Anschläge in Dresden: Innenminister Ulbig: Familie des Imams war in Gefahr
Unbekannte haben Sprengsätze an einer Moschee und einem Kongresszentrum in Dresden gezündet. Die Polizei geht von einem fremdenfeindlichen Motiv aus und zieht nun für die Einheitsfeier geplante Sicherheitsmaßnahmen vor.
Nach den Sprengstoffanschlägen in Dresden hat die sächsische Polizei Sicherheitsmaßnahmen für die Einheitsfeierlichkeiten am 3. Oktober vorgezogen. "Der Einsatzmodus hat diese Nacht begonnen", erklärte der sächsische Innenminister Markus Ulbig am Dienstagmittag. "Der Kontrollbereich für das Festgelände wird eingerichtet, es wird Objektschutzmaßnahmen geben".
Zuvor hatte der Innenminister mit der Familie eines Imams gesprochen, dessen Moschee in der Nacht zuvor zum Ziel eines Sprengstoffanschlages geworden war. Zwar gab es keine Verletzten. "Aber es bestand die Gefahr, dass die Familie und die Kinder Schaden nehmen", sagte Ulbig, "man kann verstehen, dass die Menschen verängstigt sind." Die Familie mit den sechs und zehn Jahre alten Söhnen habe hinter der Tür gewohnt, vor der der Sprengsatz hochgegangen ist. "Das ist ein feiger Anschlag", sagte Ulbig. Genauere Details wollte die Polizei am Dienstagmittag nicht mitteilen. Die Ermittlungen hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden übernommen. Es wurde ein Verfahren gegen Unbekannt „wegen des Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion" eingeleitet.
Am Montagabend waren in Dresden vor einer Moschee und einem internationalen Kongressgebäude zwei Sprengstoffanschläge verübt worden. „Auch wenn uns bislang kein Bekennerschreiben vorliegt, müssen wir von einem fremdenfeindlichen Motiv ausgehen“, teilte die Polizei in Dresden am Dienstagmorgen mit. Es entstand Sachschaden in unbekannter Höhe. Das für extremistische Straftaten zuständige Operative Abwehrzentrum (OAZ) der Polizei Sachsen übernahm die Ermittlungen.
Die Beamten wurden am Montagabend um 21.53 Uhr über die erste Detonationen informiert. An der Moschee in der Hühndorfer Straße stellten die Ermittler fest, dass ein selbstgebauter Sprengsatz die Explosion ausgelöst hatte. Der Imam und seine Frau und seine beiden Söhne befanden sich nach Angaben der Polizei zum Zeitpunkt in der Moschee. Sie blieben alle unverletzt. Durch die Druckwelle ist die Eingangstür eingedrückt worden. In der "Sächsischen Zeitung" berichtet der 46 Jahre alte Imam, Hamza Turan, von sechs Flaschen, die am Tatort gefunden wurden. Diese sollen mit einem Kraftstoffgasgemisch gefüllt gewesen sein.
Um 22.19 wurden die Beamten über eine weitere Explosion informiert. Diesmal am internationalen Kongressgebäude in der Devrientstraße. Dort hat die Explosion die Seite eines Glasquaders zerstört, zudem musste die Hotelbar evakuiert werden. "Beide Anschläge stehen zeitlich im Zusammenhang, wir müssen von einem fremdenfeindlichen Motiv ausgehen", erklärte Dresdens Polizeipräsident Horst Kretzschmar, "gleichzeitig sehen wir auch eine Verbindung zu den Feierlichkeiten anlässlich des Tages der deutschen Einheit am kommenden Wochenende". Bereits in der Nacht stimmte die Polizei laut Pressemitteilung mit dem türkischen Generalkonsul den Schutz islamischer Einrichtungen in der Stadt ab. Seitdem werden in Dresden drei Moscheen, ein Versammlungszentrum und ein Gebetsraum durch Sicherheitskräfte bewacht.
