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Mit Kind am Herd. Nicht allen Müttern sagt das zu.
© Jan Woitas/dpa

Bereuende Mütter: Mütter, die wie Männer denken

Eine junge israelische Wissenschaftlerin veröffentlicht eine Studie in einer amerikanischen Fachzeitschrift für Geschlechterwissenschaft – und das deutsche Internet explodiert. Wie kann das sein? Nun, es ging um Mütter.

„Regretting Motherhood – Die Mutterschaft bereuen“, ist der Titel des Textes, den Orna Donath von der Ben Gurion- Universität Anfang des Jahres veröffentlicht hat. Ihre Studie basiert auf 23 Interviews mit israelisch-jüdischen Frauen, die wenig gemeinsam haben, außer das: Sie bereuen es, Mutter geworden zu sein. Die Süddeutsche Zeitung berichtete, das Thema fand in die Mütterblogs. „#RegrettingMotherhood“ wurde auf Facebook und Twitter diskutiert und schließlich vom Heute-Journal medial geadelt. 23 israelische Frauen wurden angefeindet, verteidigt, politisiert.

Der Boden für gesellschaftspolitische Ausdeutungen ist fruchtbar, in beiden Ländern. In Deutschland sahen viele der KommentatorInnen #RegrettingMotherhood als eine Art Berufstätige-Mütter- Krankheit oder ein Symptom der Egoismus-Gesellschaft. Ihnen wurde vorgeworfen, nicht auf Partys verzichten zu wollen und nicht auf die Karriere. Einige deuteten #RegrettingMotherhood als feministische Kampagne. Andere äußern hingegen Verständnis: Weil Kind und Beruf so schlecht vereinbar seien, sei Reue doch nur verständlich.

In Israel, so schreibt auch die Autorin, müsse man den Tabubruch der „bereuenden Mütter“ vor dem Hintergrund einer national-jüdischen Familienideologie sehen. Besonders in orthodoxen Kreisen sind viele Kinder zur Erhaltung des bedrängten kleinen Volkes hoch erwünscht. Das Land hat eine der höchsten Geburtenraten der westlichen Welt.

Im Kern aber geht es Donath um etwas anderes, und das ist in beiden Ländern gleich: An Frauen, die wie Männer denken, fühlen und handeln, hat sich die Gesellschaft gewöhnt. An Mütter, die wie Männer denken, fühlen und handeln, nicht.

Das Idealbild der Mutter ist nach wie vor eindimensional. Annegret R., die mit 65 Jahren noch einmal vier Kinder bekommen will, entspricht ihm nicht. Ebenso wenig wie jene Frauen, die beim „Social Freezing“ Eizellen konservieren lassen, um Kinder auf eine spätere Zeit im Leben zu verschieben. Sie sind Teil eines futuristischen medialen Kuriositätenkabinetts, Zerrbilder, die der gesellschaftlichen Selbstvergewisserung dienen. Denn wir wissen, wie wir Mama wollen: jung, rein, selbstlos. Maria mit einem Schutzmantel so weit, dass die ganze Welt darunter Platz findet.

Es war und ist das Ziel des Feminismus, Frau und Mann von der vermeintlichen Bestimmung durch ihre Natur zu befreien. Teilweise ist das gelungen. Frauen gelten heute nicht mehr als „von Natur aus“ machtunfähig oder kognitiv beschränkt. Die Mutterschaft aber wird noch immer als der natürlichste Aggregatzustand der Frau gesehen, wohlgemerkt: Die glückliche Mutterschaft.

Die Frauen, die Orna Donath befragt hat, haben komplexere Gefühle. Viele sagen, sie liebten ihre Kinder und wollten, dass sie da sind. Dennoch finden sie nicht jene Zufriedenheit in der Fürsorge, die man ihnen versprochen hat. Daran tragen sie selbst schwer. Diesen Konflikt zwischen Empfinden und Normalitätsimperativen zu erforschen, ist Donaths Ziel. Doch offenbar gilt noch immer: Das kann nicht sein. Das darf nicht sein.

In der Diskussion "Regretting Motherhood" haben sich auf Tagesspiegel Zehlendorf, dem Online-Portal aus dem Südwesten auch einige Autorinnen geäußert. Nicki Pawlow können Sie hier nachlesen. Und was zwei junge Bloggerinnen aus Berlin denken, finden Sie hier.

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