zum Hauptinhalt
Blumen und Kerzen liegen  vor dem Olympia-Einkaufszentrums (OEZ) in München.
© Sven Hoppe/dpa
Update

München: Mutmaßlicher Mitwisser des Amokschützen ist wieder frei

Ermittlungsrichter sieht keinen dringenden Tatverdacht. 16-jähriger Afghane und David S. kannten sich aus Psychiatrie.

Der mutmaßliche Mitwisser des Amok-Schützen von München ist nach seiner Festnahme wieder auf freiem Fuß. Der Haftbefehl sei abgelehnt worden, sagte am Montag ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München I. Gegen den 16-Jährigen wird wegen des „Nichtanzeigens einer Straftat“ ermittelt, weil er möglicherweise von dem geplanten Amoklauf wusste. Die Staatsanwaltschaft hatte den Haftbefehl unter anderem wegen Verdunkelungsgefahr beantragt. Der Ermittlungsrichter sah laut der Behörde aber keinen dringenden Tatverdacht und auch keinen Haftgrund. Der 16-Jährige war am Sonntag um 19.15 Uhr festgenommen worden. Nach Angaben der Ermittler hatte er sich kurz vor der Tat mit dem Amokschützen im Bereich des Tatorts getroffen, möglicherweise hatte er auch von dessen Waffe gewusst.

Wie Staatsanwaltschaft und Polizei auf einer Pressekonferenz am Montagmittag in München bekanntgaben, hatte sich der 16-jährige Afghane am Freitagnachmittag mit dem späteren Amokläufer David S. am Olympia-Einkaufszentrum getroffen. Dort hatte David S. um 17.50 Uhr vor einer McDonalds-Filiale begonnen, auf Menschen zu schießen, und war dann weiter ins Olympia-Einkaufszentrum gegangen. Er tötete neun Menschen und erschoss sich selbst.

Das ergebe sich aus dem Chat-Verlaufs bei Whatsapp zwischen dem 18-jährigen David S. und dem am Sonntagabend festgenommenen 16-Jährigen, sagte Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. Demnach hatten sich die beiden im vergangenen Jahr während eines stationären Aufenthalts in einer Psychiatrie kennengelernt. Beide Jugendliche spielten gerne sogenannte Ego-Shooter-Computerspiele, hieß es bei der Pressekonferenz, zudem hätten sie sich auch über den norwegischen Amokläufer Breivik ausgetauscht. "Nach unserer Einschätzung haben sich zwei Einzelgänger getroffen", sagte Hermann Utz von der Kriminalpolizei.

Der 16-Jährige hatte sich bereits am Freitag unmittelbar nach dem Amoklauf mit neun Todesopfern bei der Polizei gemeldet, weil er den Täter kannte, der sich am Ende selbst erschoss. „Er wurde in Bezug auf seine Beziehung zum Täter vernommen“, teilte die Polizei mit. Die Ermittlungen hätten am Sonntag jedoch Widersprüche in seinen Aussagen aufgedeckt. Ein Sondereinsatzkommando habe den Jugendlichen daher gegen 18.15 Uhr in dessen Wohnung im Münchner Stadtteil Laim festgenommen. Gegen ihn soll Haftbefehl beantragt werden.

Polizei prüft Verbindung zu zweitem Facebook-Aufruf

Die Ermittler prüfen, ob der Jugendliche auch für einen Facebook-Aufruf zu einem Treffen am Sonntag in einem Kino in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs verantwortlich ist. Dieser Aufruf hatte ein ähnliches Muster wie der Facebook-Aufruf des 18-jährigen Amokläufers, der über das soziale Netzwerk eine Einladung in ein Schnellrestaurant verschickt hatte, wo er dann den Amoklauf startete.

Die Polizei warnte vor weiteren Nachahmungstaten. Sie kündigte an, „mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen sogenannte Trittbrettfahrer vorzugehen“. Bei der Überprüfung des Kinos ergaben sich am Sonntag keine Auffälligkeiten.

David S. erschoss am Freitag in einem Münchner Einkaufszentrum zehn Menschen.

Die Ermittler haben zahlreiche Unterlagen zum Thema Amok bei ihm gefunden wie etwa das Buch „Amok im Kopf – Warum Schüler töten“.

Er hatte auch Winnenden in Baden-Württemberg besucht und die Orte des dortigen Amoklaufs von 2009 fotografiert, teilte das bayerische Landeskriminalamt mit. Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch berichtete von Angststörungen, Sozialphobien und Depressionen wegen derer David S. im vergangenen Jahr stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt wurde.

Debatte in der Sendung "hart aber fair"

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bezweifelt, dass man das Vorhaben des Amokläufers von München früher hätte erkennen können. Die Ärzte, die den jungen Mann vorher wegen einer psychischen Erkrankung behandelt haben, hätten eher eine Suizidgefahr gesehen, sagte Herrmann am Sonntagabend in der ARD-Sendung „hart aber fair“. „Keiner hat gesagt, dass sie die Gefahr gesehen haben, dass er aggressiv gegenüber anderen Menschen werden könnte.“

Die Reporterin der „Süddeutschen Zeitung“, Annette Ramelsberger, sagte dagegen, sie habe mit Mitschülerinnen des Amokläufers gesprochen, die von Drohungen des jungen Mannes berichtet hätten. Er habe gedroht, sie alle umzubringen oder ein Attentat zu verüben, berichtete die Journalistin in der Sendung.
(dpa)

Zur Startseite