Angriffe auf saudische Ölanlagen: Munition für Hardliner in den USA und dem Iran
Die Saudis drosseln die Ölproduktion, doch die Folgen für die Weltwirtschaft dürften begrenzt bleiben. Der Streit der USA mit dem Iran aber droht zu eskalieren.
Die Folgen der jüngsten Eskalation im Konflikt zwischen dem Iran auf der einen und den USA und den arabischen Staaten am Golf auf der anderen Seite sind sogar aus dem Weltraum zu sehen. Satellitenbilder der Nasa zeigten am Wochenende riesige schwarze Rauchfahnen, die aus der weltgrößten Öl-Raffinerie im saudischen Abkaik aufstiegen. Abkaik und die Ölförderanlage Khurais waren aus der Luft angegriffen und teilweise außer Gefecht gesetzt worden.
Saudi-Arabien musste seine Ölproduktion drastisch reduzieren. Die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft werden dennoch wohl begrenzt bleiben – die politischen Konsequenzen dagegen könnten immens sein.
Die vom schiitischen Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen bekannten sich zu den bisher schwersten Anschlägen auf den Ölkonzern Aramco der sunnitischen Regionalmacht Saudi-Arabien: Mit insgesamt zehn Drohnen seien die beiden Anlagen unter Feuer genommen worden. „Ehrenhafte Menschen“ in Saudi-Arabien seien ebenfalls beteiligt gewesen. Möglicherweise war das ein Hinweis auf schiitische Helfer der Huthis im Königreich; Abkaik und Khurais liegen in der Östlichen Provinz von Saudi-Arabien, wo viele Schiiten leben.
Für die weltweite Ölindustrie sind die Angriffe ein schwerer Schock. Saudi-Arabien senkte die Ölförderung um 5,7 Millionen Barrel Öl pro Tag, das ist mehr als die Hälfte der Tagesproduktion des Landes und sechs Prozent der weltweiten Fördermenge pro Tag; ein Barrel sind 159 Liter. Allerdings hat Saudi-Arabien große Mengen von Öl gelagert, sodass selbst der tägliche Ausfall von mehr als fünf Millionen Barrel mehrere Wochen lang ausgeglichen werden kann.
Der politische Schaden könnte weitaus größer sein. Mit Angriffen von Drohnen und Raketen auf Ziele in Saudi-Arabien antworten die Huthi-Rebellen schon seit längerem auf den saudischen Krieg im Jemen. Dort kämpft eine Allianz unter Führung des Königreichs seit fünf Jahren gegen die Rebellen, um die Machtausbreitung des Iran in der Region zu verhindern. Der Stellvertreterkrieg im ärmsten Land der arabischen Halbinsel hat bisher rund 100.000 Menschen das Leben gekostet und die weltweit schlimmste humanitäre Katastrophe verursacht.
Rückschlag für Machthaber Mohammed bin Salman
Die Angriffe vom Wochenende sind auch persönliche Rückschläge für den saudischen Thronfolger Mohammed bin Salman. Er hatte den Krieg im Jemen begonnen und will sich mit dem angekündigten Börsengang von Aramco internationales Kapital für ein ehrgeiziges wirtschaftliches Reformprogramm besorgen.
Dass der Prinz auch saudischer Verteidigungsminister ist, macht die Sache für ihn noch schlimmer. Trotz Militärausgaben von fast 70 Milliarden Dollar im Jahr können die Saudis die vergleichsweise billigen Drohnen der Huthi nicht abwehren.
Saudi-Arabien selbst vermied zunächst eine direkte Schuldzuweisung an den Iran. Dagegen betonte US-Außenminister Michael Pompeo, nach der Entlassung von Sicherheitsberater John Bolton der führende Iran-Hardliner in der Trump-Regierung, alles spreche für einen Angriff durch den Iran. Beweise dafür legte er nicht vor.
Der Iran wies Pompeos Vorwürfe am Sonntag zurück
Medienberichten zufolge verweisen US-Regierungskreise unter anderem darauf, dass die angegriffenen Ölanlagen rund 800 Kilometer vom Jemen entfernt liegen und damit für die Huthis schwer zu erreichen seien. Zudem seien die nordwestlichen Seiten der Anlagen getroffen worden, und nicht die südlichen, wie es bei einem Angriff aus dem Jemen zu erwarten gewesen wäre.
Der Iran wies Pompeos Vorwürfe am Sonntag zurück. Der „New York Times“ zufolge sind UN-Experten der Ansicht, dass die Huthis sehr wohl über Drohnen der nötigen Reichweite verfügen. Es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Iranische Verbündete im Irak oder in Saudi-Arabien selbst könnten verantwortlich gewesen sein.
US-Politiker fordern bereits Militärschläge gegen den Iran
Ob der Iran direkt an den Angriffen beteiligt war, oder ob iranisch unterstützte Gruppen am Werk waren, ist jedoch fast schon Nebensache. In zwei Wochen stand bisher ein mögliches Treffen von US-Präsident Donald Trump und seinem iranischen Amtskollegen Hassan Ruhani an.
Trump hatte mehrmals erklärt, er wolle mit dem Iran über den Streit um das Teheraner Atomprogramm sprechen, der in den vergangenen Monaten militärische Spannungen am Golf ausgelöst hatte. Nach Boltons Abschied aus dem Weißen Haus vorige Woche waren die Chancen für den ersten amerikanisch-iranischen Gipfel gestiegen.
Doch nun stehen die Zeichen wieder auf Konfrontation. Noch bevor die Details der Angriffe geklärt waren, forderten US-Politiker bereits Militärschläge gegen den Iran. Der einflussreiche republikanische Senator Lindsay Graham schlug auf Twitter vor, Teheran mit US-Angriffen auf iranische Ölanlagen zu bestrafen. Auch im Iran sehen sich die Hardliner in der Auseinandersetzung mit den USA und den Saudis gestärkt. Die Revolutionsgarden erklärten am Sonntag drohend, US-Militäreinrichtungen am Golf lägen in Reichweite iranischer Raketen.
Thomas Seibert