Migranten an der mexikanischen Grenze: Mexiko ist Trumps Abfangjäger
Hunderte Migranten wollen die Grenze überwinden - doch Mexikos Soldaten halten sie auf. Was ist aus der liberalen Flüchtlingspolitik des Präsidenten geworden?
Als Andres Manuel Lopez Obrador vor gut anderthalb Jahren seinen Siegeszug im mexikanischen Präsidentschafts-Wahlkampf begann, wollte er alles anders machen. Mit ihm als Regierungschef werde Mexiko eine humanitäre Flüchtlingspolitik machen, versprach „Amlo“ wie ihn seine Anhänger rufen.
Die katholische Kirche, Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen sahen in ihm einen Gegenpart zum US-Präsidenten Donald Trump und dessen bisweilen offen rassistischen und latino-feindlichen Attacken gegen Migranten und Einwanderer aus Lateinamerika.
Seit mehr als einem Jahr ist Lopez Obrador im Amt. Und geblieben ist von seiner menschlichen Variante der Flüchtlingspolitik nicht viel.
Mehr als 10.000 Abschiebungen
Von Januar bis August 2019 schob Mexiko 10.2314 Mittelamerikaner in ihre Heimat ab. Dem guatemaltektischen Institut für Migration zufolge war das eine Steigerung von 63 Prozent und ein neuer Rekord. Spötter sagen, Lopez Obrador macht für Trump die Drecksarbeit. Menschenrechtler sagen, er tritt die Rechte der Migranten mit Füßen.
In diesen Tagen, in denen sich wieder einmal eine Karawane von Migranten aus Honduras auf den Weg in Richtung USA gemacht hat, spüren die Asylsuchenden die neue harte Hand aus Mexiko-Stadt. Sie ist eine direkte Folge der Verhandlungen von Washington mit Lopez Obrador.
Trump drohte vor ein paar Monaten mit Sonderzöllen von 25 Prozent auf in Mexiko hergestellte Produkte, wenn Mexiko die Migranten nicht stoppe. Das hätte für die mexikanische Wirtschaft verheerende Folgen gehabt. Seitdem funktioniert Lopez Obrador so wie es sich Trump gewünscht hatte – und spielt den Abfangjäger.
Am Montag stoppte Lopez Obrador einen unkontrollierten Grenzübertritt von rund 500 Migranten aus Honduras über den Fluss Suchiate an der Südgrenze Mexikos. Sicherheitskräfte bildeten eine menschliche Mauer, jagten jenen Migranten hinterher, die es über den Fluss auf mexikanisches Gebiet geschafft hatten und brachten sie wieder zurück.
Und sie setzten Tränengas ein. Wie die US-Beamten vor über einem Jahr als mittelamerikanische Migranten in Tijuana versuchten, die US-Grenze Richtung San Diego zu überrennen und scheiterten. Die Bilder werden ihre Wirkungen nicht verfehlen – nicht nur in Mittelamerika, wo sich die bettelarmen Migranten ob der Vorgehensweise der Sicherheitskräfte von den „mexikanischen Brüdern“ verraten fühlen.
Der Drogenkrieg beherrscht Mexiko
Alejandro Solalinde, jahrelang engagiertester Vorkämpfer für die Rechte mittelamerikanischer Migranten und über die Landesgrenzen hinaus bekannter katholischer Priester, befürwortet den Kurswechsel der linksgerichteten Regierung von Lopez Obrador.
Zunächst müsse Mexiko erst einmal die Probleme im eigenen Land lösen, sagt der Mann, der wegen seines Einsatzes für Migranten den Nationalen Menschenrechtspreis erhielt. Er hat allerdings nicht Unrecht. Denn am Montag wurde bekannt: Lopez Obradors erstes Amtsjahr ist mit über 34.000 Morden das blutigste in der Geschichte des Landes. Der Drogenkrieg hat das Land fest im Würgegriff.
Am Rio Suchiate entscheidet sich nun, ob Mexiko seine neue harte Politik gegenüber den vor Armut und Gewalt fliehenden Menschen aus Mittelamerika durchsetzen kann. In Washington wird Trump das alles sehr genau beobachten. In diesem Jahr sind Wahlen in den USA.
Trumps Anhänger werden feiern
Doch jetzt hat erst einmal Mexiko das Problem. Trump kann eigentlich nur gewinnen: Mexikos hartes Vorgehen werden dessen Anhänger als einen Triumph ihres Präsidenten feiern. Aber auch wenn es Lopez Obrador nicht gelingt, die Karawane vor der US-Grenze zu stoppen, hat Trump gesiegt. Mit nichts kann der Präsident seine Anhänger besser mobilisieren, als Bildern von Migranten, die unkontrolliert über Grenzen stürmen.