Druck aus der Union wächst: Norbert Röttgen lässt seine Zukunft offen
Norbert Röttgen gerät unter Druck. Die ersten Unionspolitiker fordern ein klares Bekenntnis für Nordrhein-Westfalen vom CDU-Spitzenkandidaten. Doch der will sich nicht festlegen. Fest steht aber, wann gewählt wird: am 13. Mai.
Eines ist immerhin nun klar: Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen findet am 13. Mai statt. Dies beschloss die Landesregierung am Freitag in Düsseldorf. Mit diesem spätmöglichsten Wahltermin werde die von der Verfassung vorgegebene Frist für Neuwahlen ausgeschöpft, erklärte Innenminister Ralf Jäger (SPD). Es liege im Interesse der Parteien, Wahlbewerber und Wahlbehörden, ausreichend Zeit für Abstimmungen und organisatorische Vorbereitungen zu erhalten.
Völlig offen ist dagegen noch, wie es mit Norbert Röttgen, dem Spitzenkandidaten der NRW-CDU weitergeht, falls er nicht Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen wird. Er selbst lässt seine Zukunft im Fall einer Wahlniederlage weiter offen. "Ich mache keinen Wahlkampf für Eventualitäten oder für Hypothesen", sagte der Bundesumweltminister am Freitag in Bonn. Er habe eine „ausschließliche Orientierung“, in Nordrhein-Westfalen zu gewinnen. "Es ist wichtig, sich klar an einem Sieg zu orientieren." Röttgen gab zugleich bekannt, dass er bei der Landtagswahl als Direktkandidat im Wahlkreis Bonn I antreten werde. "Ich bin geografisch, emotional und politisch hier zuhause“, sagte er. Röttgen wohnt im Rhein-Sieg-Kreis, wenige Kilometer von Bonn entfernt.
Doch aus den eigenen Reihen bekommt er immer mehr Druck, sich ganz für Nordrhein-Westfalen zu entscheiden. Vor allem CSU-Chef Horst Seehofer geht in die Offensive. Er hat den nordrhein-westfälischen Spitzenkandidaten und Bundesumweltminister Norbert Röttgen aufgefordert, auch im Falle einer Wahlniederlage in Düsseldorf zu bleiben. "Wenn ich mich einer Aufgabe verschreibe, dann ohne Rückfahrkarte", sagte Seehofer der „Süddeutschen Zeitung“. Röttgen hat sich bisher nicht festgelegt, ob er auch als Oppositionsführer nach Nordrhein-Westfalen gehen würde. "Ich bin der Meinung - voll für NRW", sagte der CSU-Chef weiter. Er selbst habe in seiner politischen Karriere ebenfalls Sicherheiten aufgeben müssen, das gehöre nach seinem Verständnis dazu. Seehofer war im unionsinternen Streit um die Gesundheitspolitik im Jahr 2004 als Vizefraktionschef zurückgetreten und hatte den Vorsitz des Sozialverbandes VdK Bayern übernommen.
Auch von anderer Seite in der Union kommt Kritik. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer, meinte: "Eine Chance, in Nordrhein-Westfalen zu gewinnen, hat nur ein Kandidat, der sich ganz und gar der Sache verschreibt." Und der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Willi Zaylajew sagte der "Bild"-Zeitung: "Ein Ministerpräsidentenkandidat macht nach der Wahl in NRW weiter - unabhängig vom Ausgang." Auch der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), rief Röttgen auf, sich die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner zum Vorbild zu nehmen. Klöckner habe gezeigt, „dass es sich lohnt, sich voll auf ein Land zu konzentrieren“, sagte Fuchs der „Saarbrücker Zeitung“. Klöckner hatte als CDU-Spitzenkandidatin ihr Amt der parlamentarischen Staatssekretärin in Berlin aufgegeben und war im vergangenen Jahr ganz nach Mainz gewechselt. Andere in der Union wollen sich nicht öffentlich äußern, auch weil es die persönliche Entscheidung Röttgens sei. Aber in der Tendenz sind die viele dafür, dass sich Röttgen klar für NRW ausspricht. Die Parteivorsitzende selbst will ebenfalls keine öffentlichen Ratschläge erteilen. Röttgen sei Spitzenkandidat der CDU in Nordrhein-Westfalen, sagte die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag in München und fügte lediglich hinzu: "Wie er diese Rolle am allerbesten ausfüllen kann, werde ich mit ihm selber besprechen."
