Zehn Jahre Islamkonferenz: Mühsames Ringen um ein „Wir“
Die Deutsche Islamkonferenz begeht ihr zehnjähriges Jubiläum. Ursprünglich sollte sie nur zwei Jahre dauern, doch inzwischen ist ein Ende nicht abzusehen. Im Gegenteil.
Ursprünglich sollte die Deutsche Islamkonferenz (DIK) nur zwei Jahre dauern. Daran erinnerte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beim Festakt zum zehnjährigen Bestehen am Dienstag in Berlin. Er hatte seinerzeit noch als Bundesinnenminister die Dialogplattform zwischen Staat und Islam ins Leben gerufen, um die religions- und gesellschaftspolitische Integration der rund vier Millionen Muslime voranzubringen. Doch auch nach zehn Jahren ist ein Ende nicht abzusehen, ganz im Gegenteil.
Dass Schäuble dennoch von einer „Erfolgsgeschichte“ sprach - selbst vor dem Hintergrund der derzeitigen „furchtbar aufgewühlten Debatten“ - gehört zum Lernprozess dieses Dialogs. Und bei allen unterschiedlichen Bewertungen waren sich die Vertreter von Staat wie von Verbänden und Wissenschaft einig, dass das institutionalisierte Gespräch einen grundsätzlichen Fortschritt darstelle.
Die durchaus offenen Worte des Lobes wie der Kritik zeigten, dass sich wohl so etwas wie ein „Wir-Gefühl“ eingestellt hat - wie es Schäuble nannte. Angesichts von islamistischem Terror einerseits und fremdenfeindlichen Übergriffen andererseits, sei das „Wir“ derer entscheidend, die sich gegen beides wendeten, betonte er. Der Anschlag auf eine Moschee in Dresden in der Nacht zum Dienstag verlieh dieser Mahnung Nachdruck.
Fast schon als symbolischer Kontrapunkt trat zu Beginn des Festaktes das Dresdner interreligiöse Orchester „Ave Pax“ mit muslimischen, jüdischen, christlichen und buddhistische Klängen auf. Die Gruppe hatte sich vor dem Hintergrund der Pegida-Demonstrationen in der sächsischen Landeshauptstadt gebildet.
Wolfgang Schäuble bekräftigt seine Aussage, dass der Islam "Teil von Deutschland" sei
Schäuble bekräftigte seine Aussage, dass der Islam „Teil von Deutschland“ sei und wandte sich gegen pauschale Islamkritik. Die Muslime seien „in ganz praktischem Sinne“ in Deutschland angekommen. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) nannte hierfür als Beispiele den islamischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen, die Einrichtung theologischer Lehrstühle für Islam und den Aufbau einer muslimischen Wohlfahrtspflege.
Beide Minister machten aber auch klar, dass es noch vieler Schritte zu einer vollen Integration bedarf. So bezeichnete de Maiziere die Verbände zwar als „Gesicht und Stimme“ des institutionalisierten Islam. Er forderte von ihnen aber auch transparente und repräsentative Strukturen, um als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden. Dies verlangen die Verbände seit Beginn der DIK, allerdings ohne sich den verfassungsrechtlichen Vorgaben beugen zu wollen.
De Maiziere mahnte nach den Terroranschlägen von Islamisten in Europa auch eine stärkere Auseinandersetzung gerade der Verbände mit dem Gewaltpotenzial im Islam an. Der Hinweis, das habe mit dem Islam nichts zu tun, reiche nicht aus. Und er wies eine ausländische Einflussnahme über die Verbände als inakzeptabel zurück.
Bekir Alboga von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) machte seinerseits aus seinem Unmut keine Hehl: Statt eines wirklichen gesellschaftlichen Dialogs herrsche derzeit ein „donnerndes Schweigen“. „Irgendetwas ist anderes geworden in Deutschland“, das erschwere „eine Sichtbarmachung der Erfolge“ der Konferenz. Er wies den Vorwurf zurück, Verbände seien Vertreter ausländischer Mächte. Und er beklagte, dass sich die islamische Theologie an Universitäten verselbstständige.
Mit seiner Warnung vor einem „de-kulturierten Islam“, der feste Wurzeln kappe und kein gemeinschaftliches Bezugssystem habe, spannte sich aber wieder ein Bogen zu Schäubles Forderung nach einem Islam, „der sich in Deutschland zu Hause fühlt“.
Damit war der Festakt selbst ein beredtes Beispiel, wie notwendig die DIK weiterhin ist. Schäuble rechtfertigte ausdrücklich seine Entscheidung, neben den Verbänden auch kritische Einzelvertreter einzubeziehen. Es gebe „kein Monopol“ auf Vertretung. Ihr Stimme fehlte allerdings bei den Festreden. Stattdessen meldeten sie sich über die Medien zu Wort. Die Soziologin und ehemalige Teilnehmerin Necla Kelek forderte im Deutschlandfunk von der Regierung, die Islamkonferenz der Demokratie zu verpflichten - auch was die Gleichberechtigung von Mann und Frau betreffe. (KNA)