Krieg in Syrien: Ende der Waffenruhe: Vorteil Assad
Die Feuerpause im Bürgerkriegsland steht nach wenigen Tagen vor dem Aus - auch weil die USA und Russland einander misstrauen. Die Syrer sind die Leidtragenden. Und Assad der Profiteur. Ein Kommentar.
Wenn von einem Waffenstillstand in Syrien die Rede ist, neigt man im kuscheligen Europa immer noch dazu, ein Ende des Krieges gleich mitzudenken. Mögen diese Schreckensmeldungen bloß bald aufhören! Mögen die vielen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren!
Doch jeder noch so diffuse Hoffnungsschimmer hat sich bisher als fatales Trugbild erwiesen. Jetzt hat Assads Armee die Waffenruhe aufgekündigt. Denn die Realitäten sind andere. Keine der inzwischen unübersichtlich vielen Konfliktparteien glaubt ernsthaft an eine gewaltfreie Lösung. Gewalt dominiert ihr Denken, es wird mit Bomben und Maschinengewehren argumentiert. Und niemand lässt sich hineinreden, geschweige denn kontrollieren. Das Leid der Millionen Menschen, die tagtäglich um ihr Leben fürchten müssen, interessiert ohnehin keinen.
Keiner traut dem anderen über den Weg
Jede noch so vermeintlich ausgefeilte diplomatische Offensive ist damit zum Scheitern verurteilt. Auch der jüngste Deal zwischen den USA und Russland stand von Anfang an auf tönernen Füßen. Denn die wichtigste Voraussetzung für einen gemeinsamen Friedensversuch fehlt: Einigkeit, wie eine politische Lösung aussehen könnte.
Vielmehr liegen Moskau und Washington über Kreuz, keiner traut dem anderen über den Weg. Und der wohl versehentliche US-Angriff auf Stellungen der syrischen Armee war der Stimmung auch nicht gerade zuträglich. Allerdings kann Russland wesentlich machtvoller das Geschehen bestimmen. Von Wladimir Putins Wohlwollen hängt alles ab. Das weiß der Kremlchef – und nutzt die Lage eiskalt für seine Zwecke.
Die jüngste Vereinbarung von Genf war auf jeden Fall ein klarer Sieg für Moskau. Denn die USA willigten ein, zusammen mit russischen Kampfjets gegen die Dschihadisten der früheren Nusrafront und des „Islamischen Staates“ vorzugehen. Womöglich kommt dieses Bündnis zwar jetzt gar nicht zustande, aber für alle nichtislamistischen Gegner von Machthaber Baschar al Assad steht endgültig fest: Von den Verantwortlichen in Washington ist keine Unterstützung mehr zu erwarten. Und sie sollen mit der Nusrafront brechen und so ihren wichtigsten Verbündeten preisgeben. Das käme einem militärischen Selbstmord gleich.
Der Profiteur? Baschar al Assad
Kein Wunder, dass die syrische Opposition den USA Verrat vorwirft. Die Waffenruhe war für sie nichts anderes als eine große Lüge. Weil von ihr nur einer profitiere – Assad. Mit dieser Einschätzung liegen dessen Gegner richtig. Der syrische Diktator kann sich beruhigt zurücklehnen und zuschauen, wie Moskau und Washington gegen seine Feinde vorgehen.
Und die Syrer in Aleppo, Idlib oder Homs? Sie haben nicht mehr bekommen als ein paar Tage Verschnaufpause. Das ist beschämend. Ihr Elend findet auf absehbare Zeit kein Ende. Europa wird das zu spüren bekommen.