"Bereuende Mütter"-Debatte: "Ich bin nicht mehr Nina, sondern Toms Mama"
In der Diskussion "Regretting motherhood" - Frauen, die laut einer Studie ihre Mutterschaft bereuen - hat sich an dieser Stelle bereits die Autorin Nicki Pawlow geäußert. Nun beschreiben zwei junge Bloggerinnen aus Berlin aus ihrer Sicht die Mutterschaft.
Keiner hat mich auf die Mutterrolle vorbereitet, wie auch? Jedes Kind und jede Mutter ist anders. Alles, was ich mit Tom in den ersten Jahren erlebt habe, war superschön, anstrengend und intensiv. Womit ich nicht gerechnet habe, und was mich total umgehauen hat, ist die Erfahrung, zwei Kinder zu haben. Ich habe niemals damit gerechnet, wie schön es ist, aber leider auch nicht, wie sehr mich das aus meinem bisherigen Leben rauswirft. Während ich mit nur einem Kind noch an allen Fronten gekämpft habe, beruflich und privat, eben doch “trotz” Kind alles unter einen Hut zu bekommen, hatte ich lange Zeit mit zwei Kindern dafür einfach keine Kraft mehr.
Ich bedauere es nicht, Mama zu sein, sondern, was die Gesellschaft aus Frauen macht, die Mütter sind. Die totale Beschränkung auf diese eine Rolle. Ich bin nicht mehr Nina, sondern Toms Mama oder die Mama von Sara. Plötzlich muss ich nähen, basteln, backen und malen können und jedem gute Erziehungstipps geben. Mit ganz vielen Mamas befreundet sein, die gleichaltrige Kinder haben, damit ich nicht alleine auf dem Spielplatz rumstehe und meine Kinder nicht plötzlich anfangen, mit fremden (!) Kindern zu spielen. Das ist anstrengend. Auch die direkte und indirekte Einmischung von außen in mein Familienleben ist anstrengend und in diesem Maße überhaupt nicht vorhersehbar gewesen.
Beruflich kann ich nun nicht mehr so arbeiten wie vorher, es ist egal, was ich möchte, die Fähigkeit allein wird mir direkt abgesprochen. Mit zwei kleinen Kindern Vollzeit arbeiten und reisen? Nein, das geht nun wirklich nicht. Doch, es geht, ganz bestimmt sogar! Aber so arbeiten wie vor den beiden Zwergen möchte ich einfach nicht mehr. Denn mit einem einfachen Satz änderte mein Sohn meine damalige Sichtweise auf den Job schlagartig: “Wenn Mama arbeitet, ist sie nicht mehr da.”
Natürlich gibt es auch immer wieder Momente, in denen ich mich in der Mutterrolle unwohl fühle, weil ich mich z. B. mit anderen vergleiche und in meinen Augen schlechter abschneide. Oder weil ich einfach keine Geduld mehr habe, und ich meine Kinder zum Mond schicken möchte (aber bitte mit Rückfahrschein), aber deswegen möchte ich meine Kinder nicht hergeben.
Doch seit ich beruflich wieder neu Fuß fassen möchte und merke, das es trotz guter Ausbildung etc. eben doch oft an der “Mutterrolle” scheitert, habe auch ich mich öfters bei dem Gedanken ertappt, wie es wäre, doch keine Kinder bekommen zu haben. Darum hat mich der Artikel in der SZ auch eiskalt erwischt und ich habe mich ernsthaft gefragt, ob ich es bereue Kinder bekommen zu haben. Aber die Antwort lautet ganz deutlich: NEIN.
Auch wenn ich nicht so empfinde, kann ich es zumindest in gewisser Weise nachvollziehen, warum manche Mütter sagen, sie würden das alles nicht noch einmal machen, wenn sie neu wählen könnten. Denn mit Kindern ist es ein komplett anderes Leben, als ohne. Wenn jedoch die Last, Kinder zu haben, vor der Freude überwiegt, muss es wahnsinnig schwer sein, damit zu leben und trotzdem alles zu meistern. Zudem: ist die Mutterrolle einmal angenommen, macht frau sich immer Gedanken um ihr Kind, egal wie nah Mutter und Kind sich letztendlich sind. Da gibt es kein Zurück.
Ich für meinen Teil bin froh, meine Kinder zu haben. Denn neben all diesen kleinen nervigen Dingen, sind es vor allem die alltäglichen Situationen mit meinen Zwergen, die mein Leben bereichern. Dabei sein zu dürfen, wie sie mit großen Augen die Welt täglich neu entdecken, wie sie mir ihr uneingeschränktes Vertrauen schenken, wie sie lernen und wachsen – das ist ein großes Geschenk. Die Möglichkeit viele Dinge mit ihnen wieder anders zu betrachten, neu zu entdecken oder einfach gemeinsam zu lachen und auch nochmal Kind zu sein – das möchte ich nicht mehr missen.
Nina aus Zehlendorf
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Caro aus Lichterfelde schreibt:
Du gibst dein altes Leben ab und bekommst ein unbekanntes neues - besser kann ich es nicht zusammenfassen.
