Vor Prozessauftakt in Göttingen: Neue Debatte um Organspende
Einen Tag vor dem Beginn des ersten Prozesses zur Aufarbeitung der Transplantationsaffäre befeuert eine neue Debatte die Organspende. Grüne und Linke fordern eine grundsätzliche Reform des Vergabesystems - und kassieren dafür heftige Kritik.
Ein Jahr nach Bekanntwerden des Transplantationsskandals ist eine neue Debatte über die Reform des Organspendesystems in Deutschland ausgebrochen. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast schlug vor, eine öffentlich-rechtliche Institution soll die Koordination der Organspenden übernehmen. Die Bundesregierung habe sich „bislang einer grundlegenden Reform des Systems verweigert“, sagte Künast der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die Linkspartei- Abgeordnete Kathrin Vogler verlangte, es müsse „neu und sehr grundsätzlich“ über das System nachgedacht werden. Gesundheitsexperten von SPD und FDP widersprachen den beiden Politikerinnen.
Am Montag beginnt der erste Prozess zur Aufarbeitung der Affäre. Darin geht es um Manipulationen bei Leberverpflanzungen an der Universitätsklinik Göttingen. Unter dem Eindruck der Vorfälle in Kliniken in Regensburg, Göttingen, Leipzig und München war die Zahl der Organspenden im vergangenen Jahr auf einen Tiefstand gefallen. Lediglich 1046 Menschen und damit 12,8 Prozent weniger als im Vorjahr spendeten in Deutschland nach ihrem Tod Organe.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erteilte dem Vorschlag von Künast eine Absage. „Das ist eine medizinische Aufgabe, die von den Selbstverwaltungsorganen erfüllt und von der Politik kontrolliert werden muss“, sagte Lauterbach dem Tagesspiegel. Er zeigte sich mit den bisherigen Änderungen in Folge des Skandals zufrieden: Die Fälle, die sich als „krasse Einzelfälle“ erwiesen hätten, seien „im heutigen System nicht mehr möglich“. Gleichwohl schlage die SPD vor, das Amt eines Organtransplantations-Beauftragten im Parlament zu schaffen. Das sei wichtig, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Auch der FDP-Gesundheitspolitiker Lars Lindemann wandte sich gegen den Vorschlag. „Keines der vorhandenen Probleme wird durch eine Verstaatlichung gelöst“, sagte er. „Wir Politiker sollten nicht so tun, als ob es bei diesem sensiblen Thema einfache Lösungen gebe“, meinte er. „Wir müssen dafür sorgen, dass das Vertrauen gestärkt wird.“
In Göttingen muss sich von heute an vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts der ehemalige Leiter der Transplantationschirurgie der Universitätsklinik verantworten. Dem Oberarzt wird versuchter Totschlag in elf sowie Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen vorgeworfen. Der Mediziner, der in Untersuchungshaft sitzt, soll bei der Meldung von Daten seiner Patienten an die zentrale Vergabestelle von Spenderorganen Eurotransplant absichtlich falsche Angaben gemacht haben.