Reform des Bundesnachrichtendienstes: Neue Grenzen für deutsche Spione
Die große Koalition will mit zwei neuen Gesetzen den Bundesnachrichtendienst reformieren. Was dürfen die deutschen Spione künftig – und was nicht? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Die große Koalition will noch in dieser Legislaturperiode die Reform des Bundesnachrichtendienstes (BND) abschließen. Dazu erarbeitet das Kanzleramt einen Gesetzentwurf, er ist weitgehend fertiggestellt. Außerdem soll die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, also auch des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Militärischen Abschirmdienstes, verstärkt werden. Hierzu gibt es einen Gesetzentwurf der Fraktionen von Union und SPD, der ebenfalls weit gediehen ist. Dem Tagesspiegel sind die Eckpunkte der Papiere bekannt.
Was darf der BND in der EU?
Der Nachrichtendienst sieht sich seit Langem mit Vorwürfen konfrontiert. In Politik und Medien wurde unter anderem scharf kritisiert, dass die Behörde auch in europäischen Nachbarstaaten spionierte und sogar einen für die EU tätigen deutschen Diplomaten belauschte. Das Kanzleramt reglementiert nun in seinem Entwurf für ein „Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes“ die Aktivitäten innerhalb der EU. Demnach darf der BND künftig eine „gezielte Erfassung“ unter anderem von Einrichtungen der EU und öffentlichen Stellen ihrer Mitgliedsstaaten nur betreiben, wenn die Bundesregierung zustimmt – oder zumindest das Kanzleramt gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt und den Ministerien für Inneres, Verteidigung und Wirtschaft.
Der Aktionsradius wird zudem begrenzt auf konkrete Gefahren, denen sich die Bundesrepublik ausgesetzt sieht. Der BND darf in der EU aufklären, wenn ein bewaffneter Angriff auf Deutschland droht, ein terroristischer Anschlag oder die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Auch bei organisierter Kriminalität, den Machenschaften von Schleuserbanden sowie beim Risiko eines massiven Cyberangriffs darf sich der BND einschalten. Und wenn Bürger der EU des Hochverrats verdächtig sind. Der BND kann also nicht ohne konkreten Anlass in der EU agieren.
Was noch wird dem BND untersagt?
Im Inland ist für ihn die Überwachung der Telekommunikation deutscher Staatsbürger wie auch aller anderen „sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen“ unzulässig. Und Wirtschaftsspionage ist laut Entwurf ebenfalls überall für den BND tabu. Das ist denn auch einer der deutlichen Unterschiede zur Arbeit anderer Geheimdienste, beispielsweise derjenigen Russlands und Chinas.
Wie sieht die Kontrolle des BND aus?
Sie soll über die zuständigen parlamentarischen Instanzen hinaus um ein „Unabhängiges Richtergremium“ ergänzt werden. In ihm sitzen zwei Richter des Bundesgerichtshofs und ein Vertreter der Bundesanwaltschaft. Die Juristen werden vom Kanzleramt informiert über die von ihm getroffenen Anordnungen zur Fernmeldeaufklärung des BND im Ausland. Das Richtergremium darf „stichprobenartig“ kontrollieren, ob der Nachrichtendienst gesetzliche Vorgaben einhält.
Wie wird generell die vom Bundestag ausgeübte Kontrolle gestärkt?
Die Fraktionen von Union und SPD wollen dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) einen Experten zur Seite stellen, entweder einen Juristen oder einen Verwaltungsfachmann. Das PKGr werde „durch regelmäßige und einzelfallbezogene Untersuchungen eines Ständigen Bevollmächtigten“ unterstützt, heißt es im Entwurf zum „Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes“. Der Bevollmächtigte (von einer Frau ist im Entwurf nicht die Rede) soll vom Präsidenten des Bundestages für fünf Jahre ernannt werden. Eine „einmalige Wiederernennung“ ist laut Entwurf möglich. So dürfte die Bedeutung des Experten wachsen. Angesichts einer Amtsdauer von bis zu einer Dekade könnte der Bevollmächtigte im Laufe der Jahre über weit mehr Erfahrung im Umgang mit den Nachrichtendiensten verfügen als mancher Abgeordneter, der nach vier Jahren wegen einer verlorenen Wahl den Bundestag verlassen muss.
Das Gesetz soll zudem den sogenannten Whistleblowern mehr Schutz bieten. Bislang müssen Mitarbeiter der Nachrichtendienste, die sich mit einer Beschwerde oder aus anderen Gründen an das PKGr wenden wollen, vorher mit ihrem Vorgesetzten sprechen. Im Entwurf heißt es, „Angehörigen der Nachrichtendienste ist es gestattet, sich in dienstlichen Angelegenheiten sowie bei innerdienstlichen Missständen (...) ohne Einhaltung des Dienstweges unmittelbar an das Parlamentarische Kontrollgremium zu wenden“. Dafür dürften sie „nicht dienstlich gemaßregelt oder benachteiligt werden“.
Das PKGr übermittelt die Eingabe dann der Bundesregierung und fordert von ihr eine Stellungnahme. Der Whistleblower kann zudem hoffen, sein Name werde nicht genannt. Die Abgeordneten sollen die Person nur kenntlich machen, „soweit dies für die Aufklärung des Sachverhalts erforderlich ist“.