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Haben sich nichts mehr zu sagen: Finanzminister Lapid (l.) und Regierungschef Netanjahu.
© dpa
Update

Regierungskrise in Israel: Neuwahlen am 17. März nach heftigem Streit

Gestritten wurde von Anfang an, und das heftig. Jetzt ist die Koalition in Jerusalem auseinandergebrochen. Premier Netanjahu entließ zwei wichtige Minister. Die Neuwahlen finden am 17. März statt. Womöglich steht Israel vor einem Rechtsruck.

In Israel werden am 17. März des kommenden Jahres vorgezogene Neuwahlen stattfinden. Auf diesen Termin hätten sich die Parlamentsfraktionen am Mittwoch geeinigt, sagte der Knesset-Sprecher Eran Sidis der Nachrichtenagentur AFP. Am Dienstag hatte sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für Neuwahlen ausgesprochen und Minister aus zwei liberalen Parteien entlassen, die zusammen mit drei rechtsgerichteten Fraktionen die Regierungskoalition bildeten.

Die israelische Regierung ist nach gerade 20 Monaten am Ende. In der Nacht zum Dienstag war die Koalition in Jerusalem nach langem Streit zerbrochen. Premier Benjamin Netanjahu vom konservativen Likud-Block und Finanzminister Yair Lapid von der eher liberalen Yesch-Atid-Partei hatten sich in einer Notsitzung nicht über eine Fortsetzung der Koalition einigen können. Am Dienstagabend entließ Netanjahu dann den Finanzminister sowie Justizministerin Zipi Livni. Der Premier sprach sich für Neuwahlen aus. Am Mittwoch wird die Parlamentsauflösung eingeleitet. Da danach mindestens eine dreimonatige Frist bis zu vorzeitigen Neuwahlen vergehen muss, rechnen politische Beobachter mit einem Wahltermin im März.

Lapid bezeichnete den Premier nach dem nächtlichen Gespräch als rücksichtslos. Netanjahu wiederum erklärte, die Regierungsarbeit werde von den eigenen Ministern untergraben. Nun muss die Knesset, das israelische Parlament, noch Neuwahlen zustimmen. Das allerdings gilt als wahrscheinlich, weil Netanjahu kaum einen neuen Koalitionspartner finden wird, um die Yesch-Atid-Abgeordneten zu ersetzen. Israelische Medien zitierten Finanzminister Lapid mit vorsichtigen Einwänden gegen Neuwahlen: Sie "paralysieren die Wirtschaft", sagte Lapid, notwendige Sozialprogramme würden aufgeschoben.

Die seit den Wahlen 2013 regierende Koalition besteht aus vier, eigentlich sogar fünf unterschiedlichen Parteien: Die Likud-Konservativen, deren Fraktion sich auch die Partei von Außenminister Avigdor Lieberman angeschlossen hat, stritten sich immer wieder mit den Yesch-Atid-Liberalen. Die nationalistische Siedlerpartei "Jüdisches Heim", die einen eigenen Palästinenserstaat ablehnt, hatte wenig mit der von Justizministerin Zipi Livni geführten Hatnuah gemeinsam, die auf Friedensverhandlungen drängte.

Wie jüdisch soll Israel sein?

Hintergrund der Regierungskrise sind einige der Dauer-Streitthemen in der israelischen Politik: Wie geht man mit radikalen Siedlern um? Wieviel Einfluss dürfen Ultra-Orthodoxe bekommen? Und was darf Frieden mit den Palästinensern kosten? In den vergangen Tagen hatten sich die Regierungsparteien vor allem um das geplante Nationalstaatsgesetz gestritten, mit dem Israel zu einem explizit jüdischen Land erklärt werden soll. Arabisch wäre als zweite Amtssprache wohl abgeschafft worden, trotz 1,6 Millionen israelischer Staatsbürger palästinensischer Herkunft. Das sind 20 Prozent der Bevölkerung.

Zum Bruch der Koalition hat aber auch der Vorstoß des säkularen Finanzministers Lapid beigetragen, ultraorthodoxe Juden zum Wehrdienst zu verpflichten. Religiöse Juden müssen aus Glaubensgründen nicht in der Armee dienen, was seit Jahren in säkular-liberalen Hochburgen wie Tel Aviv kritisiert wird. Männer werden in Israel sonst drei, Frauen zwei Jahre eingezogen.

Netanjahu hatte aber immer die Nähe zu den Religiösen gesucht. Ihre Parteien hätten ihn in künftigen Koalitionen unterstützen sollen, weshalb Netanjahu es nun auf einen Bruch mit den Liberalen hat ankommen lassen.

Vor einem Rechtsruck

Den meisten Umfragen zufolge steht Israel vor einem Rechtsruck. Bei den nächsten Wahlen, vermutlich im Frühjahr 2015, dürften die Siedlerpartei und die Religiösen zulegen. Vor allem der bisherige, nationalistisch gesinnte Wirtschaftsminister Naftali Bennett könnte von Neuwahlen profitieren. Der smarte, eloquente Selfmade-Millionär hält nichts von einer Friedenregelung mit den Palästinensern, eine Zwei-Staaten-Lösung lehnt der 42-Jährige ab, Machmud Abbas hält er für einen Terroristen. In Israel findet diese Haltung derzeit durchaus Zustimmung. Das könnte sich für Bennetts Partei "Jüdisches Heim" auszahlen.

Über die sozialdemokratische Arbeitspartei, jahrzehntelang das Fundament der israelischen Politik, redet derzeit kaum jemand. Sie bekäme wohl nur rund 20 Prozent der Stimmen. Beobachter gehen ohnehin davon aus, dass keine Partei in der Knesset über eine ausreichende Mehrheit verfügen wird. Die Bildung einer regierungsfähigen Koalition könnte dementsprechend schwierig werden. Doch damit kennt sich Netanjahu aus. Er gilt - auch wenn seine Koalition jetzt gescheitert ist - als geschickter Machttaktiker. Schließlich verfügt der Noch-Premier verfügt über ausreichend politische Erfahrung. Und das hat er vielen seiner Konkurrenten voraus. (Mitarbeit: Christian Böhme)

Hannes Heine

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