Organspende: Was sich nach dem Skandal nun ändern soll
Der Transplantationsskandal hat das Vertrauen vieler Menschen in die Organspende zerstört. Die Verantwortlichen wollen es jetzt wiederherstellen - unter anderem mit härteren Sanktionen.
Zwei Stunden lang beriet am Montag Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) mit Vertretern von Ländern, Krankenkassen, Krankenhäusern und Ärzteverbänden über Konsequenzen aus dem Organspendeskandal. Sie einigten sich vor allem auf Zweierlei: schärfere Kontrollen und härtere Strafen für Manipulationen. An diesem Dienstag trifft sich Bahr mit den Fraktionschefs, um mit ihnen über nötige Gesetzesnachbesserungen zu reden.
Wird es mehr staatliche Kontrolle geben?
Privaten Akteuren dürfe nicht länger die Organisation für ein System überlassen bleiben, mit dem sie über Leben und Tod entscheiden dürften, lautet eine Kernforderung der Kritiker. Bisher nämlich haben die Länder bei der Organspende herzlich wenig und der Bund so gut wie gar nichts zu sagen. Für die Organspenden ist eine privatrechtliche Stiftung (DSO) zuständig, eine andere (Eurotransplant) kümmert sich um die Organverteilung. Die Bundesärztekammer legt die Richtlinien dieser Verteilung fest und kontrolliert, ob sie eingehalten werden. Daran möchten Politik und Selbstverwaltung im Kern nichts ändern. Er sei nicht der Überzeugung, dass eine „staatliche Superbehörde“ etwas zum Besseren wenden könne, sagt Bahr – und die Selbstverwaltung sieht das genauso. Was allerdings nicht heißt, dass sich der Staat bei der Kontrolle nicht stärker einmischen will. Künftig sollen Bund und Länder etwa im Aufsichtsgremium der DSO mit Sitz- und Stimmrecht vertreten sein. Seit dem neuen Transplantationsgesetz dürfen die Ländervertreter auch in der Prüfungskommission der Ärztekammer gleichberechtigt mitentscheiden – und an allen Inspektionen teilnehmen. Diese Stichproben der Transplantationszentren werden nun deutlich ausgeweitet. Sie sollen künftig flächendeckend und unangekündigt erfolgen. Zudem wird bis November eine Stelle zur anonymen Meldung von Auffälligkeiten eingerichtet.
Video: Bessere Kontrollen für Transplantationen
Werden die Sanktionen verschärft?
Folgt man der Argumentation der Ärztekammer, dann hat es den Skandal von Göttingen nur gegeben, weil die Staatsanwaltschaft den Übeltäter nicht schon bei seinem früheren Job in Regensburg ordentlich sanktioniert hat. Die Kontrollmechanismen hätten in diesem Fall funktioniert, sagt Präsident Montgomery, die Unregelmäßigkeiten seien gemeldet worden – dann jedoch sei nichts passiert. Künftig, so die Teilnehmer des Runden Tisches, müssten entdeckte Regelverstöße schärfere Konsequenzen nach sich ziehen. „Wir werden nicht akzeptieren, wenn Einzelne durch ihr Fehlverhalten das Vertrauen in die Organspende in Frage stellen“, sagte Bahr – und dass „schwarze Schafe nicht prägend“ werden dürften „für die ganze Herde“. Das Spektrum der zu prüfenden Sanktionsmöglichkeiten reiche von berufs- und strafrechtlichen Maßnahmen bis hin zur vorübergehenden Schließung ganzer Transplantationsprogramme. „Wir müssen auch in die Lage versetzt werden, bei Auffälligkeiten ein Transplantationszentrum mal kurzfristig vom Netz zu nehmen“, assistiert der Ärztepräsident. Gleichzeitig fordert er, dass die Kammern den Ländern mehr Dampf machen dürfen, wenn es um den Entzug ärztlicher Zulassungen geht.
Wie wollen die Akteure künftig mehr Transparenz schaffen?
Zum Beispiel durch die Veröffentlichung der bislang geheim gehaltenen Prüfberichte. Künftig sollen sie einmal jährlich der Öffentlichkeit präsentiert werden. Den Anfang machte die Bundesärztekammer am Montag bereits, indem sie sämtliche Berichte seit dem Jahr 2000 ins Netz stellte. Demzufolge gab es bei den 50 700 Transplantationen seither 119 „Auffälligkeiten“ und 31 Verstöße gegen die Richtlinien. 21 waren so gravierend, dass sie den Behörden gemeldet wurden.
Wird es mehr Qualitätskontrollen geben?
Was bringt das Mehr-Augen-Prinzip in Transplantationszentren?
Um Manipulationen zu vermeiden, sollen nun „mindestens“ drei Ärzte über die Aufnahme von Patienten in die Wartelisten und deren Rangfolge entscheiden – darunter auch ein Laborarzt, Intensivmediziner oder Anästhesist, der nichts mit der Transplantationsmedizin zu tun hat. Dass das vorher noch eilig propagierte Vier-Augen-Prinzip nicht reicht, hat sich im weiteren Fortgang des Göttinger Skandal erwiesen. Den Ermittlungen zufolge soll dort bei der Fälschung von Patientendaten nämlich nicht nur der 45-jährige Hauptbeschuldigte, sondern auch der Leiter der Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie beteiligt gewesen sein. Zudem soll die Entscheidung darüber, wer wann welches Ersatzorgan bekommen soll, genau dokumentiert werden.
Video: Bessere Kontrollen für Transplantationen
Was ändert sich sonst noch in den Transplantationszentren?
Die dort arbeitenden Ärzte sollen künftig keine Bonuszahlungen für bestimmte Leistungsmengen mehr erhalten. Die Kliniken werden zu einer entsprechenden Selbstverpflichtung aufgefordert, und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) will auch ihre Muster-Arbeitsverträge entsprechend ändern. Er gehe davon aus, dass Verknüpfungen des Gehalts mit Zielvereinbarungen bei Transplantationsmedizinern komplett verschwänden, sagte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Allerdings habe eine Umfrage ergeben, dass solche finanziellen Anreize schon jetzt die Ausnahme seien.
Gibt es auch mehr Qualitätskontrolle?
Als problematisch für die Qualitätssicherung empfinden es viele Experten, dass die Daten über Transplantationen quer durch die unterschiedlichsten Institutionen verstreut sind. Man benötige ein einheitliches Register „von der Organspende bis zur Nachsorge“, sagt der Magdeburger Chirurg Hans Lippert. Auch Bahr nannte es ein Ziel, die unterschiedlichen Datensammlungen besser zusammenzuführen.
Waren sich die Beteiligten in allem einig?
Nein, obschon alle ein Interesse daran hatten, großen Konsens darzustellen. Verschiedener Meinung sind Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft etwa in der Frage, ob es in Deutschland nicht zu viele Transplantationszentren gibt, die sich unnötig Konkurrenz machen. Während erstere die Zahl „gerne hinterfragt“ sähen, warnte der Klinikverband vor der Zumutung, Transplantationspatienten „durchs ganze Land reisen“ zu lassen.
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