Kampf um den CDU-Vorsitz: Merz, Spahn und Kramp-Karrenbauer im Kandidatencheck
Die CDU hat die Wahl – drei Bewerber, drei Typen, drei Zukunftsentwürfe. Sie stellen sie sich am Freitag dem Parteitag in Hamburg. Eine letzte Prüfung.
Die Umstände sind ungewöhnlich, erst recht für die Volkspartei CDU. Angela Merkel gibt nach langen 18 Jahren den Parteivorsitz ab – nicht aber das Kanzleramt. Drei Partei-Promis wollen ihr nachfolgen – erst in der Partei, perspektivisch im Kanzleramt. Auf acht Regionalkonferenzen hat sich das Trio präsentiert. Kein klarer Favorit ging daraus hervor. Programmatisch hat die Tournee sie sogar eher abgeschliffen. Von mehr Mitsprache der Partei bis Steuerreform hat jeder die Versprechen der anderen übernommen. Trotzdem sind die Unterschiede offenkundig.
Wir unterziehen die Kandidaten einer letzten Prüfung auf Positionen, Performance und Perspektiven, in der alphabetischen Reihenfolge, in der sie sich am Freitag in Hamburg vorstellen werden. Dann haben 1001 Delegierte das allerletzte Wort.
ANNEGRET KRAMP-KARRENBAUER
Positionen
Die CDU-Generalsekretärin hat mit dem Vorurteil zu kämpfen, sie sei so etwas wie die Neuauflage Merkels auf Saarländisch. Sie hat auch deshalb oft Positionen nach vorn gestellt, die bei Merkel-Kritikern und -skeptikern gut ankommen. Dazu gehörten gesellschaftspolitisch konservative Punkte wie ihr katholisches Nein zur Ehe für alle, aber auch eine harte Haltung zum Umgang mit straffällig gewordenen Asylbewerbern: Nach der Haft abschieben – und für Schwerkriminelle ein lebenslanges Einreiseverbot für den Schengen-Raum.
Performance
Ihre größte Schwachstelle ist die schwankende Leistung als Rednerin. AKK, wie sie alle nennen, kann durchaus energisch auftreten, auch schlagfertig. Aber im direkten Rhetorik-Vergleich zu den zwei Männern wirkten ihre Aussagen oft umständlich und wenig auf den Punkt. Das lag manchmal daran, dass die frühere Saar-Ministerpräsidentin eher konkrete Lösungsideen für Probleme vortrug als Schlagworte. Wo etwa Merz Jubel kassierte für den Satz, es dürfe nicht sein, dass muslimische Kinder in der Koranschule indoktriniert würden, erläuterte AKK, der Staat müsse dann eben selber Islam-Lehrer beschäftigen.
Perspektive
Der 56-Jährigen wird zugetraut, die Mehrheit zu gewinnen. Starke Unterstützung hat sie aus der Frauen-Union und im Arbeitnehmerflügel. Ihr halbes Jahr als Generalsekretärin, die sich um neue Diskussionskultur bemüht, hat ihr Sympathien eingetragen. Dass sie für eine Abwandlung, nicht für den Bruch mit Merkels Kurs steht, sichert ihr Stimmen aus dem Lager der Modernisierer, die davor warnen, die schweren Verluste an die Grünen bei den letzten Wahlen zu vernachlässigen.
Nicht zuletzt gilt sie als Kandidatin vieler Mandatsträger, die angesichts von Umfragen und Stimmungslage keine Lust auf frühe Neuwahlen haben. Kramp-Karrenbauer muss nicht extra versichern, dass sie mit einer Kanzlerin Merkel bis 2021 gut zusammenarbeiten würde. AKK will bei einer Niederlage kein Amt mehr übernehmen; ein Ehrenamt in der Parteiführung würde sie aber kaum ausschlagen.
