Krieg in Syrien: Neue Kämpfe mit alter Härte
Nach der Waffenruhe sind die Kämpfe in ganz Syrien neu entbrannt. Die UN wollen trotz des Angriffs auf einen ihrer Konvois die Hilfe wieder aufnehmen. Assads Armee startete in Aleppo eine neue Offensive.
Während Diplomaten in New York versuchen, den eigentlich schon gescheiterten Waffenstillstand für Syrien noch irgendwie zu retten, ist die Gewalt mit voller Härte wieder ins Bürgerkriegsland zurückgekehrt. Vor allem in Aleppo machte sich das dramatisch bemerkbar. Rebellen und der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge werden seit der Nacht zu Donnerstag die seit Monaten heftigsten Angriffe gegen die nordsyrische Stadt geflogen.
Dabei sind nach Angaben von Aktivisten auch Brandbomben zum Einsatz gekommen. "Es gab keine Waffe, die sie nicht genutzt haben", sagte der in der Türkei ansässige Chef des politischen Arms der Rebellengruppe Fastakim. Dutzende Menschen seien dabei ums Leben gekommen. Die Aufständischen reagierten mit Mörsergranatenbeschuss auf Bezirke, die vom Regime kontrolliert werden. Damaskus hatte am Sonntagabend erklärt, man werde die von Russland und den USA ausgehandelte – allerdings von Anfang an brüchige – Feuerpause nicht verlängern.
Die syrische Armee rief am Donnerstagabend eine neue Offensive gegen Rebellen in der Metropole Aleppo aus. Zivilisten im Osten der Stadt sollten Orte vermeiden, an denen sich "Terroristen" aufhielten, berichteten staatliche Medien unter Berufung auf das Militär. Es würden Fluchtkorridore offengelassen, die auch die Aufständischen nutzen könnten. Ob zu der Offensive ein Angriff mit Bodentruppen gehört, wurde zunächst nicht bekannt. Die syrische Regierung bezeichnet auch Rebellen als Terroristen.
Neue Konvois von Fall zu Fall
Auch in anderen Teilen des Landes wird seitdem zum Teil heftig gekämpft. So zum Beispiel in der einstigen Rebellenhochburg Homs. "Die Lage generell ist desaströs", sagte Petra Becker, Syrienexpertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. In der Stadt Madaya, die Anfang des Jahres in den Schlagzeilen war, drohten erneut Menschen zu verhungern. Im Damaszener Vorort Maadamiyeh, wohin die UN vor einigen Tagen nach langen Verhandlungen einen Konvoi schicken durfte, wurden die Hilfsgüter vom syrischen Armeecheckpoint unbrauchbar gemacht, indem man die Lebensmittel mit den Reinigungsmitteln mischte. "Die Vereinten Nationen werden vor aller Augen vom syrischen Regime und Russland an der Nase herumgeführt", sagte Becker.
Dennoch wollen die Vereinten Nationen ihre Unterstützung für die notleidende Bevölkerung nun wieder aufnehmen. Noch am Donnerstag sollten sich Lkw auf den Weg in belagerte Gebiete in der Nähe der Hauptstadt Damaskus machen. "Wir haben die Hilfslieferungen auf Basis der humanitären Notwendigkeit wieder aufgenommen", erklärte das UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten. Ob in den kommenden Tagen weitere Konvois entsandt werden, müsse man dann von Fall zu Fall entscheiden.
UN: Das war ein Kriegsverbrechen
Nahe der Stadt Aleppo waren Anfang der Woche bei einem offenbar gezielten Angriff auf Trucks der UN mehr als 20 Menschen getötet worden. Mindestens 18 der 31 Fahrzeuge, die unter anderem Lebensmittel, Wasser und Medikamente für knapp 80.000 Menschen transportierten, wurden bei dem Bombardement vollständig zerstört. Daraufhin hatten die Vereinten Nationen ihre Hilfe für Syrien vorübergehend eingestellt. Sollte der Angriff mit Vorsatz geführt worden sein, "dann war das ein Kriegsverbrechen", sagte der Chef des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten, Stephen O’Brien.
Ungeklärt ist bisher, wer für die Attacke verantwortlich ist. Die Regierung in Washington macht nach wie vor Moskau verantwortlich. Nach einer vorläufigen Einschätzung gehen die USA davon aus, dass russische Kampfflugzeuge den Konvoi angegriffen haben. Das Außenministerium in Moskau weist diese Vorwürfe empört zurück. Für derartige Anschuldigungen gebe es keinerlei Beweise. Russland verweist vielmehr auf Videoaufzeichnungen. Diese zeigten, dass Terroristen mit einem Lastwagen den Konvoi begleiten würden. "Auf dem Fahrzeug steht ein großkalibriger Granatwerfer", sagte Generalmajor Igor Konaschenkow.
"In einem Paralleluniversum"
Trotz ihres Streits wollen die USA und Russland beraten, wie es in Syrien weitergehen kann und soll. Von dem Projekt einer Waffenruhe für das ganze Land hat man sich offenbar noch nicht endgültig verabschiedet. Am Rande der UN-Vollversammlung in New York kam deshalb am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) die Syrien-Unterstützergruppe zusammen. Doch ob das zu einem Erfolg führt, ist sehr fraglich. Moskau und Washington liegen Beobachtern zufolge zu weit auseinander. Ein Satz von US-Außenminister John Kerry macht dies deutlich. Wenn er seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zuhöre, wähne er sich "in einem Paralleluniversum". (mit dpa)