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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Gegen die Richter Peter M. Huber (links) und Peter Müller (2.v.l.) haben die NPD-Anwälte Befangenheitsanträge gestellt.
© dpa
Update

NPD-Verbotsantrag im Newsblog: NPD fordert Verfahrenseinstellung wegen V-Leuten

Unter starken Sicherheitsvorkehrungen hat heute das NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe begonnen. Dabei stellte die NPD gleich zu Beginn Befangenheitsanträge gegen zwei Verfassungsrichter. Die Entwicklungen im Newsblog.

Die NPD fordert Einstellung des Verfahrens. Die NPD hat vor dem Bundesverfassungsgericht eine Einstellung des Verbotsverfahrens wegen Verfahrenshindernissen gefordert. Es gebe keine Beweise dafür, dass die V-Leute der Verfassungsschutzbehörden tatsächlich abgeschaltet worden seien, sagte NPD-Anwalt Peter Richter am Dienstag in Karlsruhe. Bestätigungen der Länder dazu halte er nicht für glaubwürdig. Das erste Verbotsverfahren war 2003 gescheitert, weil V-Leute in den Führungsgremien der NPD mitgearbeitet hatten. (Az. 2 BvB 1/13)
Die NPD stellt Befangenheitsanträge gegen zwei Richter. Die NPD hat zum Auftakt des Verbotsverfahrens gegen die rechtsextreme Partei vor dem Bundesverfassungsgericht zwei Richter des Zweiten Senats als befangen abgelehnt. Die Anträge richten sich gegen den zuständigen Berichterstatter Peter Müller und gegen Richter Peter Huber Huber habe sich in seiner Zeit als thüringischer Innenminister von November 2009 bis November 2010 mehrfach für ein Verbot der NPD ausgesprochen und einen Ausschluss aus der Parteienfinanzierung gefordert, trug NPD-Anwalt Peter Richter zu Beginn der Verhandlung vor. Als Beleg zitierte er aus einer Broschüre, deren Vorwort der CDU-Mann Huber damals verfasst habe.

Müller wiederum habe sich in seiner Zeit als saarländischer CDU-Ministerpräsident von 1999 bis 2011 mehrfach negativ und abwertend über die NPD geäußert. Er habe zwar nicht so offen für ein Verbot plädiert wie Huber, trotzdem gebe es keine Zweifel, dass er die Partei für verfassungsfeindlich halte und sie ablehne. NPD-Anwalt Richter führte außerdem an, dass Müller wie auch Huber in ihren Ämtern direkte Vorgesetzte der Verfassungsschutzbehörden ihrer Länder gewesen seien. In der für das Verfahren entscheidenden Frage der V-Leute könnten sie daher eine Offenlegung der Akten verhindern, um ein Versagen ihrer Behörden zu verheimlichen.

Frank Henkel und Dilek Kolat vertreten Berlin in Karlsruhe. Für Berlin beobachtet heute Integrationssenatorin Dilek Kolat den Prozess, am Donnerstag wird Innensenator Frank Henkel die Hauptstadt vertreten. Die Innenminister und -senatoren der Länder haben verabredet, abwechselnd an allen drei Prozesstagen vor Ort präsent zu sein. Dilek Kolat sagte vor Prozessbeginn: „Es geht auch darum, ob unsere Gesellschaft weltoffen und vielfältig bleibt. Wer wie die NPD unsere Demokratie verachtet und sie zerstören will, der hat sein Privileg als politische Partei verwirkt." Frank Henkel erklärte: „Es ist unsere Aufgabe, alle juristischen Mittel gegen diejenigen auszuschöpfen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen.“

Bundesratspräsident Tillich unterstreicht Notwendigkeit eines Verbots. Die NPD sei eine verfassungsfeindliche, zutiefst aggressive, menschenverachtende Partei, die durch ihr Programm und ihre Handlungen das System infrage stelle, sagte der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich unmittelbar vor Beginn des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Was die Problematik der sogenannte V-Leute angehe, seien Lehren aus dem gescheiterten Verfahren 2003 gezogen worden. „Wir sind gut vorbereitet, die letzten zwei Jahre sind intensiv genutzt worden“, sagte Tillich. Vor 13 Jahren war ein erstes Verfahren geplatzt, weil der Verfassungsschutz bis in die NPD-Spitze hinein Informanten hatte.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) kommt zur mündlichen Verhandlung über ein Verbot der rechtsextremen NPD beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an.
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) kommt zur mündlichen Verhandlung über ein Verbot der rechtsextremen NPD beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an.
© dpa

