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Präsident von Deutschland für ein paar Stunden: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller.
© imago images / Christian Thiel

Abtreten, Antreten, Glückwunsch!: Michael Müller und die drei mächtigsten Frauen Deutschlands

Ausnahmsweise mal keine Flughafen-Scherereien und parteiinterne Grabenkämpfe: Michael Müller gefällt sich sichtbar als Hausherr im Schloss Bellevue.

Michael Müller ist schon weit vor der Zeit da. Er lässt sich erklären, wie das hier so läuft. Ausgerechnet bei einem mit Fug und Recht historisch zu nennenden Kabinettswechsel ist der Hausherr, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, im Urlaub. Auch sein Vertreter, Bundesratspräsident Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, ist nicht verfügbar. Er ist auf Besuch in Namibia, wo er sich übrigens zur Schuld deutscher Truppen an Verbrechen während der Kolonialzeit bekennt.

So kommt ein höchst seltener Fall zum Tragen, Müller springt für eine Minister-Entlassung und Minister-Ernennung ein. Auch in den Ferien funktioniert der Staat.

„In Wahrnehmung der Befugnisse des Bundespräsidenten gemäß Artikel 57 des Grundgesetzes händigt der 1. Vizepräsident des Bundesrates, Michael Müller, auf Vorschlag der Bundeskanzlerin gemäß Artikel 64 Absatz 1 des Grundgesetzes, der Bundesministerin der Verteidigung, Ursula von der Leyen, die Entlassungsurkunde aus ihrem Amt aus“, heißt es in der eilig am Vorabend um 22.05 Uhr verschickten Presseeinladung in das Schloss Bellevue.

Michael Müller und die drei mächtigsten Frauen Deutschlands

Und als sich pünktlich um 11 Uhr die weißen Flügeltüren öffnen, schreitet Berlins Regierender Bürgermeister mit den drei mächtigsten Frauen Deutschlands in den Großen Saal von Schloss Bellevue.

Es nehmen auf drei Stühlen Platz: Bundeskanzlerin Angela Merkel, die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Und die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Auch hier sitzt man nun, aus Rücksicht auf die jüngsten Zitterprobleme der Kanzlerin.

Historisch ist dieser 17. Juli aus zwei Gründen:

  • Erstmals wechselt eine Frau aus dem deutschen Kabinett auf den Chefposten der Regierung Europas in Brüssel.
  • Und erstmals tritt eine CDU-Chefin in ein Bundeskabinett ein, das von einer anderen CDU-Politikerin geleitet wird.

Konrad Adenauer blieb zwar nach dem Rücktritt als Kanzler CDU-Chef und piesackte seinen Nachfolger Ludwig Erhard, wo er nur konnte. Und Franz Müntefering und Willy Brandt steuerten die SPD, aber ohne unter SPD-Kanzlern Gerhard Schröder und Helmut Schmidt (der Brandt nach seinem Rücktritt als Kanzler nachfolgte) in das Kabinett einzutreten und sich als Minister unterzuordnen.

„Heute ist kein Tag wie jeder andere im Schloss Bellevue“

Merkel ist hier normalerweise fast Statistin, ein Handschlag für Entlassene, ein Handschlag für den Nachfolger oder die Nachfolger, Lächeln beim gemeinsamen Foto. Doch heute hat sie auch noch Geburtstag, der 65. Sie Sonne strahlt draußen beim Blick aus dem Fenster, das Grün vor dem weißen Schloss ist akkurat geschnitten wie immer. Es passt irgendwie alles. Aber keiner weiß, was aus dieser Rochade folgt. Es ist volles Risiko, dazu später.

Müller sagt keine Phrase, wenn er am Pult des Bundespräsidenten stehend sagt: „Heute ist kein Tag wie jeder andere im Schloss Bellevue.“ Und für die, die ihn nicht kennen sollten, stellt er klar: „Hier steht nicht der Bundespräsident.“

Und er sagt an Angela Merkel gerichtet: „Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Frau Merkel, zu Ihrem heutigen Geburtstag wünsche ich, und ich bin sicher: alle hier, alles erdenklich Gute. Herzlichen Glückwunsch!“

Dann wendet er sich der zweiten Dame zu: Von der Leyens Entlassung als Bundesministerin sei kein Abschied, sondern der Auftakt zu einem neuen Lebensabschnitt im Dienste Europas. „Vierzehn Jahre waren Sie im Bundeskabinett. Ich weiß nicht, ob Sie mitgezählt haben: Mehr als 700-mal saßen Sie mittwochs am langen Kabinettstisch im Kanzleramt.“

Ein Blick in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zeige, dass nur sehr wenige gibt, die auf eine so lange Amtszeit als Bundesministerin oder Bundesminister zurückschauen können. Sie war immer in den Kabinetten Merkels dabei, als Familien-, Arbeits- und Verteidigungsministerin. „In diesen vierzehn Jahren haben Sie Deutschland gedient, und Sie haben sich um Deutschland verdient gemacht. Dafür möchten wir Ihnen danken.“

Was Müller nicht erwähnt: Die SPD votierte geschlossen gegen von der Leyen

Er erinnert an ihr Eintreten für eine verbindliche Frauenquote in Aufsichtsräten, den Ausbau der Betreuung von Kleinkindern und die Umsetzung des Elterngelds, bei allen Mängeln in der Bundeswehr sei die Truppe als Arbeitgeber attraktiver geworden, und der Wehretat deutlich angewachsen. Europa sei heute innen wie außen schweren Anfechtungen ausgesetzt, auf von der Leyen warte eine große Aufgabe. „Ich wünsche Ihnen dafür viel Kraft, Glück und Erfolg!“

Dass seine eigene Partei, die SPD mit ihren 16 Abgeordneten von der Leyen im Europaparlament fast das neue Amt als EU-Kommissionschefin gekostet hätte, spart Müller hier mal lieber aus.

Dann gibt es noch ein paar Worte an die neue Chefin im Verteidigungsressort, die die wenigsten am Vortag noch hier erwartet hätten. „Unser Land braucht eine starke Bundeswehr, und die Bundeswehr braucht starken Rückhalt in der Politik und in der ganzen Gesellschaft“, gibt Müller Annegret Kramp-Karrenbauer mit auf den Weg.

[Mehr zum Thema: Lesen Sie hier, wie Annegret Kramp-Karrenbauer ins Amt als Verteidigungsministerin startete]

Die Urkunden werden überreicht, unterschrieben von Merkel und Müller – etwas für die Geschichtsbücher. Mit seiner Unterschrift sind nun drei Saarländer im Kabinett (neben Kramp-Karrenbauer noch Peter Altmaier und Heiko Maas). Gemessen an der Bevölkerungsgröße müsste Nordrhein-Westfalen bei einer fairen Proporzverteilung eigentlich 52 zusätzliche Ministerposten bekommen.

Dann brausen die drei Damen mit den dunklen Limousinen davon – Müller gefällt sein kurzer Einstand offensichtlich so gut, dass er noch durch das Schloss schlendert. Auf der Treppe draußen quatscht er länger mit dem Chef des Bundespräsidialamtes, Stephan Steinlein. Er hat es nicht eilig, so ein Tag ist doch schöner als Flughafen-Scherereien und parteiinterne Grabenkämpfe in Berliner Bezirken.

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