine Mixtur aus Sturheit und Spott. „Wie kann die Partei so schlimm sein, wenn jemand wie ich sich da engagiert?“ Kurzes Lachen. „Es gibt durchaus Dinge, die unschön sind, aber ich habe nicht das Gefühl, hier falsch zu sein“. Die NS-Nostalgiker, die Gewaltapostel, die rassistischen Kleingeister – sie irritieren ihn nicht? „Ich sehe mich nicht berufen, im Zuge eines Standesdünkel zu sagen, die sind nicht mein Niveau“, deklamiert Richter, „das sind meine Kameraden, die haben auch ihre Fähigkeiten, der eine als Handwerker, der andere als Wahlkämpfer“. Er gehe den Weg, „den ich für mich als richtig empfinde, auch wenn er nicht unbedingt einträglich ist und nicht der, auf dem man Ruhm erntet“.

Es ist der Weg, den er nun schon seit zwölf Jahre beschreitet. Am 18. Geburtstag trat Richter in die Partei ein. „Das war 2003, wegen des ersten Verbotsverfahrens“, sagt er. Das Verfahren sei im Schulunterricht thematisiert worden, „da gab es viele Worthülsen“. Dann habe er sich das Parteiprogramm durchgelesen und festgestellt, „diese Partei gibt keinen Grund zum Verbieten, die muss man unterstützen!“

Die NPD-Anwälte nutzen das Verfahren, um ihre Partei als smart und clever zu präsentieren

Darin hat er es weit gebracht. Richter vertritt die NPD nicht nur im Verbotsverfahren, er hat als Anwalt auch mehreren Funktionären in Strafverfahren beigestanden. Er stieg in der Parteihierarchie auf, derzeit ist er Vizevorsitzender der saarländischen NPD. Und Beisitzer im Bundesvorstand. Richter bildet da ein Gespann mit dem ebenfalls alert auftretenden Parteichef Frank Franz. Er ist mit seinen 37 Jahren auch vergleichsweise jung und kommt wie Richter aus dem Saarland. Franz hatte sich 2014 bei der Vorstandswahl gegen den Vorsitzenden der saarländischen NPD, Peter Marx durchgesetzt.  Trotz solcher Rivalität ist es weiterhin die Saar-Connection, die den Ruf der Partei als Dumpfbackentruppe durch ein modernes Image ersetzen will. Die Verhandlung in Karlsruhe scheint da für Franz und Richter eine willkommene Gelegenheit zu sein, die NPD als smart und clever zu präsentieren.

Und Richter hat in der Verhandlung einen Mann an seiner Seite, der ebenfalls nicht wie ein Kurzhaarschläger daherkommt. Der Anwalt Michael Andrejewski ist seit einigen Wochen der zweite Prozessbevollmächtigte der Partei, außerdem sitzt er für sie im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Und im Kreistag Vorpommern-Greifswald und, schon seit 2003, in der Stadtvertretung von Anklam. In der kleinen Kommune gibt Andrejewski, Typ nörgeliger Nachbar, den von der NPD gerade im Osten propagierten „Kümmerer“ für die kleinen Leute. Der 56-jährige Badenser ist bekannt für seine Hartz-IV-Sprechstunden, betont volksnah in einer ehemaligen Kaufhalle. Andrejewski kann aber auch brachiale Agitation.

Im Verbotsantrag und einem weiteren Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Bundesrates wird er einschlägig erwähnt. Im Schweriner Landtag nannte Andrejewski die Bundesrepublik „mieser Asozialenstaat“, in Anklam hetzte er als Redner bei einer Demonstration von NPD und Neonazis mit dem Motto „Gegen kinderfeindliche Bonzen – für eine lebenswerte Zukunft in unserer Heimat – Freiheit statt BRD“. In einem Internetvideo behauptete Andrejewski, „Massen von Asylanten“ strömten nach Vorpommern, um Anklam zur „Asylstadt Nummer eins“ zu machen. Und er drohte, das werde nicht hingenommen. Aktionen wie „Kundgebungen und Demonstrationen“ würden folgen. Die Bevollmächtigten des Bundesrates schildern denn auch die Atmosphäre der Angst, die in Anklam herrscht.  Als der Bürgermeister Einzelhändler bat, Plakate mit der Aufschrift „Kein Ort für Neonazis“ in die Schaufenster zu hängen, lehnten die meisten ab. Aus Sorge um ihre Scheiben.

