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Präsident Recep Tayyip Erdogan kann nicht mehr auf seinen Schwiegersohn im Kabinett zählen.
© Mikhail Klimentyev/Imago

Krach im Hause Erdogan: Nach dem Rücktritt seines Schwiegersohns verspricht der Präsident Reformen

Berat Albayraks bekam die Wirtschaftskrise nicht in den Griff, die Opposition sieht das System als gescheitert an und die Medien akzeptieren einen Maulkorb.

Nach dem Sturzflug der türkischen Lira, dem Dahinschmelzen staatlicher Devisenreserven und dem überraschenden Rücktritt seines Schwiegersohnes als Finanzminister hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Wende in der Finanz- und Wirtschaftspolitik angekündigt.

Seine Regierung werde sich ab sofort verstärkt um Vertrauen und Glaubwürdigkeit bemühen, sagte Erdogan am Mittwoch vor der Parlamentsfraktion seiner Partei AKP in Ankara. Auch strukturelle Reformen etwa in der Justiz würden angegangen.

Mit der Rede wollte Erdogan seine Anhängerschaft beruhigen, die wegen Berat Albayraks abruptem Abgang und der hilflosen Reaktion der Regierung verunsichert ist. Die Opposition sieht das System Erdogan als gescheitert an.
Erdogan hatte seinen Schwiegersohn Albayrak in hohe Regierungsposten gebracht, um ihn als Nachfolger aufzubauen.

Doch als Finanzminister bekam Albayrak die wachsende Wirtschafts- und Währungskrise nicht in den Griff. Er trat am Sonntagabend – offiziell aus Gesundheitsgründen – zurück, nachdem Erdogan den Zentralbankchef gefeuert und ihn durch seinen Berater Naci Agbal ersetzt hatte – einen Mann, mit dem Albayrak nicht zusammenarbeiten wollte.

Präsident und Regierung waren von Albayraks Rücktritt so schockiert, dass sie mehr als einen Tag brauchten, um die Demission zu bestätigen und einen neuen Minister zu benennen. Staatliche und regierungsnahe Medien erhielten einen Maulkorb.

100 Milliarden Dollar für vergebliche Stützungskäufe

Der neue Ressortchef Lütfi Elvan, bisher Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Parlament, soll zusammen mit dem neuen Zentralbankchef Agbal die türkische Finanzpolitik in ruhigeres Fahrwasser bringen. Die türkische Lira hatte seit Jahresbeginn gegenüber Dollar und Euro zeitweise bis zu 45 Prozent verloren. Allein in diesem Jahr hat die Zentralbank mehr als 100 Milliarden Dollar für vergebliche Stützungskäufe ausgegeben.
Seit Albayraks Rücktritt hat die Lira etwas Terrain zurückgewinnen können, doch es bleibt offen, ob sich auf Dauer viel ändern wird. Um die Währung wirksam zu stützen und die Inflation von rund zwölf Prozent in den Griff zu bekommen, müsste die Zentralbank die Leitzinsen von derzeit 10,25 Prozent deutlich anheben.

Die Märkte erhoffen nach Berichten der Nachrichtenagentur Reuters bei der nächsten Sitzung der Zentralbank kommende Woche eine Erhöhung auf mindestens 13 Prozent.

Bisher war Erdogan dagegen, doch am Mittwoch signalisierte er, dass er eine Zinsanhebung mittragen könnte: Er werde „bittere Medizin“ nicht scheuen, sagte er.

Die Türkei als Investitionsstandort nahm Schaden

Allerdings wird Erdogan mehr ändern müssen als nur seine Meinung über Zinserhöhungen. Seine Einmischung in die Arbeit der Zentralbank, die Talfahrt der Lira, die hohen Devisenschulden türkischer Unternehmen und Ankaras außenpolitische Abenteuer haben der Türkei als Investitionsstandort schwer geschadet. Internationale Anleger hätten in den vergangenen vier Jahren fast 120 Milliarden Dollar aus dem Land abgezogen, zitierte Reuters die Deutsche Bank. Das Spektakel um Albayrak ist für Erdogan auch eine empfindliche politische Schlappe.

Die Entscheidung des Präsidenten, ein Mitglied seiner engeren Familie in die Regierung zu bringen, habe sich als kostspieliger Fehler erwiesen, sagte Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu.

Das von Erdogan durchgesetzte Präsidialsystem, in dem viele wichtige Entscheidungen in kleinstem Kreis und ohne Kontrolle von außen fallen, habe eklatant versagt, meint auch Mithat Sancar, Co-Vorsitzender der prokurdischen Partei HDP: „Die Wurzel des Problems ist dieses System.“

Die Medien lassen sich einen Maulkorb geben

Zu diesem System gehören willfährige Medien. Sender und Zeitungen wagten es nicht, über Albayraks Rücktritt zu berichten, bis sie eine Weisung aus dem Präsidentenpalast erhielten. Weder die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu noch Zeitungen wie „Hürriyet“ oder Nachrichtensender wie CNN-Türk meldeten, dass Albayrak sein Amt aufgegeben hatte.

Von 1780 Radio- und Fernsehsendern in der Türkei berichteten nach Zählung von Faruk Bildirici, einem früheren Oppositionsvertreter in der Rundfunkaufsichtsbehörde, nur fünf über den Rücktritt.

Erst als Erdogan rund 24 Stunden nach Albayraks Instagram-Botschaft den Rücktritt seines Schwiegersohnes annahm, hoben die Agentur Anadolu und andere große Medien ihre Nachrichtensperre auf.

Fernsehsender wie CNN-Türk und Zeitungen wie „Hürriyet“ gehören zu Großunternehmen, die Erdogans Regierung unterstützen, um sich das Wohlwollen des Präsidenten und öffentliche Aufträge zu verschaffen.

Über die Jahre hat sich die Regierung so die Gefolgschaft von schätzungsweise 90 Prozent der landesweiten Medien in der Türkei gesichert.

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