FRIEDRICH MERZ
Positionen
Der frühere Fraktionschef hatte das umgekehrte Problem: Er gilt seit langem und erst recht nach seinem Ausstieg aus der aktiven Politik als der leibhaftige Anti-Merkel. Er hat darum besonders in der Anfangsphase viel Wert darauf gelegt, umstrittene Entscheidungen wie die Abkehr von der Wehrpflicht oder selbst Merkels Entscheidung zur Aufnahme der Ungarn-Flüchtlinge im Herbst 2015 nicht in Frage zu stellen. Mit zwei inhaltlichen Vorstößen stach er aus dem Bewerberfeld heraus. Die Idee, das Asylgrundrecht einzuschränken, trug ihm harte Kritik auch aus der Union ein. Zur Kontroverse führte auch der Vorschlag, Aktienkäufe zu Rentenzwecken steuerlich zu fördern.
Performance
Die größte Stärke des Sauerländers ist bis heute sein Redetalent. In der Disziplin „klarer Satzbau“ macht ihm keiner etwas vor. Das half ihm gelegentlich über Punkte hinweg, mit denen er als Wiedereinsteiger nicht im Detail steckte. Merz bedient so eine Sehnsucht nach Eindeutigkeit und Führungsstärke, die sich in der Partei in den Merkel-Jahren angestaut hat. Mit ihm im Wahlkampfmodus jubelnd über Marktplätze zu ziehen, ist für viele ein verlockender Gedanke.
Perspektive
Auch Merz hat Chancen auf die Mehrheit. Der Wirtschaftsflügel will ihn. Unter Konservativen und in den Ost-Ländern gilt er als der Mann, der alleine durch seine Person Wähler von der AfD zurückholen kann. Wenn jemand Unentschlossene durch eine glänzende Vorstellungsrede in letzter Minute zu sich herüberziehen kann, dann am Ehesten er.
Skeptischer sehen selbst manche Anhänger die Chancen, dass Merz mit Merkel ein gedeihliches Duo bilden könnte. Der 63-Jährige versichert, er werde schon aus Respekt vor dem Staatsamt nicht quertreiben. Aber alleine die Erwartung seiner Anhänger und die Aussicht, dass jede Differenz sofort zum Thema würde, lassen an einem jahrelangen friedlichen Nebeneinander zweifeln.
Ob Merz bei einer Niederlage in nachgeordneter Funktion der Partei treu bliebe, ist unklar. Aber schon um zu verhindern, dass enttäuschte Merzianer sich abwenden, würden ihn viele sicherlich zum Bleiben drängen.
JENS SPAHN
Positionen
Spahn hat sich von Anfang an stark auf das Thema konzentriert, das ihn vom Merkel- Kritiker zum Star gemacht hat: die Migrationspolitik der Kanzlerin, „der weiße Elefant im Raum“, wie er selbst formuliert hat. So hat er sich auch als einziger aus dem Trio nicht hinter den UN-Migrationspakt gestellt, sondern einen Beschluss des Parteitags gefordert. Diese Linie passte gut zum zweiten Schlüsselwort seiner Kampagne: „Debatte“. Dass die CDU wieder mehr über inhaltliche Themen diskutieren müsse, und zwar bevor die Realpolitik des Regierungs- und Koalitionsalltags dann oft schmerzliche Kompromisse verlangt, versprechen alle drei Kandidaten. Doch keiner antwortete so konsequent wie Spahn auf Fragen mit der Forderung, darüber eine Debatte zu führen.
Performance
Auch Spahn kann in Haupt- und wenigen Nebensätzen reden – Subjekt, Prädikat, Objekt. Dass er als Außenseiter in dieses Rennen startete, war auf den Regionalkonferenzen weder an seiner Präsenz noch am Beifall ablesbar. Unter den Jüngeren ist der 38-jährige Münsterländer unstreitig ein großes Talent.
Perspektive
Genau das macht ihn freilich in dieser Bewerbungsrunde zum Chancenlosen. Merz besetzt das Feld des Anti-Merkel gründlicher, und Spahn ist anders als der 63-Jährige Sauerländer jung genug, um seine bisherigen Unterstützer leichten Gewissens ins Merz-Lager wechseln zu lassen: Für den Jens, sagen sie, wird schon noch die Stunde kommen. Ein Bombenergebnis für die Rückkehr ins Parteipräsidium ist dem Gesundheitsminister als Trostpreis so gut wie sicher.