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Läutet eine neue Runde im Streit um den Armutsbericht ein: Sozialministerin Andrea Nahles.
© Fabrizia Bensch/REUTERS

Regierungsstreit um Armutsbericht: Nahles wirbt für gestrichene Passagen

Das Kanzleramt hat den Armutsbericht um brisante Kapitel entschärft. Jetzt stellte das Sozialministerium das Protokoll einer Expertenrunde zum Thema ins Internet. Es zeigt, wie unzufrieden die Ministerin mit der Streichung ist.

Im Streit um gestrichene Passagen im Armuts- und Reichtumsbericht zur Einflussnahme von Lobbyisten auf die Politik will Sozialministerin Andrea Nahles offenbar nicht klein beigeben. Demonstrativ stellte ihr Ministerium nun das Protokoll eines Symposiums mit Verbänden und Wissenschaftlern ins Netz, bei dem die SPD-Politikerin ihre Unzufriedenheit mit den Streichungen zu erkennen gab.

"Einer Weiterverwendung steht nichts im Wege"

Nachzulesen ist darin zudem, wie Nahles für die Verbreitung des gestrichenen Kapitels wirbt. Die Studie sei unabhängig von der Endfassung des Berichts auf der Webseite des Ministeriums einsehbar. „Einer freien Meinungsbildung und Weiterverwendung der Ergebnisse steht damit nichts im Wege.“

Bei der Abstimmung mit dem Kanzleramt und anderen Ressorts waren Passagen, wonach Menschen mit mehr Geld stärkeren Einfluss auf politische Entscheidungen haben als Einkommensschwache, gestrichen worden. Daraufhin hatte es heftige öffentliche Kritik gegeben, auch von Zensur war die Rede. Derzeit befindet sich eine Kurzfassung des Berichts im Kanzleramt. Wann sich das Bundeskabinett damit befasst, ist offen.

Neuer Vorschlag für ein Kapitel über Lobbyismus

Interessant ist auch die im Protokoll dokumentierte Ankündigung des Ministeriums, den Ressorts „einen neuen Vorschlag für ein Kapitel zu Lobbyismus und Einflussnahme“ unterbreiten zu wollen, „in welchem insbesondere auf die unbefriedigende Datenlage verwiesen werden soll“. Dies war die Antwort auf die Forderung von Wissenschaftlern, dass das Thema Lobbyismus - auch wenn die Datenlage dazu schwierig sei - "nicht völlig unterbunden werden" dürfe.

Bisher hatte Nahles keine öffentliche Kritik an den Streichungen zu erkennen gegeben. Die Erstfassung, so hatte ihr Ministerium damals argumentiert, habe „lediglich einen Zwischenstand“ dargestellt. Dass es Änderungen gegeben habe, sei „ein auch für andere Berichte und Gesetzentwürfe übliches Verfahren“.

Wissenschaftler warnen vor Vertrauensverlust

Nach Angaben von Beobachtern war es im Sozialministerium bisher kein Usus, Symposiums-Beratungen mit Verbänden und Wissenschaftlern im Detail zu veröffentlichen. In dem Protokoll findet sich denn auch die Einschätzung der Teilnehmer, dass sich die Bundesregierung nicht dem Vorwurf aussetzen dürfe, "unliebsame Ergebnisse vorzuenthalten". Dies untergrabe die Glaubwürdigkeit des gesamten Berichtes und setze Vertrauen aufs Spiel.

Antwort des Ministeriums: "Das BMAS steht weiterhin uneingeschränkt hinter den Forschungsprojekten." Die Gutachten könnten "alle in der von den Forschern abgegebenen und selbstverständlich ungekürzten und unveränderten Fassung" auf der Internetseite www.armutsund-reichtumsbericht.de unter der Rubrik „Service“ abgerufen werden.

Lobbycontrol: Vertuschung von Studienergebnissen vergrößert den Schaden

Der Verein Lobbycontrol begrüßte die Klarstellung der Ministerin. „Es ist gut, dass sich das Arbeitsministerium nun öffentlich hinter die Ergebnisse der brisanten Studie stellt“, sagte Christina Deckwirth vom Berliner Büro der Organisation. „Noch besser wäre es, wenn die gesamte Bundesregierung die Ergebnisse anerkennen und sie wieder vollständig in den Armuts- und Reichtumsbericht aufnehmen würde“, so die Campaignerin. „Wenn Reiche mehr Einfluss haben als Arme, ist das ein großer Schaden für die Demokratie. Wenn dies vertuscht wird, wird der Schaden größer.“

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