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Die letzten Rohre für die Pipeline Nord Stream 2 sollen bis Ende August verlegt sein.
© Stefan Sauer/dpa

Streit um Nord Stream 2: Merkels Problem mit der Leitung

Die Kanzlerin will in den USA den Streit um Nord Stream 2 beilegen - und dämpft zur Sicherheit die Erwartungen. Die Ukraine setzt auf Hilfe aus Washington.

Südlich von Bornholm läuft ein Wettlauf gegen die Zeit. Unweit der dänischen Ostsee-Insel sind die russischen Verlegeschiffe „Fortuna“ und „Akademik Tscherski“ im Einsatz, um die Gas-Pipeline Nord Stream 2 fertigzustellen. Derzeit sieht es so aus, als würde die Gazprom-Tochter die letzte der beiden Röhren schließen, bevor sich in Berlin nach der Bundestagswahl die politischen Rahmenbedingungen ändern könnten und bevor es sich die USA eventuell anders überlegen und doch noch weitere Sanktionen verhängen.

„Wir gehen davon aus, dass die Bauarbeiten Ende August beendet sind“, sagte der Geschäftsführer von Nord Stream 2, Matthias Warnig, dem „Handelsblatt“. Nicht beendet ist allerdings der politische Streit um die Pipeline, der das Verhältnis Deutschlands zu seinen östlichen Nachbarn und auch zu den USA belastet. Die Reise von Kanzlerin Angela Merkel nach Washington in dieser Woche ist auch der Versuch, den Streit endlich beizulegen.

Merkel: Noch „mittendrin“ in den Diskussionen

Sicherheitshalber dämpft Merkel vorab die Erwartungen an ihr Treffen mit US-Präsident Joe Biden. Man sei „mittendrin“ in den Diskussionen über eine gemeinsame Position zu Nord Stream 2, sie glaube „eher nicht“, dass bei ihrem Gespräch mit Biden „schon die Papiere vollkommen fertiggestellt sind“, sagte die Kanzlerin bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski am Montagabend.

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Bereits vor einiger Zeit hatte Merkel ihre Unterhändler nach Washington geschickt, um Möglichkeiten für eine Einigung zu sondieren. Bidens Regierung hatte Kompromissbereitschaft signalisiert, indem sie auf Sanktionen gegen das Unternehmen Nord Stream 2 und gegen Warnig verzichtete. Zuvor waren die Arbeiten in der Ostsee zum Erliegen gekommen, weil die USA Sanktionen gegen eine Schweizer Firma verhängt hatten, deren Schiffe die Röhren verlegten.

Im Kern geht es in den Gesprächen zwischen Berlin und Washington um die Frage, wie nach einer Inbetriebnahme von Nord Stream 2 negative Folgen für die Ukraine verhindert werden können. Nord Stream 2 sei eine „potenzielle Bedrohung der Sicherheit der Ukraine und der Region“, warnte Selenski bei seinem Treffen mit der Kanzlerin. Gegner des Projekts befürchten, dass Russland eine weitere Eskalation des Ukraine-Konflikts anstreben könnte, wenn die durch das Land führenden Gasleitungen nicht mehr gebraucht werden. Die Bundesregierung und das Land Mecklenburg-Vorpommern haben das Projekt jedoch gegen alle Widerstände unterstützt.

Selenski fordert Garantien von der EU

Die Ukraine müsse Transitland bleiben, betonte Merkel. In Berlin wird darauf verwiesen, dass sich die Bundesregierung gemeinsam mit der EU-Kommission für einen Vertrag eingesetzt habe, in dem Russland bis Ende 2024 Lieferungen durch die Ukraine zusagt. Doch die Führung in Kiew will sich auf solche russischen Zusagen allein nicht verlassen. „Wenn wir schon über Energiesicherheit reden, dann sollten wir Garantien der Europäischen Union haben“, sagte Selenski.

Der ukrainische Präsident sprach sich in Berlin zudem dafür aus, das Thema Nord Stream 2 im so genannten Normandie-Format zu behandeln, „mit Deutschland, mit Frankreich und anderen Teilnehmern“. Die Regierungen in Berlin und Paris bemühen sich seit der russischen Intervention in der Ostukraine 2014 um eine Vermittlung zwischen Kiew und Moskau. Doch die Verhandlungen kommen seit Jahren nicht voran, und die Waffenruhe ist brüchig.

Der ukrainischen Führung reichen die deutsch-französischen Vermittlungsversuche nun offenbar nicht mehr. Sie will die USA an den Gesprächen über eine Friedenslösung beteiligen. Selenski kündigte an, darüber mit Biden zu sprechen, wenn er selbst im Weißen Haus zu Gast ist.

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