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Beate Zschäpe vor Gericht in München.
© REUTERS

München: Nebenklage-Plädoyers im NSU-Prozess verzögern sich erneut

Wieder ein Befangenheitsantrag, den der als Terrorhelfer angeklagte André E. am Mittwoch ankündigte. Das Gericht unterbrach die Sitzung und sagte die Verhandlung am Donnerstag ab.

Vor sechs Wochen hat die Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess ihr Plädoyer beendet, seitdem geht es nicht mehr voran. Auch am Mittwoch hat ein Verteidiger des Angeklagten André E. mit einem weiteren Befangenheitsantrag, diesmal gegen zwei Richter, die Hauptverhandlung am Oberlandesgericht München blockiert. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl sah sich gezwungen, den Prozess erneut zu unterbrechen, nun bis zum 9. November. Seit dem Plädoyer der Bundesanwaltschaft am 12. September gab es nur drei Verhandlungstage, sie waren geprägt vom endlos anmutenden Gerangel, das sich die Verteidiger von André E. und Ralf Wohlleben mit den Richtern des 6. Strafsenats liefern. Wann die Nebenkläger und ihre Anwälte mit ihren Plädoyers beginnen können, bleibt unklar. Bei den Angehörigen der vom NSU ermordeten zehn Menschen und bei den überlebenden Opfern des Terrors wächst der Unmut.

„Ich bin enttäuscht und wütend“, sagte am Mittwoch die zum Prozess angereiste Gamze Kubasik. Sie ist die Tochter des 2006 von den NSU-Attentätern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Dortmund erschossenen Kioskbetreibers Mehmet Kubasik. Sie sei bereits mehrmals vergeblich nach München gekommen, um sich auch selbst bei den Plädoyers zu äußern, beklagte Gamze Kubasik. Die „Verzögerung durch sinnlose, unnötige Anträge“ der Verteidiger mache es nötig, „dass der Richter endlich härter durchgreift“.

Verzögerung um Verzögerung

Kubasiks Anwalt Sebastian Scharmer sieht das ähnlich, konnte sich aber am Mittwoch in der Verhandlung nicht durchsetzen. Scharmer hatte den Strafsenat aufgefordert, den neuen Befangenheitsantrag noch in öffentlicher Verhandlung entgegenzunehmen, weil die anderen Prozessparteien „dann beschleunigt Stellung nehmen können“. Aus Scharmers Sicht hätte dann rasch über den Antrag entschieden und diesen Donnerstag weiterverhandelt werden können.

Der Verteidiger von André E., der Berliner Anwalt Herbert Hedrich, hatte zuvor angekündigt, er werde seinen Befangenheitsantrag gegen die zwei Richter erst Mittwochnachmittag und außerhalb der Verhandlung einreichen. Warum er das Ablehnungsgesuch nicht im Beisein von Prozessparteien und Öffentlichkeit präsentierten wollte, sagte Hedrich nicht. Es blieb auch offen, warum die zwei Richter nach Meinung  von André E. befangen sein sollen.

Anlass für die seit Mitte September anhaltende Serie von Befangenheitsanträgen, an der sich auch die Verteidiger Wohllebens beteiligt haben, war die Entscheidung der Richter, André E. in Untersuchungshaft zu schicken. Bundesanwalt Herbert Diemer hatte am 12. September für den Neonazi zwölf Jahre Haft gefordert und  beantragt, André E. wegen Fluchtgefahr hinter Gitter zu stecken. Am nächsten Tag schickte der Strafsenat den Angeklagten ins Gefängnis. Die Richter sehen den dringenden Tatverdacht, André E. habe den NSU massiv unterstützt und Beihilfe zu versuchtem Mord geleistet.

Der Angeklagte soll unter anderem für Böhnhardt und Mundlos ein Wohnmobil gemietet haben, das die beiden Terroristen für einen Anschlag in Köln nutzten. Böhnhardt und Mundlos fuhren im Dezemer 2000 in die Domstadt, einer der beiden stellte in einem iranischen Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse eine Christstollendose ab. Darin lag ein Sprengsatz. Die Tochter des Einzelhändlers öffnete im Januar 2001 die Dose und erlitt bei der Explosion der Bombe schwere Verletzungen. Die Frau will ebenfalls bei den Plädoyers auftreten, brach aber bereits eine Reise nach München wegen einer Blockade der Verhandlung durch Befangenheitsanträge ab.

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