Grenzgängerin: Merkels enttäuschte Freunde in Afrika
Per Grenzsicherung will die Bundesregierung die Migration in Afrika beschränken. Der Fokus widerspricht jedoch den Interessen einiger Partnerländer.
Wenn Kanzlerin Angela Merkel am Freitagabend aus Afrika zurückkehrt, wird sie in nur drei Tagen rund 10.000 Kilometer zurückgelegt haben – innerhalb von 72 Stunden ist sie von Berlin aus nach Burkina Faso geflogen, dann weiter nach Mali, in den Niger und zurück. Mit allen drei Staaten unterhält die Bundesrepublik enge Beziehungen.
Mehr als zehn Mal bereiste Merkel in den vergangenen Jahren die Region. Regelmäßig empfängt sie Politiker aus Westafrika im Kanzleramt. Der Grund: Staaten wie Burkina Faso, Mali oder Niger mögen teils bettelarm sein und auch außenpolitisch im Vergleich für Deutschland unbedeutend. Trotzdem spielen sie in Angela Merkels Afrika-Strategie eine Schlüsselrolle.
Das hat vor allem mit der Schwäche der dortigen Regierungen zu tun. Ihnen machen Dschihadisten wie jene der Terrorgruppe Boko Haram zu schaffen. Die Regierungen in Ougadougou, Bamako und Niamey wünschen sich deshalb Hilfe von Deutschland und der EU. Der Kampf gegen den Terror sei immerhin „eine internationale Aufgabe“, machten sie der Kanzlerin bei ihrem Besuch in Burkina Faso klar.
Immer wieder bringen militante Islamisten in Westafrika große Gebiete unter ihre Kontrolle, terrorisieren die Bevölkerung und befeuern lokale Konflikte – zum Beispiel in Zentralmali, wo Viehhüter mit Ackerbauern um die knappen Nutzflächen kämpfen. Profiteure sind Schmuggler und Menschenhändler, die die fehlenden staatlichen Strukturen für ihre kriminellen Machenschaften nutzen. Damit sind sie der größte Dorn im Auge der Bundesregierung – hat Berlin doch das erklärte Ziel, die Migration aus dem Süden einzudämmen.
Merkel über Mali-Einsatz: "Die Mission ist schwierig"
Um das zu erreichen, setzt Merkel auf die Partnerstaaten in Westafrika. Sie sollen ihre Grenzen sichern und in Deutschlands Auftrag Flüchtlinge von der Weiterreise nach Norden abhalten. Im Gegenzug bekommen sie militärische und wirtschaftliche Hilfe aus Deutschland. So beteiligt sich die Bundeswehr seit 2013 in Mali am UN-Friedenseinsatz Minusma sowie an der EU-Ausbildungsmission EUTM. Beide Einsätze sollen bald um ein weiteres Jahr verlängert werden, für mehr als 350 Millionen Euro. „Die Mission ist schwierig“, sagte Merkel am Donnerstag beim Besuch der deutschen Truppen in Mali. Die Sicherheitslage in dem Bürgerkriegsland hat sich jüngst nochmals verschlechtert, die Gewalt hat wieder zugenommen.
Neben der militärischen Hilfe wie in Mali will Deutschland mit viel Geld für die Entwicklungshilfe den Partnerregierungen unter die Arme greifen. Beispielsweise hat Angela Merkel am Mittwoch Burkina Faso 5,5 Millionen Euro für die Nutzbarmachung trockener Böden versprochen.
Im Vorfeld von Merkels Besuch gab es allerdings deutliche Kritik an Deutschlands Afrika-Politik. Mit scharfen Worten kritisierte der nigrische Innenminister Mohamed Bazoum die Europäische Union und die Bundesregierung. Sein Land hat auf Druck der EU 2015 den Transport von Migranten für illegal erklärt – seine Regierung habe aber nicht genug als Gegenleistung erhalten, findet Bazoum. „Wenn man bedenkt, welche Rolle wir bei der Reduzierung der Flüchtlingsströme gespielt haben, haben wir nicht substantiell von Investitionen profitiert“, sagte er der Zeitung „Die Welt“. Deutschland Engagement für die wirtschaftliche Entwicklung Nigers sei „völlig unzureichend“, sagte Bazoum: „Wir erleben diesbezüglich eine kleine Enttäuschung“.
Mit ihren Plänen, afrikanische Staaten zur Abwehr von Flüchtlingen einzusetzen, arbeitet die Bundesregierung indirekt auch gegen die Interessen ihrer afrikanischen Partner. So hat etwa die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas – und damit auch ihre Mitglieder Burkina Faso, Mali und Niger – Freizügigkeit in der Region vereinbart.
„Aus ökonomischen Gründen ist die Freizügigkeit von Waren und Menschen absolut wichtig“, sagt Christoph Kannengießer, Geschäftsführer vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. „Da gibt es ein Spannungsverhältnis zwischen den Wünschen der Ecowas-Mitglieder und der EU.“ Der Bundestagsabgeordnete Christoph Matschie, SPD-Afrika-Experte, sieht das ähnlich: „Afrika braucht den innerafrikanischen Handel für seine wirtschaftliche Entwicklung. Das gefährden wir, wenn wir uns nur darauf konzentrieren, die Grenzen zu sichern.“
Matschie begrüßt deshalb auch, dass die Afrikanische Union (AU) ein riesiges Freihandelsabkommen plant, in der es künftig sogar einen afrikanischen Reisepasses geben soll. Mit dem Startschuss für das Mega-Vorhaben wird im Sommer gerechnet. Für die AU ist das eine Frage des eigenen Stolzes – immerhin sollen damit die kolonialen Grenzen überwunden werden, die Bundesregierung und EU allerdings wiederbeleben wollen.