Bundesjustizminister Maas bezeichnet Verfahren als wegweisend. „Über eines sollten wir uns allerdings sehr klar sein: Das Bundesverfassungsgericht wird uns die Aufgabe des Kampfes gegen Rechts nicht abnehmen - egal wie das Verfahren ausgeht“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in Berlin. Es bleibe eine Daueraufgabe für Politik und Zivilgesellschaft, klare Haltung gegen radikale Hetze zu zeigen. „Denn: Selbst wenn die NPD verboten würde, bedeutet das leider nicht, dass es in Deutschland keine Rechtsextremen mehr gibt.“ Maas bezeichnete es als besorgniserregend, dass die Flüchtlingsdebatte zu einem immer engeren organisatorischen Zusammenschluss rechtsradikaler Gruppierungen führe. Der Anstieg von Straftaten gegen Unterkünfte von Flüchtlingen und Asylbewerbern in den ersten Wochen des Jahres sei dramatisch. „Die alltäglichen Übergriffe sind beschämend für unser Land“, betonte er. „Unsere Botschaft an die Täter muss klar sein: Wir werden alles dafür tun, damit Ihr nicht ungestraft davon kommt. Wir werden unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat mit aller Entschlossenheit verteidigen.“

Gerichtspräsident Voßkuhle eröffnet die Verhandlung: Um 10 Uhr betreten die Richter des Zweiten Senats den Saal in Karlsruhe. Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle eröffnet die Verhandlung, indem er die Geschichte von Parteiverbotsverfahren in der Bundesrepublik rekapituliert und auf das erste, gescheiterte Verfahren gegen die NPD aus dem Jahr 2003 eingeht. Zudem referiert er die rechtlichen Anforderungen an ein Parteiverbot. Das Verfahren sei auch für das Gericht eine "besondere Herausforderung" und stelle "eine ernsthafte Bewährungsprobe für den freiheitlich-demokratischen Verfassungsstaat" dar. Dann stellt er die Anwesenheit der Beteiligten fest - darunter mehrere Ministerpräsidenten und Innenminister.

Andreas Voßkuhle, eröffnet die mündliche Verhandlung zum NPD-Verbotsverfahren. Rechts Richter Herbert Landau.
Andreas Voßkuhle, eröffnet die mündliche Verhandlung zum NPD-Verbotsverfahren. Rechts Richter Herbert Landau.
© Uli Deck/dpa

Minister Caffier ist "angespannt": Ab halb neun kommen die ersten Verfahrensbeteiligten. Er sei „angespannt“, sagt Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU), „ wenn man zehn Jahre darauf hingearbeitet hat…“ Caffier hat so hartnäckig wie kaum ein anderer Politiker auf ein Verbot der Partei gedrungen, seit seinem Amtsantritt 2006. Im selben Jahr war die NPD in den Schweriner Landtag eingezogen. „Ich hoffe, dass es nicht irgendeinen Formfehler gibt“, sagt Caffier, dann verteidigt er nochmal den Verbotsantrag: „Das war die wichtige Entscheidung, um zumindest eine Grundsatzentscheidung zu fällen.“

Die NPD-Leute tröpfeln ebenfalls herein und geben sich selbstbewusst bis sarkastisch. „Es geht um Tod oder Leben, aber das Wetter ist ein gutes Zeichen für uns“, sagt Udo Voigt, Ex-Parteichef und Europaabgeordneter der Partei. Draußen scheint die Sonne. Dann wird Voigts Stimme jedoch schneidend kalt, „der Antrag ist absurd, das werden wir im Laufe des Verfahrens sehen“. Und es sei „kein Zufall, dass die NPD gerade jetzt verboten werden soll, wo Millionen von Ausländern nach Deutschland kommen“. Viele Deutsche würden so denken wie die NPD, behauptet Voigt, „es ist für Deutschland relevant, ob es die NPD gibt oder nicht“. Dass die Partei bei der letzten Bundestagswahl gerade mal die Ein-Prozent-Marke überwunden hat, erwähnt er nicht.

NPD "auch in 50 Jahren noch da": Mit stählerner Höflichkeit antwortet auch der NPD-Vorsitzende Frank Franz den Journalisten. Der 37-Jährige erscheint wie aus dem Ei gepellt im dunkelblauen Anzug mit hellblauem Hemd und grüner Krawatte. „Wir sind relativ gelassen, wir nehmen das Verfahren ernst, aber wir sehen keine Gefahr, verboten zu werden“, sagt er. Auch Franz erwähnt den Flüchtlingszustrom, „auf der politischen Bühne tritt das ein, wovor die NPD seit Jahren warnt“. Er reckt den Kopf, „ich prophezeie, dass die NPD auch in 50 Jahren noch da sein wird“. Im vergangenen November wurde sie 51.