Christian Lindner geht in die Offensive
So paradox es klingen mag, aber auch die Personalie Christian Lindner könnte den Druck auf Röttgen erhöhen. Denn dort hat Daniel Bahr sich eindeutig für Berlin und sein Amt als Bundesgesundheitsminister entschieden. Damit ist auch Röttgen stärker unter Zugzwang sich klar zu bekennen - in die eine oder andere Richtung. Statt Bahr wird nun also Christian Lindner Spitzenkandidat der im Umfragetief steckenden Liberalen. Aber nicht nur das: Der Ex-Generalsekretär übernimmt auch den Landesvorsitz von Bahr. Damit manövriert sich Lindner auch in der Machtarithmetik der Liberalen in eine offensive Position. Als Vorsitzender des größten Landesverbandes der Liberalen wird sein bundespolitischer Einfluss wieder wachsen. Schafft er es, die Liberalen doch noch über die Fünf-Prozent-Hürde in Düsseldorf zu hieven, wird er seine Ansprüche auf die Führung der Gesamtpartei sicher nur schwer verstecken können. Scheitert er allerdings, wird eine Rückkehr Lindners auf die bundespolitische Bühne schwer. Lindner aber wird sich damit trösten, dass in diesem Fall ohnehin völlig unklar ist, wie es mit den Liberalen weitergehen wird. Rainer Brüderle, der Fraktionschef der Liberalen, liebäugelt ohnehin seit Langem damit, den erfolglosen Parteichef Philipp Rösler abzulösen. Über den Einstieg von Christian Lindner freut er sich offensichtlich: "Ich beglückwünsche Christian Lindner. Das ist eine gute Entscheidung - auch für die Bundespartei."
Rösler selbst ist "froh und dankbar", dass der frühere Generalsekretär Christian Lindner die Spitzenkandidatur im nordrhein-westfälischen Wahlkampf übernimmt. Es sei eine Frage der Glaubwürdigkeit, einen Kandidaten ins Rennen zu schicken, der klar für das Land Nordrhein-Westfalen stehe, sagte Rösler am Freitag im "Morgenmagazin" der ARD. Rösler betonte zugleich, dass es bei der Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland auch um die Zukunft der FDP gehe. "Jedem ist klar, es geht hier um Nordrhein-Westfalen, aber es geht auch um die Frage: Wird es in Zukunft eine liberale Partei geben?" Deswegen müssten "alle an Bord sein" und sich einsetzen für Wachstum, für wirtschaftliche Vernunft und für gesellschaftliche Freiheit. Rösler zeigte sich insgesamt zuversichtlich mit Blick auf die anstehenden drei Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Schleswig-Holstein. "Die Wahrscheinlichkeiten sind unheimlich groß, dass wir in allen drei Landtagswahlen sehr erfolgreich sein werden", sagte der FDP-Chef. Es wird spannend zu beobachten sein, wie das Zusammenspiel zwischen FDP-Chef und Ex-Generalsekretär ablaufen wird. Immerhin sollen sich Christian Lindner und Philipp Rösler überworfen haben, was ein Grund für Lindners Rücktritt gewesen sein soll. Die ersten Eindrücke deuten schon an, dass Rösler um seine Macht kämpfen muss. Denn derzeit hört er sich eher an, als sei er nur noch der Generalsekretär und nicht mehr Chef-Liberaler.
Die Aufgabe für die beiden schwarz-gelben Kandidaten Röttgen und Lindner wird aber schwer. Denn nachdem bereits Infratest dimap für Rot-Grün einen klaren Vorsprung erhoben hat, bestätigt nun auch die Forschungsgruppe Wahlen diesen Trend. Laut dem ZDF-Politbarometer würde die SPD derzeit auf 37 Prozent kommen. Die Grünen liegen demnach bei 13 Prozent. Die CDU erreicht in der Politbarometer-Projektion 34 Prozent. Die FDP würde mit zwei Prozent klar den Wiedereinzug in den Landtag verpassen. Auch die Linken würden mit vier Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Die Piratenpartei kommt dagegen in der Umfrage auf sechs Prozent und würde damit erstmals in den Düsseldorfer Landtag einziehen.
Im direkten Vergleich schneidet Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) deutlich besser als ihr CDU-Herausforderer Norbert Röttgen ab. Bei der Frage, wen man lieber als Ministerpräsidentin oder Ministerpräsident hätte, kommt Kraft auf 54 Prozent. Für Bundesumweltminister Röttgen würden sich nur 30 Prozent entscheiden. Fast drei Viertel aller Befragten (71 Prozent) finden es gut, dass es zu vorgezogenen Neuwahlen in NRW kommt. Lediglich jeder Fünfte (21 Prozent) findet dies nicht gut. Nach nicht mal zwei Jahren war die rot-grüne Minderheitsregierung Krafts am Mittwoch gescheitert, weil die Opposition im Landtag den Haushaltsplan abgelehnt hatte. Nach der Auflösung des Landtags noch am selben Tag muss nun spätestens am 13. Mai neu gewählt werden. (Mit AFP)