Wir haben uns sehnlichst ein Kind gewünscht. Dafür habe ich allerhand Bemühungen auf mich genommen. Es war das bis dato beste Geburtstagsgeschenk, das ich je bekommen habe. Meine Schwangerschaft war ein Traum. Mir war weder schlecht noch habe ich 30 kg zugenommen. Ich habe mich einfach nur wohl gefühlt und habe bis zum letzten Tag gearbeitet. Nach Wunsch meines Klienten, hätte er mich noch im Kreißsaal mit Arbeit versorgt…
OK, dafür war die Geburt ne echte Quälerei und ein Notkaiserschnitt ist auch kein Vergnügen. Jetzt sind die Wunden lange verheilt und ich habe ein gesundes Kind. Am Anfang musste ich mich erst einmal ganz neu organisieren. Mal eben in die Sachen hüpfen und los – aussichtslos. Wir mussten einen neuen Weg finden. Ich habe viele Dinge neu gelernt:
- Nachtschlaf wird völlig überbewertet.
- Ein eigener Name ist unnötig, wenn frau “Mama von Mats” ist (hübsch finde ich auch die Wortschöpfung “Matsmama”).
- Intelligenz, Arbeitswille, Berufserfahrung und andere berufsnotwendige Dinge – werden mit dem Kind rausgequetscht. Hab ich auch nicht für möglich gehalten, mein Arbeitgeber hat mir aber mit seiner “Unterstützung” genau DAS klar gemacht.
- Der Wunsch nach gut entlohnter hochqualitativer Teilzeitarbeit, liegt ungefähr auf gleicher Ebene, wie ein Sommerurlaub auf dem Mond …
Ich kann Nina nur zustimmen, alles geht noch irgendwie mit einem Kind. Mit Kind 2 wird alles noch einmal anders. Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, das es doppelt so anstrengend ist bzw. doppelt Arbeit ist. Ich dachte, vieles würde sich eher entspannen. Nö, is´nich´so!
Aber wenn mich jemand fragen würde, ob ich mit meinem jetzigen Wissen noch einmal Mutter werden wollen würde, dann würde ich sagen: JA! JA! JA!
Einige Kleinigkeiten würde ich anders machen und ich würde ein bisschen eher anfangen, mit dem Kinderkriegen. Für mich ist es gut, dass ich mich schon ausleben konnte und viel erlebt und von der Welt gesehen habe. So kann ich “ausgetobt” zu Hause sitzen und bekomme nur gelegentlich den “Kinder-Knast-Koller”. Der schleicht sich ein, wenn mal wieder alles an mir hängt (Haushalt und Wäscheberge; an alles die Kinder betreffend denken für Schule, Kita, Kindergeburtstag, hohe Fest- und Feiertage; mich selber organisieren – Job, Arzt, Frisör, Kosmetik; …) und mein Mann lange arbeitet, seine Karriere pflegt und nach einem anstrengenden Tag noch ein Weinchen nach der Arbeit trinken geht. Da habe ich von Lara immer den Satz im Ohr: “Sind wir nicht alle ein bisschen allein erziehend…?”
Ich glaube 3 Dinge sind besonders anstrengend für Mütter:
1. Das die Hauptlast auf ihnen liegt – auch wenn die Männer mithelfen.
2. Das ihre Arbeit so wenig gesellschaftlich gewürdigt wird. “Ich bin schließlich Managerin eines Familienunternehmens” – dann klappt´s auch mit dem Ahhhh-Effekt.
3. Das sie im Arbeitsleben nicht unterstützt, sondern nach allen Regeln der Kunst ausgebremst werden.
Ich habe da immer noch im Ohr – Akademikerinnen sollen mehr Kinder bekommen. Jo – und dann? Vollzeit geht nur als “Rabenmutter” mit einer Entourage an Hilfskräften. Teilzeit, tja, da fehlt den meisten Arbeitgebern Wille und Einfallsreichtum – wie das wohl gehen könnte?
Ich glaube, wir Mütter brauchen ein neues Selbstbewusstsein! Es ist o.k.:
Nicht immer Geduld zu haben – geht sowieso nicht.
- Sich einzugestehen und es auch sagen – momentan fühle ich mich überfordert (aus welchen Gründen auch immer).
- Nicht alles zu können: malen, basteln, schneidern, singen, backen, …
- Eigene Wünsche und Interessen zu haben, auch wenn die Kinder und der Partner darüber mosern.
- Auszeiten zu nehmen – was viele von uns gar nicht oder zu selten machen – damit das Mutterschiff auch morgen noch kraftvoll zupacken und zuhören kann…
- Arbeiten und Mutter sein zu wollen und Unterstützung einzufordern.
So könnt´s gehen.
Liebe Leserinnen und Leser, wir möchten mit diesem Beitrag, dem Artikel von Nicki Pawlow dazu und gerne mit Ihnen über das Thema diskutieren. Wir freuen uns auch über Ihre Beiträge oder Kommentare. Gerne auch an zehlendorf@tagesspiegel.de oder armin.lehmann@tagesspiegel.de
Nicki Pawlow
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