Alles schaut auf den NPD-Bevollmächtigten: Der „Star“ ist allerdings Peter Richter. Die Kameraleute stürzen sich auf den 30-jährigen Prozessbevollmächtigten, er lächelt knapp. „Ich denke nicht, dass das Verfahren der NPD schadet, ganz im Gegenteil, es nützt uns bei den Landtagswahlen“, sagt er. Dass die Prognosen für die NPD bei den Wahlen am 13. März in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und auch in Sachsen-Anhalt eher ungünstig sind, kommt nicht zur Sprache. Vielmehr macht Richter wie schon früher deutlich, dass er das Bundesverfassungsgericht als Bühne nutzen will. „Wenn man uns diese Plattform hier hinstellt, werden wir sie nutzen“. Ein Journalist fragt, was er zum Vorwurf des Bundesrates sagt, die NPD sei verfassungswidrig. „Es kommt nicht darauf an, was der Bundesrat behauptet, sondern was bewiesen werden kann“, doziert Richter. „Wir“ – er dehnt das Wort – „müssen nicht beweisen, dass wir nicht verfassungswidrig sind. Sondern der Bundesrat muss beweisen, dass wir“ – wieder gedehnt – „verfassungswidrig sind“. Dann bahnt er sich den Weg durch die Menge.

Große Sicherheitsvorkehrungen: Die Kulisse erinnert an einen Terrorprozess. Vor dem Gebäude des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe patrouillieren Beamte der Bundespolizei mit Schäferhunden, reihenweise stehen Übertragungswagen von Fernsehsendern auf den Wegen. Die Teilnehmer des Verfahrens, die Journalisten und die Zuschauer müssen erstmal einen Kontrollpunkt passieren.

Wer dort ankommt, muss seinen Ausweis zeigen, dann checken Polizisten den Namen auf der Liste der angemeldeten Personen. Anschließend wird ein Gerichtsausweis mit aufgestempeltem Bundesadler vergeben. „Bitte sichtbar tragen“, sagt ein Bundespolizist. Nichts wird dem Zufall überlassen. Kein Passant kann mal eben so beim NPD-Verbotsverfahren reinschauen.

Das Archivfoto aus dem Jahr 2002 zeigt einen Aktenordner im Bundesverfassungsggericht in Karlsruhe beim ersten NPD-Verbotsverfahren. Am Dienstag startet in Karlsruhe der nächste Versuch, die NPD zu verbieten.
Das Archivfoto aus dem Jahr 2002 zeigt einen Aktenordner im Bundesverfassungsggericht in Karlsruhe beim ersten NPD-Verbotsverfahren. Am Dienstag startet in Karlsruhe der nächste Versuch, die NPD zu verbieten.
© dpa

Im Eingang zu dem elegant-nüchtern Flachbau nahe dem Karlsruher Schloss stehen Sicherheitsschleusen. Taschen werden durchleuchtet, die Ankommenden müssen durch die türrahmenartigen Schleusen, dann wird noch einmal der Name auf einer Liste gesucht. Es ist acht Uhr, außer einer Handvoll Journalisten ist dann diesem historischen Tag allerdings noch keine anderen Besucher zu sehen. Die Vertreter des Bundesrates und die NPD-Leute auch nicht. Die rechtsextreme Partei hat allerdings schon nahe dem
Bundesverfassungsgericht Duftmarken gesetzt. An Laternenmasten prangen Plakate mit der Parole „Wir bleiben!“ Darunter steht, „Deutschland lässt sich nicht verbieten“. Ein Anflug von Größenwahn. Als wenn die NPD Deutschland wäre.

Die Plakate lassen schon ahnen, was in dieser Woche an den drei Tagen der mündlichen Verhandlung zu erwarten ist. Dass die Partei und ihre Prozessbevollmächtigten, die Anwälte Peter Richter und Michael Andrejewski, kleinlaut zuhören werden, wie die Vertreter des Bundesrates, die Berliner Rechtswissenschaftler Christoph Möllers und Christian Waldhoff, die Verfassungswidrigkeit der Partei begründen, ist ganz und gar nicht zu erwarten. Auch nicht, dass sich die Rechtsextremen, insgesamt haben sich 31 Männer und Frauen angekündigt, von der Politprominenz beeindrucken lassen.

Stanislaw Tillich kommt als Präsident des Bundesrates: Mehrere Ministerpräsidenten wollen kommen, darunter Stanislaw Tillich, derzeit Präsident des Bundesrates. Angemeldet sind auch zehn Länderinnenminister, die Chefs der 16 Länderbehörden für Verfassungsschutz mit mindestens je einem Mitarbeiter sowie der Präsident des Bundesamtes samt Anhang. Und Vertreter der Polizeibehörden jedes Landes.

Die Repräsentanten der Sicherheitsbehörden sollen sich äußern, falls die NPD behauptet, ihre Vorstände würden weiterhin überwacht, unter anderem über V-Leute. Obwohl die Innenminister schriftlich bezeugt haben, elf Spitzel seien abgeschaltet worden und seit dem 6. Dezember 2012 gebe es keinen einzigen mehr in den Führungsebenen der Partei.

NPD-Anwalt Richter hat schon deutlich gemacht, dass er das nicht glaubt. Von heute an muss er belegen, welche Karten er in der Hand hat. Alles andere wäre ein Bluff. In dem Fall könnte der zweite Senat des Bundesverfassungsgericht zu den ideologischen Inhalten und den Umtrieben der NPD kommen, die im Antrag des Bundesrates beschrieben werden. Bis hin zur „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“. (mit Agenturen)

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