Kritik an Merkel und Schulz: Merkels letzte große Wahl
SPD und CDU – in beiden Parteien müssen sich die Vorsitzenden behaupten. Die Merkel-Kritiker mehren sich, über Nachfolger wird schon spekuliert. Ein Kommentar.
Es ist der Herbst der deutschen Politik, wo Blätter fallen und die Parteivorsitzenden sich in ihren Ämtern behaupten müssen. Nach den Wahlen gilt das für Martin Schulz – und, ja, auch für Angela Merkel. Denn nichts ist gut, oder gut genug, als dass es so bleiben könnte. Darum wird über beide in ihren Vorständen geredet.
Zunächst die SPD. Der Sieg von Stephan Weil hat es nur noch einmal deutlich gemacht. Gefühl ist es nicht, was dem amtierenden SPD- Vorsitzenden Martin Schulz fehlt; er kann noch jede Veranstaltung zu einer sozialdemokratisch-wärmenden machen, einer der alten Art. Vermisst wird stattdessen inhaltliche Führung, eine konzise Vorstellung davon, was die Partei sein und wofür sie gewählt werden soll. Das wird ihm, Schulz, nicht zugetraut. Kritiker finden sich bis hinein in den Vizevorsitz.
Die Merkel-Kritiker treten hervor
Gefühligkeit ist ihre Sache nicht. Aber auch bei Angela Merkel geht es um den Inhalt: Dass sie als Kanzlerin zur Meisterin der Kopisten wurde, ist ihr lange von der CDU nicht übel genommen worden. So lange, wie es erfolgreich zu sein schien, der SPD die Themen wegzunehmen. Nur kann jetzt niemand mehr so richtig argumentieren, dass die Partei erfolgreich wäre. Die Wahlergebnisse sind, bei Licht betrachtet, sogar erschreckend schlecht; die CDU ist nicht viel stärker als die SPD.
Die Kritiker haben sich bisher im Dunklen gehalten. Langsam treten sie vor. Sie reichen hinein bis ins Präsidium, zumal in die Reihen der Ministerpräsidenten. Diese Kritiker besänftigt nicht, jetzt das Soziale voranzustellen und dafür Geld bereitzustellen, wie es als Plan absehbar ist. Schon deshalb nicht, weil darin nicht jeder den Markenkern der CDU sieht. Also muss inhaltlich mehr kommen, und das wird Merkel weniger zugetraut. Die Umfragen, die bei Unionsanhängern und darüber hinaus, sagen es aus: Sie ist in ihren Ämtern nicht mehr unumstritten.
Es wird Merkel nahegelegt, den Übergang zu organisieren
Das teilt Merkel mit Schulz. Der wiederum ist bereits umstellt von vier potenziellen Nachfolgern. Von denen haben (nur) zwei ein Interesse, ihn länger im Amt zu halten, um es dann selbst übernehmen zu können: Andrea Nahles und Manuela Schwesig. An beider Machtwillen besteht kein Zweifel. Beide sind aber eben auch noch zu kurz in ihren neuen Ämtern, um sich ein weiteres aufbürden zu können, das eine strategische Dimension hat: An diesem Amt hängt die Zukunft.
Zwei weitere müssten sich jetzt erklären: Weil und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz. Vor allem auf Scholz, den Anti-Schulz, richten sich die Augen für einen demokratischen Wettbewerb. Den die SPD bisher nicht offensiv als wünschenswert vertritt, weil sie sich an die 100 Prozent für Schulz vor der Wahl gebunden fühlt.
Und Merkel? Hinter vorgehaltener Hand wird ihr nahegelegt, den Übergang zu organisieren. Dass es ihre letzte große Wahl war, gilt als sicher. Die Idee lautet so: Für zwei Jahre ein starker Generalsekretär, als eine Art geschäftsführender Vorsitzender, dann der Übergang. Mindestens in der CDU. Dieser Name wird genannt: Jens Spahn. Und wo um Merkel herum jetzt international an der Spitze alle jünger werden, wächst der Druck auch national. Kurz: Mancher Herbst treibt neue Blüten.