Angesichts des Fanatismus der NPD-Anwälte verwundert es kaum, dass die Prozessbevollmächtigten des Bundesrates, die an der Berliner Humboldt-Universität (HU) lehrenden Professoren Christoph Möllers und Christian Waldhoff, eine vergleichsweise höflich anmutende Kompetenz ausstrahlen. Möllers, 47 Jahre alt, quirlig und eloquent, Mitglied der SPD, hat die Bundesregierung bereits in Karlsruhe in den Verfahren zur Vorratsdatenspeicherung und zum BKA-Gesetz vertreten. Der 50-jährige Waldhoff ist ist seit 2014 Dekan der Juristischen Fakultät der HU, ein hagerer, groß gewachsener Mann, professoral mit einem Anflug angelsächsischer Etikette, Mitglied des katholischen Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem.

Doch Waldhoff war sich nicht zu schade, zu recherchieren, wo es weht tun, in der mecklenburgischen Provinz. Der Ort Jamel ist berüchtigt, Neonazis mit Verbindungen zur NPD haben sich hier breit gemacht, nur wenige stellen sich ihnen entgegen. Waldhoff sprach mit dem verängstigten Bürgermeister und mit dem Ehepaar Lohmeyer, das dem rechtsextremen Mainstream im Dorf trotzt und einen hohen Preis zahlt. Die Lohmeyers werden bedroht, in ihren Garten flog ein Tierkadaver, im Briefkasten lag eine tote Ratte, in die Einfahrt wurde eine Fuhre Mist gekippt. Nur Wochen nach Waldhoffs Besuch brannte die Scheune der Lohmeyers ab. In einem Schriftsatz für das Bundesverfassungsgericht zitieren Waldhoff und Möllers das Paar mit den Worten, es lebe in einer „ständigen Hab-Acht-Stellung“.

Der NPD-Verbotsantrag ist voll mit üblen Geschichten

Der Verbotsantrag und die weiteren Schriftsätze der beiden Prozessbevollmächtigten sind voll mit üblen Geschichten. Möllers und Waldhoff haben systematisch die Ideologie, die Propaganda, die Auftritte der NPD analysiert. Die Kapitel im Verbotsantrag haben Überschriften wie „Die ,Volksgemeinschaft‘ als Basis des politischen Programms“, „Zwischen Relativierung und Leugnung der Verbrechen des Nationalsozialismus“, „Insbesondere: Antisemitismus“, „Relativierung des staatlichen Gewaltmonopols“ und „Rechtswidriges Verhalten führender Parteimitglieder“. Gerade dieses Kapitel dürfte für die NPD in Karlsruhe unangenehm sein. Genannt werden unter anderem der Chef der Landtagsfraktion in Schwerin, Udo Pastörs, der mit acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Leugnung des Holocausts bestraft wurde, Vizeparteichef Karl Richter erhielt ein Urteil wegen Zeigen des Hitlergrußes, ein führender Funktionär in Rheinland-Pfalz wurde bestraft wegen gefährlicher Körperverletzung, nachdem er politische Gegner attackiert hatte.

Möllers und Waldhoff beschreiben die NPD als fast schon kriminelle Vereinigung. Von den Vorstandsmitgliedern der Partei und ihrer Teilorganisationen seien 25 Prozent „rechtskräftig strafrechtlich verurteilt“, heißt es im Verbotsantrag. Mehr als elf Prozent der Vorständler sogar mehrfach.

Dennoch ist am ersten Tag der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe keineswegs schon sicher, dass die NPD demnächst aufgelöst wird. Das Verbotsverfahren sei ein „ebenso scharfes wie zweischneidiges Schwert, das mit Bedacht geführt werden muss“, sagt der Vorsitzende des Zweiten Senats und Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, zu Beginn der Verhandlung. Und er betont, auch für das Bundesverfassungsgericht stelle das Verfahren „eine besondere Herausforderung“ dar. Und Voßkuhle spricht dann sogar von einer „ernsthaften Bewährungsprobe für den freiheitlich demokratischen Verfassungsstaat“.

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