2600 Polizisten werden rund um die Einheitsfeier im Einsatz sein
Die Sicherheitsvorbereitungen für die Einheitsfeier werden noch weiter intensiviert. "Die Ereignisse haben natürlich Auswirkungen auf unsere laufenden Einsatzvorbereitungen", sagte Kretzschmar, "ab sofort arbeiten wir im Krisenmodus." Abgesehen von der zeitlichen Verschiebung haben die Anschläge allerdings keine Auswirkung auf das Sicherheitskonzept. "Was wir geplant hatten, ist von den Kräften her ausreichend", sagte Innenminister Markus Ulbig, "wir haben keinen Anlass an der Konzeption der Polizeidirektion zu zweifeln." Dieses sieht für die Einheitsfeierlichkeiten insgesamt 2600 Polizeibeamte vor, darunter sind 110 Spezialkräfte und sieben Hundertschaften der sächsischen Bereitschaftspolizei. Außerdem bringt die Polizei 1400 Betonteile und 3800 Meter Absperrgitter aus.
Die Fatih-Moschee hatte bereits in der Nacht, etwa sechs Stunden vor der Mitteilung der Dresdner Polizei, auf Facebook über den Sprengstoffanschlag informiert. Polizeichef Horst Kretzschmar erklärte, er habe sich für eine Pressemitteilung um 8 Uhr entschieden, "ich wollte schon wissen, welche Ermittlungsansätze sich ergeben." Radio Dresden berichtete zudem, der Tatort an der Moschee sei erst am späten Vormittag von der Polizei abgesperrt worden, nachdem dort zuvor zahlreiche Menschen herumgelaufen seien. Dem widersprach der Polizeichef: Der Tatort sei abgesperrt gewesen, als er ihn gegen ein Uhr nachts besucht habe.
De Maizière: Zunehmende Agressivität gegenüber Muslimen
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verurteilte die Anschläge scharf. Die Vorfälle seien "empörend", sagte er beim Festakt zum zehnjährigen Bestehen der Deutschen Islamkonferenz - und beklagte zugleich eine zunehmende Aggressivität gegenüber Muslimen in Deutschland. Das wolle er nicht, sagte er. Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) äußerte sich empört. "Ich verurteile den feigen Anschlag auf das Schärfste", erklärte Tillich. Dies sei "nicht nur ein Anschlag auf die Religionsfreiheit und die Werte einer aufgeklärten Gesellschaft". Hier sei auch bewusst der Tod von Menschen in Kauf genommen worden.
Die türkische Botschaft in Berlin erklärte mit Blick auf den Anschlag auf die Dresdner Moschee auf Twitter: "Eine gemeinsame Haltung gegen Islamfeindlichkeit ist wichtig."
Der Sprecher für Religion und Migration der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, äußerte sich schockiert über den Vorfall. "Anschläge auf Gotteshäuser sind Anschläge auf die Demokratie und die Freiheit von uns allen", erklärte Beck. "Wer Gotteshäuser anzündet, schreckt auch nicht davor zurück, Menschen zu töten." Es sei "kein Unterschied, ob das Ziel eine Moschee oder eine Kirche, eine Synagoge oder ein Tempel ist".
Linke spekuliert über Verbindungen zu Rechtsterroristen aus Freital
Die Linksfraktion im sächsischen Landtag spekulierte über mögliche Verbindungen zu Rechtsterroristen in der Kleinstadt Freital bei Dresden. "Wenn sich der Verdacht der Polizei auf ein fremdenfeindliches Motiv erhärtet, ist nunmehr zum dritten Mal in kurzer Zeit – nach der ,Oldschool Society' und der ,Gruppe Freital' – eine mutmaßlich rechtsterroristische Gruppierung im Freistaat Sachsen in Erscheinung getreten", erklärte die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz. Sie sagte weiter: "Mehrere Beschuldigte im Freital-Verfahren weisen Bezüge in die Landeshauptstadt auf. Ich gehe davon aus, dass die Polizei auch in diese Richtung umfassend ermitteln wird."
