Parlamentswahl in Israel: Netanjahu bejubelt „Riesensieg“
Der anstehende Korruptionsprozess hat Israels Premier Netanjahu nicht geschadet: Seine Likud-Partei legte in der dritten Wahl binnen eines Jahres zu.
Die konservative Likud-Partei des Regierungschefs Benjamin Netanjahu ist bei Israels dritter Parlamentswahl binnen eines Jahres nach Prognosen stärkste Kraft geworden. Vor jubelnden Anhängern in Tel Aviv sprach der 70-Jährige in der Nacht zum Dienstag von einem „Riesensieg“. Er werde nun „eine starke nationale Regierung einrichten, die gut für Israel ist“, kündigte er an. Der Wahlerfolg des Likud kam nur zwei Wochen vor Beginn eines Korruptionsprozesses gegen Netanjahu.
Netanjahus Likud-Partei kam laut TV-Prognosen bei der Wahl am Montag auf 36 bis 37 Mandate. Das Mitte-Bündnis Blau-Weiß des Herausforderers Benny Gantz wurde mit 32 bis 34 Mandaten nur zweitstärkste Kraft. Netanjahus rechts-religiöses Lager kam nach drei TV-Prognosen auf 59 Sitze, das Mitte-Links-Lager erhielt 54 bis 55 Mandate. Für eine Regierungsmehrheit sind aber mindestens 61 von 120 Mandaten im Parlament notwendig.
Gantz äußerte sich bei einer Ansprache in Tel Aviv enttäuscht über den Wahlausgang, betonte aber, er wolle seinen politischen Weg fortsetzen.
Netanjahu kündigte in seiner Ansprache Friedensverträge mit „weiteren arabischen und muslimischen Staaten“ an. Der seit 2009 amtierende Ministerpräsident bekräftige gleichzeitig Pläne zu Annexion israelischer Siedlungen im besetzten Westjordanland. Außerdem werde er „die iranische Bedrohung beseitigen“.
Wahlbeteiligung trotz Furcht vor Coronavirus hoch
Es war bereits die dritte Wahl binnen eines Jahres. Nach Wahlen im April und September 2019 war aufgrund einer Pattsituation zwischen dem rechts-religiösen und dem Mitte-Links-Lager keine Regierungsbildung geglückt.
Das rechte Lager besteht aus Netanjahus Likud, dem Jamina-Parteienblock von Verteidigungsminister Naftali Bennett und den strengreligiösen Parteien. Die rechtsextreme Ozma Jehudit (Jüdische Kraft) scheiterte an der Sperrklausel von 3,25 Prozent.
Zum Mitte-Links-Lager wird neben Gantz' Bündnis Blau-Weiß, der linksliberalen Liste von Arbeitspartei, Merez und Gescher auch die Vereinigte Arabische Liste gezählt. Die arabischen Parteien kamen laut Prognosen auf 14 bis 15 Mandate. Allerdings gelten sie nicht als potenzielle Koalitionspartner.
Der ultrarechte Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman wurde auch bei dieser Wahl als Königsmacher gesehen. Seine Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) erhielt den Prognosen zufolge sechs bis sieben Mandate. Lieberman hatte Netanjahu nach einer Wahl im April vergangenen Jahres seine Unterstützung entzogen. Hintergrund ist ein Streit mit Netanjahus strengreligiösen Bündnispartnern über die Wehrpflicht auch für ultra-orthodoxe Männer.
Amtliches Endergebnis in etwa einer Woche
Trotz der Sorge vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus war die Wahlbeteiligung bis zum Abend relativ hoch. Nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees lag die Wahlbeteiligung bei Schließung der Wahllokale bei 71 Prozent. Dies sind 1,6 Prozentpunkte mehr als zur selben Zeit bei der vorherigen Wahl im September.
In mehreren Städten wurden besonders geschützte „Wahlzelte“ für Israelis aufgestellt, die sich wegen des Coronavirus in häuslicher Quarantäne befinden. Das Gesundheitsministerium teilte mit, insgesamt seien mittlerweile zwölf Personen in Israel mit dem Virus infiziert. Mehr als 5600 Israelis befinden sich nach offiziellen Angaben in häuslicher Quarantäne. Todesfälle gab es bisher nicht.
Das amtliche Endergebnis wird voraussichtlich in rund einer Woche vorliegen. Präsident Reuven Rivlin hat danach eine Woche Zeit zu entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Üblicherweise erhält den Auftrag der Vorsitzende der Fraktion mit den meisten Stimmen. Er hat dazu bis zu sechs Wochen Zeit. Mit der Bildung einer neuen Regierung wird daher frühestens im kommenden Monat gerechnet.
Rechnerisch möglich ist eine große Koalition von Likud und Blau-Weiß. Allerdings hatte Netanjahu im Wahlkampf betont, er strebe eine rechts-religiöse Koalition an. Gantz ist dagegen wegen der Korruptionsanklage nur zu einer großen Koalition ohne Netanjahu als Regierungschef bereit.
Netanjahu weist Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück
Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug und Untreue sowie Bestechlichkeit vor. Es geht dabei um den Verdacht der Beeinflussung von Medien, angeblich krumme Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten. Der Regierungschef hat alle Vorwürfe zurückgewiesen.
Netanjahu strebt die Annexion der israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland sowie des Jordantals an. Diesen Schritt zeigt der am 28. Januar veröffentlichte Nahost-Plan des US-Präsidenten Donald Trump auf. Der Plan sieht einen Palästinenserstaat vor, der allerdings mit harten Auflagen verbunden wäre. Von palästinensischer Seite ist das Vorhaben kategorisch zurückgewiesen worden. (dpa)