Für einen rechtsmotivierten Hintergrund spricht darüber hinaus, dass die Anschläge am Jahrestag des Oktoberfest-Attentats 1980 stattfanden. Zudem habe am Montag unweit des Tatortes am Kongresszentrum der NSU-Ausschuss des Landtages getagt – "womöglich handelt es sich um eine Drohgebärde". Weit gravierender sei, dass bei dem Anschlag auf die Moschee im Stadtteil Cotta Menschenleben offenbar aufs Spiel gesetzt worden seien. "Das ist der Gipfel einer seit Monaten weithin ungebremsten Radikalisierung von rechts, die sich insbesondere im Raum Dresden beobachten lässt."
Unverständlich äußerte Köditz darüber, dass die Öffentlichkeit von der Polizei erst einen halben Tag nach dem Geschehen offiziell informiert wurde. "Ich zähle darauf, dass wenigstens die Ermittlungen professionell laufen werden – und die Staatsregierung endlich ernsthaft gegen rechte Gewalt einschreitet."
SPD: Rechte blasen zum großen Angriff auf die Demokratie
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Christian Hartmann, verurteilte die Anschläge aufs Schärfste. "Es ist nun wichtig, dass die Sicherheitsbehörden ihren Ermittlungen nachgehen können und die genauen Hintergründe klären", sagte Hartmann. "Die Täter dürfen sich keinesfalls sicher sein, dass sie damit davon kommen." Hartmann verweist auf die hohen Erfolgsquoten des OAZ, das die Ermittlungen übernommen hat.
Mit Blick auf die bevorstehenden Feierlichkeiten auf den Tag der Deutschen Einheit warnte der Innenpolitiker vor Panik und ruft zur Besonnenheit auf: "Die Sicherheitsbehörden sind auf das Großereignis in unserer Stadt bestens vorbereitet und werden die Sicherheitsvorkehrungen nach den jüngsten Ereignissen noch einmal neu bewerten und falls notwendig anpassen", versicherte er.
Albrecht Pallas, Innenpolitiker der SPD-Landtagsfraktion, erklärte: "Hier blasen Rechte zum großen Angriff auf die Demokratie und andere Kulturen." Demokraten dürften sich jetzt nicht unterkriegen lassen. "Gerade jetzt brauchen wir mehr Demokratie, mehr Offenheit, aber auch eine klare Kante gegen Demokratiefeinde, die unsere Werte und unsere Rechtsordnung in Frage stellen." Pallas sagte weiter, er gehe davon aus, dass das Sicherheitskonzept für das Deutschlandfest nach diesen Taten angepasst werde.
Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry warnte vor negativen Pauschalurteilen über Sachsen. „Angesichts der Verunglimpfungen, die in letzter Zeit von Seiten des politisch-medialen Establishments speziell auf das Bundesland Sachsen niedergingen, warnen wir davor, hier die nächste verbale Eskalationsstufe zu zünden“, erklärte Petry am Dienstag in Dresden. Bevor die Hintergründe der Taten nicht aufgeklärt seien, sollte man sich vor „Vorverurteilungen“ hüten. „Ein Anschlag auf ein Haus, in dem Menschen Gott verehren, ist barbarisch, sei es nun eine Kirche, Moschee oder Synagoge“, sagte Petry. Viele AfD-Mitglieder seien „regelmäßig extremistischen Gewalttaten ausgesetzt“ und wüssten daher, „wie sich das anfühlt“. Deshalb solidarisiere sich ihre Partei mit den Betroffenen.
Pegida-Chef Lutz Bachmann distanzierte sich von Gewalt. Auf Facebook spekulierte er: "Hintergrund eventuell eine Terrorwarnung für Dresden am 3.Oktober um Demos komplett zu untersagen?" Pegida plant für den 3. Oktober eine Demonstration in Dresden, ebenso wie Bachmanns frühere Mitstreiterin Tatjana Festerling, die sich seit Wochen mit ihm in einem erbitterten Streit befindet. (mit KNA/epd/dpa)
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